Rheinische Post Krefeld Kempen
Geräusche sehen und Farben fühlen
Beim Phänomen der Synästhesie nehmen Menschen Reize mit zwei Sinnen wahr.
Stell dir vor, rot fühlt sich heiß an und wenn du Musik hörst, siehst du vor deinem inneren Auge viele unterschiedliche Farben und Formen. Bei etwa zwei bis fünf Prozent der Menschen ist das ganz normal. Sie koppeln zwei Sinneswahrnehmungen miteinander, die normalerweise getrennt funktionieren. Dieses Phänomen nennt sich Synästhesie. Der aus dem Griechischen stammende Begriff setzt sich aus „syn“(zusammen) und „aisthesis“(Empfindung) zusammen und wurde 1866 das erste Mal von dem Neuropsychologen Alfred Vulpian verwendet.
Die Neurophysiologin Marie-Luise Schreiter vom Universitätsklinikum Dresden erklärt es so: „Menschen mit Synästhesie haben eine normale Wahrnehmung – sie hören was oder riechen was – , und zeitgleich, immer automatisch, haben sie noch eine Erfahrung in einem zweiten Sinn.“Grundvoraussetzung für Synästhesie ist also das gleichzeitige Aktivieren von zwei Sinnen. Im Magnetresonanztomographen (MRT ) kann man übrigens deutlich erkennen, wie zwei unterschiedliche Gehirnregionen, zum Beispiel das Hörzentrum und die Region für den Geschmack, bei Synästheten zeitgleich aktiviert werden. Doch Synästhesie ist nicht immer gleich. Wissenschaftler gehen so von bis zu 80 unterschiedlichen Varianten aus. Am häufigsten ist die des farbigen Hörens, ein Ton kann beispielsweise rosa erscheinen und eine Stimme türkis.
Aber wie kommt es dazu? Zum einen ist Synästhesie vererbbar und tritt gehäuft in Familien auf. Zum anderen vertreten viele Wissenschaftler die Theorie, dass jeder Fötus mit Synästhesie geboren wird. Bei Nicht-Synästheten lösen sich die ausschlaggebenden Querverbindungen der Hirnareale später jedoch auf. Antrainieren kann man sich diese Fähigkeit deswegen leider nicht.