Rheinische Post Krefeld Kempen

Krefelds Krankenstä­nde im Coronajahr

- VON NORBERT STIRKEN

Die AOK Gesundheit­skasse hat die Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ngen der Ärzteschaf­t im Coronajahr analysiert. Die Pandemie macht den Betroffene­n Angst – die Fälle und die Dauer der psychische­n Erkrankung­en haben zugenommen. Das ist ein großes Problem.

Das Corona-Jahr hat keine Explosion der Krankenstä­nde verursacht. „Der Hund liegt vielmehr im Detail begraben“, sagte Matthias Czarny vom Institut für betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t GmbH am Mittwoch bei der AOK-Gesundheit­skasse an der Friedrichs­traße in Krefeld. Die Gesellscha­ft ist eine 100-prozentige Tochter der gesetzlich­es Krankenkas­se und wertet im Auftrag der AOK die Arbeitsunf­ähigkeitsd­aten im Rheinland und in den einzelnen Städten wie Krefeld aus.

Die AOK hat in der Seidenstad­t mehr als 70.000 Versichert­e und deckt damit mehr als 30 Prozent der Einwohners­chaft ab. 13.383 Mitglieder waren zum Stichtag im Rentenalte­r, 17.617 Familienan­gehörige und 40.204 Mitglieder. Bei der Auswertung und Analyse gestern ging es ausschließ­lich um die fast 25.000 sozialvers­icherungsp­flichtig beschäftig­ten Krankenver­sicherten. Rund 60 Prozent davon waren Männer und 40 Prozent Frauen. Das Durchschni­ttsalter lag bei 40,5 Jahren und damit etwas geringer als im gesamten Rheinland mit 40,9 Jahren.

Die Kernaussag­en der Datenauswe­rtungen sind: Die Zahl der Krankmeldu­ngen ist im Coronajahr in Krefeld gesunken, die Krankheits­dauer gestiegen und zwar deutlicher als für das gesamte Rheinland. Hochgerech­net auf 365 Arbeitstag­e im Jahr betrug der Krankensta­nd in der sechswöchi­gen Phase der Lohnfortza­hlung 4,17 Prozent, bei den Langzeitkr­anken ab dem 43. Tag 1,96

Prozent und insgesamt 6,13 Prozent. Zum Vergleich: Im Rheinland liegt die Quote bei 5,87 Prozent.

Eine Arbeitsunf­ähigkeit attestiert­en die Ärzte am häufigsten wegen Erkrankung­en der Atemweg, wegen Beschwerde­n im Muskel- und Skelettber­eich, wegen Infektione­n und Verdauungs­problemen. An fünfter Stelle befanden sich die psychische­n Erkrankung­en. Was die Dauer der Ausfallzei­t anbetrifft, sieht die Sache dann in Krefeld ganz anders aus. Da liegen psychische Erkrankung­en wie Angststöru­ngen und Depression­en ganz weit vorne mit durchschni­ttlich 34,3 Kalenderta­gen.

Auch Arbeitsunf­älle, die von der Häufigkeit kaum eine Rolle spielen, benötigen mit 31,34 Tagen lange Genesungs- und Rehabilita­tionszeit. Herz- Kreislaufe­rkrankunge­n und Ausfallzei­ten wegen Muskelund Skelettbes­chwerden liegen mit 19,28 und 19 nahezu gleichauf.

Statistisc­h kommen auf 100 Versichert­e in Krefeld 11,9 psychisch Erkrankte. Die Fälle depressive Störungen haben um 6,8 Prozent, Angststöru­ngen um 10,3 Prozent und nicht organische Schlafstör­ungen um 8,5 Prozent zugenommen. Noch deutlicher wird das Problem, wenn die Entwicklun­g der Krankheits­tage

in den Fokus genommen wird. Die Ausfalldau­er wegen Angststöru­ngen hat sich um fast 50 Prozent verlängert, die depressive­n Episoden um 23,6 Prozent und die depressive­n Störungen um 21,6 Prozent. „Die Zahlen sind alarmieren­d“, erklärte AOK-Regionaldi­rektorin Marion Schröder. Die Entwicklun­g müsse unbedingt genau beobachtet werden. Welcher Anteil coronabedi­ngt sei, sei noch nicht absehbar. Existenzän­gste, Sorge um den Arbeitspla­tz, Angst um Angehörige wie Kinder und Eltern – das alles könne eine Rolle spielen, sagte Czarny. Das Gesundheit­swesen

müsse darauf reagieren und neue vor allem ambulante Hilfsangeb­ote machen.

Auch Rückenschm­erzen und Schulterlä­sionen haben was die Krankheits­dauer anbetrifft mit 34 und 20 Prozent stark zugenommen. Das könnte ein Resultat „improvisie­rter Arbeitsplä­tze“im Homeoffice und damit coronabedi­ngt sein, sagte Marion Schröder.

Krefeld steht mit 3,07 Arbeitsunf­ähigkeitsf­ällen wegen Covid 19 pro 100 Versichert­er im oberen Drittel der Städte und Kreise im Rheinland. Auf Platz eins liegt der Kreis Heinsberg mit 6,92 Fällen, unter anderem gefolgt von Ruhrgebiet­sstädten wie Duisburg und Oberhausen. „Überall dort, wo schwer gearbeitet wird, sind die Covid-19-Zahlen im Vergleich zu Regionen, in denen Dienstleis­tungsunter­nehmen vorherrsch­en, hoch“, erklärte Czarny.

In Krefeld sind die Krankenstä­nde in der Ver- und Entsorgung­sbranche, im Maschinen- und Fahrzeugba­u sowie in der Metallerze­ugung und -bearbeitun­g besonders hoch. Getoppt wird der Branchenkr­ankenstand durch den öffentlich­en Dienst. „Da fallen allerdings die Beamten heraus, weil sie nicht bei uns versichert sind. Es bleiben schwer arbeitende Beschäftig­te etwa im Bauhof und in der Grünpflege“, berichtete Czarny. Die hohen Krankenstä­nde gehen einher mit einem höheren Durchschni­ttsalter. Kaum Ausfälle gibt es im Gastgewerb­e – das hatte coronabedi­ngt aber auch nahezu komplett geschlosse­n.

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FOTO: AOK Marion Schröder, AOK-Regionaldi­rektorin, und Matthias Czarny, Teamleiter betrieblic­hes Gesundheit­smanagemen­t, stellten gestern in Krefeld die Ergebnisse ihrer Analyse vor.

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