Rheinische Post Krefeld Kempen
Slowakische Regierungskrise dank Postentausch beendet
WIEN Igor Matovic ist der erste Regierungschef in der EU, der über seine umstrittene Corona-Politik stürzt. Die Slowakei zählt zu jenen Ländern, die am härtesten unter der Pandemie leiden. Seit Anfang März war Matovic, Chef der rechtspopulistischen Bewegung Olano, mit konkreten Rücktrittsaufforderungen seiner Koalitionspartner konfrontiert worden. Sechs der 16 Minister waren bereits zurückgetreten, damit war die Vier-Parteien-Koalition praktisch nicht mehr regierungsfähig.
Hauptursache der Regierungskrise war Matovics eigenmächtiger Regierungsstil, die Neigung des ehemaligen Verlagsmanagers, die Koalitionspartner zu brüskieren und immer häufiger Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Die Beschaffung des russischen Impfstoffs Sputnik V ohne Absprache sowie das allgemeine Pandemie-Missmanagement, das der Slowakei in Relation zur Bevölkerungszahl eine überdurchschnittlich hohe Todesrate und eine hohe Fallzahl an Intensivpatienten bescherte, führten letztlich fast zum Bruch.
Nun aber wurde in der Nacht zu Montag das Bündnis doch wieder gekittet. Drei der vier Parteichefs kamen zunächst überein, dass Matovic und Finanzminister Eduard Heger ihre Funktionen tauschen. Damit konnte Matovic, der diesen Vorschlag selbst präsentierte, seine Demission abwenden und sein Gesicht wahren. Alle zuletzt zurückgetretenen Regierungsmitglieder kehren wieder in das Kabinett zurück. Dieser Lösung stimmte auch sein schärfster Kritiker Richard Sulik von der rechtsliberalen SaS zu, er hatte sein Amt als Vizepremier und Wirtschaftsminister ebenfalls bereits niedergelegt.
Beobachter geben dem Neubeginn keine große Chance, solange der Ex-Premier weiterhin der Regierung angehört. Als neuer Finanzminister besetzt Matovic erneut einen Schlüsselposten, von dem nicht zuletzt das Funktionieren einer Regierung abhängt. Zudem wird dem neuen Premier Heger, einem Wirtschaftsfachmann, der ebenfalls Olano angehört, wenig Durchsetzungskraft gegen seinen Parteichef Matovic zugetraut.