Rheinische Post Krefeld Kempen
„Stau am Suezkanal ist Warnschuss für Europa“
Die Transportkosten von China nach Deutschland auf dem Seeweg haben sich innerhalb kurzer Zeit verachtfacht. Krefelder Industrieführer warnen einmal mehr vor einer Abhängigkeit von chinesischen Zulieferern.
Die Folgen der Schiffs-Havarie im Suezkanal in Ägypten reichen bis Krefeld. Nach der Befreiung des im Suezkanal festgefahrenen Containerschiffs Ever Given könnte es noch mehrere Tage bis zu einer Normalisierung des dortigen Schiffsverkehrs dauern. Dirk Howe, gemeinsam mit Georg Geier Geschäftsführer der Siempelkamp Gießerei GmbH in Krefeld, hofft, dass das Unglück zum Umdenken in vielen Bereichen des Welthandels, aber speziell in Europa und Deutschland führt. Der Stau am Suezkanal sei ein Warnschuss.
„Durch die plötzliche Blockade des Suezkanals sind viele europäische Maschinenbauer unter massiven Druck geraten. Globale Lieferketten wurden abrupt unterbrochen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass man dies hätte vermeiden können: Denn aufgrund von vermeintlichen Preisvorteilen auf Basis niedriger Frachtraten beim Einkauf von Gussteilen wurden diese in Fernost beschafft. Doch bereits seit dem vierten Quartal des vergangenen Jahres haben sich die Kosten für den Seetransport nach Europa empfindlich um teilweise das Achtfache
verteuert“, erklärte Hpwe im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die ursprüngliche Rechnung gehe also nicht mehr auf, da sich der resultierende Beschaffungspreis um teilweise mehr als 30 Prozent erhöht habe. Durch die Havarie im Suezkanal würden globale Lieferketten nun zusätzlich kommerziell gestresst. Viele deutsche Maschinenbauer stellten sich daher die Frage nach der grundsätzlichen Verfügbarkeit der Teile, berichtete er.
„Eine ‚Buy-Local-Strategie` habe neben einer verlässlichen Preisund Versorgungssicherheit auch die Vorteile kurzer Informationswege und größerer Flexibilität, mit der die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Maschinenbauindustrie gesichert und verbessert würde, sagte Geschäftsführer-Kollege Geier. Durch die erhöhte Wertschöpfung am Standort sicherten Gießereien und Maschinebauindustrie schließlich auch den Wohlstand und sozialen Frieden in Deutschland. „Vor dem Hintergrund, dass die hohen Transportvolumina auch einen entsprechenden CO2-Fußabdruck hinterlassen, stellt sich zukünftig umso mehr die Frage hinsichtlich einer umweltpolitischen Nachhaltigkeit“, betonten die beiden unisono und erhalten für ihre Position prominente Zustimmung.
Deutschlands Maschinenbauer spürten Engpässe bereits ohne Stau – vor allem bei Lieferungen von elektronischen Bauteilen aus Asien. Die Blockade könne die Situation nun weiter verschärfen, warnte Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) in Person von Chefvolkswirt Ralph Wiechers.
Die Blockade trifft auch andere Branchen. „In der Chemieindustrie und bei ihren industriellen Kunden
sind momentan die Lieferketten aus Asien unterbrochen“, sagte Henrik Meincke, Chefvolkswirt des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) in Frankfurt. Dadurch komme es zu Engpässen bei wichtigen Vorprodukten. Wegen der Corona-Pandemie seien Lieferketten ohnehin unter Druck.
Nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft fahren 98 Prozent der Containerschiffe zwischen Deutschland und China üblicherweise durch den Kanal. Das entspricht neun Prozent aller deutschen Warenimporte und -exporte.