Rheinische Post Krefeld Kempen
Mehr wilder Müll durch Corona-Masken
Wilder Müll hat durch Corona eine neue Dimension erreicht. Unsachgemäß entsorgte Masken und Einweghandschuhe sind Fallen für Wildtiere. Was Nabu-Naturschutztrainerin Elita Grafke aus Schiefbahn dagegen tun will.
WILLICH Die Corona-Pandemie hat inzwischen auch Auswirkungen auf die Tierwelt genommen: Beobachtet werden Vogelküken, die in Gummibändern von FFP2-Masken umkommen, weil die Eltern diese zum Nestbau verwenden. Auch Igel verheddern sich in den Masken, verenden wie andere Tiere an weggeworfenen Plastikhandschuhen. In Gewässern schwimmen Fische in die Handschuhe und kommen nicht mehr heraus. Das gesamte Ausmaß von unsachgemäß entsorgten Schutzmaterialien ist noch nicht abzusehen. Die Deutsche Wildtierstiftung schlägt bereits Alarm. Aber nicht nur dort sorgt man sich. „Wir beobachten mit Entsetzen, welche große Gefahr von diesen Dingen ausgeht“, sagt Elita Grafke. Die Naturschutztrainerin der Nabu-Ortsgruppe Willich beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema wilder Müll und den Gefahren, die damit gerade für die Wildtiere einhergehen.
Sie hat verschiedene Projekte ins Leben gerufen und arbeitet daran, daraus ein Modell für ihre Heimatstadt zu erstellen. Später sollen es auch andere Städte und Gemeinden nutzen können. Dabei verzichtet sie auf den erhobenen Zeigefinger. Das Wichtigste sind ihr Aufklärung und Sensibilisierung. Die Nabu-Naturtrainerin setzt darum schon bei Kindern an. „Niemand will Tiere verletzen oder gar töten, wenn etwas gedankenlos in der Natur weggeworfen wird“, sagt Grafke. Nur an die Folgen denke niemand. Hier gelte es zu informieren.
Sie hat zusammen mit Kooperationspartnern, darunter die Stadt Willich, das Kinderbuch „Lass uns ein gutes Zuhause finden“realisiert. Das Buch, das dank Sponsoren an alle Erstklässler in den Willicher Grundschulen verteilt werden konnte, kommt an. Die Schiefbahnerin habe zahlreiche Rückmeldungen von Schulen erhalten, in denen sich etwa Umwelt-Detektiv-Gruppen gebildet hätten. Familien würden ihr von eigenen Müllsammelaktionen
in der Natur berichten. Dozenten würden das Buch bei der Ausbildung von Erziehern nutzen. Und immer wieder gebe es Kinder, die die Naturtrainerin darüber informieren würden, dass sie auf die Umwelt achten wollen und das auch ihren Eltern klar machen möchten.
Aus ganz Deutschland gehen Bestellungen für das Buch ein. All das motiviert die Schiefbahnerin und ihren Mann Benno Grafke weiterzumachen. Willichs Bürgermeister Christian Pakusch (CDU) steht dabei hinter ihr. „Es ist ein toller Beitrag zum Umweltschutz, und es ist genau der Weg, wie ich Umweltpolitik sehe“, sagt er. „Nicht mit Verboten und Geldstrafen, sondern mittels Aufklärung und Überzeugung erfolgt der Einsatz für die Natur.“
Daher fiel bei der Stadt Willich der Entschluss, das Buch an die kommenden Generationen von i-Dötzchen quasi als Willkommensgeschenk in den Grundschulen zu verteilen. Damit erhalten jetzt alle neuen Erstklässler zum Schuljahr 2021/22 das Buch.
Investieren, um zu sparen, und das nachhaltig, nennt Grafke dies. Jedes Jahr müssen die Städte und Gemeinden in Deutschland rund 700 Millionen Euro aufbringen, um wilden Müll zu entsorgen. Kinder, denen man ein Bewusstsein in Sachen wilder Müll vermittelt, können als Multiplikator wirken.
Grafke möchte gerne noch früher ansetzen und in Kindertagesstätten gehen. Dafür plant sie, Spiele in gemeinschaftlicher Arbeit mit Erziehern zu erstellen. Diese sollen anschließend wiederum auf Internetseiten zum Thema wilder Müll zum kostenfreien Herunterladen bereit stehen.
Außerdem plant Grafke eine Kampagne zu Zigarettenkippen. Denn allein in Deutschland werden jährlich 74 Milliarden Zigaretten geraucht, zwei Drittel davon werden achtlos weggeworfen – das macht 49 Milliarden Kippen. Die Kommunen geben pro Jahr 225 Millionen für die Entsorgung aus. Kippen sind toxischer Sondermüll, der Wasser und Böden vergiftet.
Grafke will mit eigens entworfenen Plakaten, Bodentattoos, Flyern, dem Einbinden von Schulen – darunter Forschungsprojekte im Rahmen von „Jugend forscht“– und der Herstellung von Taschen-Aschenbechern aus Dosen dem Problem der achtlos entsorgten Zigarettenkippen entgegenarbeiten. Das Ganze ist ein weiterer Baustein im Rahmen des Willicher Projekts „Wilder Müll“.