Rheinische Post Krefeld Kempen
Krefelds Krankenstände im Coronajahr
Die AOK Gesundheitskasse hat die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen der Ärzteschaft im Coronajahr analysiert. Die Pandemie macht den Betroffenen Angst – die Fälle und die Dauer der psychischen Erkrankungen haben zugenommen. Das ist ein großes Problem.
Das Corona-Jahr hat keine Explosion der Krankenstände verursacht. „Der Hund liegt vielmehr im Detail begraben“, sagte Matthias Czarny vom Institut für betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH am Mittwoch bei der AOK-Gesundheitskasse an der Friedrichstraße in Krefeld. Die Gesellschaft ist eine 100-prozentige Tochter der gesetzliches Krankenkasse und wertet im Auftrag der AOK die Arbeitsunfähigkeitsdaten im Rheinland und in den einzelnen Städten wie Krefeld aus.
Die AOK hat in der Seidenstadt mehr als 70.000 Versicherte und deckt damit mehr als 30 Prozent der Einwohnerschaft ab. 13.383 Mitglieder waren zum Stichtag im Rentenalter, 17.617 Familienangehörige und 40.204 Mitglieder. Bei der Auswertung und Analyse gestern ging es ausschließlich um die fast 25.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Krankenversicherten. Rund 60 Prozent davon waren Männer und 40 Prozent Frauen. Das Durchschnittsalter lag bei 40,5 Jahren und damit etwas geringer als im gesamten Rheinland mit 40,9 Jahren.
Die Kernaussagen der Datenauswertungen sind: Die Zahl der Krankmeldungen ist im Coronajahr in Krefeld gesunken, die Krankheitsdauer gestiegen und zwar deutlicher als für das gesamte Rheinland. Hochgerechnet auf 365 Arbeitstage im Jahr betrug der Krankenstand in der sechswöchigen Phase der Lohnfortzahlung 4,17 Prozent, bei den Langzeitkranken ab dem 43. Tag 1,96
Prozent und insgesamt 6,13 Prozent. Zum Vergleich: Im Rheinland liegt die Quote bei 5,87 Prozent.
Eine Arbeitsunfähigkeit attestierten die Ärzte am häufigsten wegen Erkrankungen der Atemweg, wegen Beschwerden im Muskel- und Skelettbereich, wegen Infektionen und Verdauungsproblemen. An fünfter Stelle befanden sich die psychischen Erkrankungen. Was die Dauer der Ausfallzeit anbetrifft, sieht die Sache dann in Krefeld ganz anders aus. Da liegen psychische Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen ganz weit vorne mit durchschnittlich 34,3 Kalendertagen.
Auch Arbeitsunfälle, die von der Häufigkeit kaum eine Rolle spielen, benötigen mit 31,34 Tagen lange Genesungs- und Rehabilitationszeit. Herz- Kreislauferkrankungen und Ausfallzeiten wegen Muskelund Skelettbeschwerden liegen mit 19,28 und 19 nahezu gleichauf.
Statistisch kommen auf 100 Versicherte in Krefeld 11,9 psychisch Erkrankte. Die Fälle depressive Störungen haben um 6,8 Prozent, Angststörungen um 10,3 Prozent und nicht organische Schlafstörungen um 8,5 Prozent zugenommen. Noch deutlicher wird das Problem, wenn die Entwicklung der Krankheitstage
in den Fokus genommen wird. Die Ausfalldauer wegen Angststörungen hat sich um fast 50 Prozent verlängert, die depressiven Episoden um 23,6 Prozent und die depressiven Störungen um 21,6 Prozent. „Die Zahlen sind alarmierend“, erklärte AOK-Regionaldirektorin Marion Schröder. Die Entwicklung müsse unbedingt genau beobachtet werden. Welcher Anteil coronabedingt sei, sei noch nicht absehbar. Existenzängste, Sorge um den Arbeitsplatz, Angst um Angehörige wie Kinder und Eltern – das alles könne eine Rolle spielen, sagte Czarny. Das Gesundheitswesen
müsse darauf reagieren und neue vor allem ambulante Hilfsangebote machen.
Auch Rückenschmerzen und Schulterläsionen haben was die Krankheitsdauer anbetrifft mit 34 und 20 Prozent stark zugenommen. Das könnte ein Resultat „improvisierter Arbeitsplätze“im Homeoffice und damit coronabedingt sein, sagte Marion Schröder.
Krefeld steht mit 3,07 Arbeitsunfähigkeitsfällen wegen Covid 19 pro 100 Versicherter im oberen Drittel der Städte und Kreise im Rheinland. Auf Platz eins liegt der Kreis Heinsberg mit 6,92 Fällen, unter anderem gefolgt von Ruhrgebietsstädten wie Duisburg und Oberhausen. „Überall dort, wo schwer gearbeitet wird, sind die Covid-19-Zahlen im Vergleich zu Regionen, in denen Dienstleistungsunternehmen vorherrschen, hoch“, erklärte Czarny.
In Krefeld sind die Krankenstände in der Ver- und Entsorgungsbranche, im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Metallerzeugung und -bearbeitung besonders hoch. Getoppt wird der Branchenkrankenstand durch den öffentlichen Dienst. „Da fallen allerdings die Beamten heraus, weil sie nicht bei uns versichert sind. Es bleiben schwer arbeitende Beschäftigte etwa im Bauhof und in der Grünpflege“, berichtete Czarny. Die hohen Krankenstände gehen einher mit einem höheren Durchschnittsalter. Kaum Ausfälle gibt es im Gastgewerbe – das hatte coronabedingt aber auch nahezu komplett geschlossen.