Rheinische Post Krefeld Kempen
Feuerwehren rücken zusammen
Nach neun Monaten als ehrenamtlicher Leiter der Feuerwehr Tönisvorst ist Jens Griese ins Hauptamt gewechselt. Der 41-Jährige sitzt nun viel mehr am Schreibtisch und arbeitet weiter daran, beide Löschzüge zusammenzuführen. Wie ihm das gelingen soll.
TÖNISVORST Die Freiwillige Feuerwehr Tönisvorst steht jetzt wieder unter hauptamtlicher Leitung. Jens Griese, der den Führungsposten bei der Wehr zum 1. Juli 2020 übernommen hatte, agierte die ersten neun Monate seiner neuen Tätigkeit als Ehrenamtler, um für sich den beruflichen Übergang fließender zu gestalten. Inzwischen ist der 41-Jährige fest angekommen.
Neben seinem Beruf als selbstständiger Abbruchunternehmer musste sich Griese in den vergangenen Monaten etwa mit Personalplanung und -führung befassen, dazu immer wieder Rechnungen prüfen. „Es war stressig“, sagt er. Etwa 80 bis 100 Stunden seien dafür monatlich zusammengekommen – neben dem Beruf und ohne Einsätze gerechnet. „Ich habe es selber unterschätzt“, sagt der Stadtbrandinspektor, fügt aber hinzu: „Ich habe die Entscheidung nicht bereut.“Er war 1994 Gründungsmitglied der Jugendfeuerwehr und ist dem Löschzug St. Tönis seit 1997 verbunden. Zuletzt war er dort bereits bereits stellvertretender Löschzugführer.
Im vergangenen Sommer stand Griese vor mehreren Herausforderungen. Zunächst galt es, die Truppen trotz Corona-Pandemie zusammen und einsatzbereit zu halten. Zudem herrschte noch Unruhe in den Löschzügen. Personalquerelen hatten dazu geführt, dass Strukturen verändert, Posten neu besetzt worden waren. „Ich mag Herausforderungen“, sagte Griese damals. Heute räumt er ein: „Es ist eine sehr große Herausforderung gewesen.“
Der Truppenzusammenhalt abseits des Einsatzgeschehens hat in der Krise gelitten. Gesellige Treffen und Feiern – sonst bei der Feuerwehr ein wichtiger Faktor – waren nicht möglich. Mitte September durften wieder Übungsdienste stattfinden – allerdings mussten sie Ende Oktober wieder eingestellt werden.
Stattdessen gibt es für die Ehrenamtler seitdem Online-Unterricht, das laufe sehr diszipliniert, berichtet der neue Chef. Aber er merke, dass seine Leute wieder raus wollten: „Bei kleineren Einsätzen, zu denen beim Alarm sonst 20 gekommen sind, kommen heute 30“, sagt Griese.
Anders als erwartet sei die Zahl der Einsätze während der Pandemie nicht gesunken – im Gegenteil. „2020 hatten wir so viele Einsätze wie nie zuvor“, berichtet Griese: 224 in St. Tönis (2019: 200) und 104 in Vorst (90). Verkehrsunfälle und Brände habe es deutlich seltener gegeben, dafür seien die Löschzüge häufig als Unterstützung der Rettungsdienste gerufen worden, als Tragehilfe oder bei Türöffnungen.
Das interne Hygieneschutzkonzept habe bislang funktioniert. Einen Corona-Fall habe es gegeben, aber niemand anderes habe sich angesteckt, erzählt Griese. Dem Erkrankten gehe es wieder gut.
Dazu sind etliche der ehrenamtlichen Tönisvorster Feuerwehrkräfte schon früh geimpft worden: 13 als Berufsfeuerwehrleute und drei Rettungssanitäter über ihren Beruf, dazu einige über Restimpfdosen. „Als Ende Dezember in den Altenheimen noch Impfstoff übrig war, hatte ich 58 Mann innerhalb einer Stunde zusammen“, sagt Griese.
Recht zügig hätten sie auch die Zweitimpfung erhalten, danach rutschte die Tönisvorster Wehr in die reguläre Impfreihenfolge. Aktuell liegt die Impfquote der Ehrenamtler in Tönisvorst bei etwa 50 Prozent. Der Rest muss weiter warten.
Die Corona-Pandemie hat die Zusammenführung der beiden Löschzüge St. Tönis und Vorst erschwert. „Ohne Treffen funktioniert's nicht“, sagt Griese. Allerdings habe sich die Atmosphäre nach der Neustrukturierung entspannt. Griese: „Trotz Clinch war es immer eine professionelle und konstruktive Zusammenarbeit.“Die Einsatzfähigkeit habe unter dem Konflikt nie gelitten.
Die Auseinandersetzungen innerhalb der Führungsriege waren mit dem Rücktritt des damaligen Vorster Löschzugführers Toni van Cleef im November 2019 an die Öffentlichkeit gelangt. Mit ihm legten mehrere Vorster Feuerwehrleute ihre Ehrenämter nieder. Die Spannungen führten dazu, dass die Tönisvorster Politik entschied, Wehrführung und Löschzugführung zu trennen.
Bis dahin waren die Löschzugführer auch die Stellvertreter des Tönisvorster Wehrführers.
Griese und seine Kollegen haben unten angefangen, bei Kleinigkeiten, wie der Stadtbrandinspektor es nennt. Seit Dezember gibt es eine gemeinsame Internetseite, auf der die bislang getrennten digitalen Auftritte der beiden Löschzüge zusammengeführt sind. Dazu gibt es einen gemeinschaftlichen Auftritt bei Facebook und seit März auch bei Instagram. Im neuen Presseteam agieren zwei Vorster und zwei St. Töniser zusammen. Mit dieser Strategie sei Tönisvorst Vorreiter, sagt Griese: „Viele andere Feuerwehren machen alles noch immer sehr bezogen auf die einzelnen Löschzüge.“
Für den Chefposten bei der Feuerwehr hat Griese die Geschäftsführung im elterlichen Abbruchunternehmen nach genau 18 Jahren abgeben. Die beiden aber machen weiter. Für den 41-Jährigen, der vom Stadtrat auf sechs Jahre gewählt ist, besteht also die Option, irgendwann zurückzukehren.