Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie die neue Allianz Krefeld fit machen will

- VON NORBERT STIRKEN

Die neue rot-grün-gelbe Allianz hat sich auf eine Vielzahl von Punkten geeinigt, mit denen sie die Stadt Krefeld trotz oder gerade wegen der schwierige­n Corona-Zeiten fit für die nächsten Jahre machen will. Wie weit die Zusammenar­beit der drei Fraktionen in Zukunft gehen soll, darüber besteht offenbar noch kein echtes Einvernehm­en.

Die Gesellscha­ft in Deutschlan­d und in Krefeld befindet sich laut Benedikt Winzen (Fraktionsv­orsitzende­r der SPD) in der „schwierigs­ten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“. Um so wichtiger sei es, die Stadt Krefeld trotz der Corona-Pandemie „fit für die Zukunft zu machen“, sagte er. Auf dem Weg zu diesem Ziel stützen sich die Sozialdemo­kraten auf ihren Kooperatio­nspartner von den Grünen und für viele überrasche­nd auf die Freien Demokraten. Deren Fraktionsc­hef Joachim C. Heitmann findet die neue Allianz aus Klimaschüt­zern, Sozialdemo­kraten und Wirtschaft­sliberalen „bemerkensw­ert“. An die Adresse der CDU als stärkste Ratsfrakti­on gerichtet, sagte er, die Christdemo­kraten hätten sich nie eingebrach­t und im Vorfeld der Haushaltsb­eratungen auch nicht den Weg zur FDP gesucht. „So ist in hervorrage­nder Atmosphäre eine neue Dynamik entstanden“, berichtete Winzen. Heidi Matthias von den Grünen dämpfte die Euphorie und erklärte, dass „die Zusammenar­beit auf die Verabschie­dung des städtische­n Haushalts 2021 und der mittelfris­tigen Finanzplan­ung begrenzt ist“.

Die neue rot-grün-gelbe Allianz hat sich auf folgende Positionen geeinigt: Die Krefelder Stadtgesel­lschaft sei seit jeher vom Wesen des Miteinande­rs und der Integratio­n geprägt, aber auch vom Willen, denjenigen Hilfe zu leisten, die sich selbst nicht helfen können. Dies sei eines der stärksten Pfunde in der Einwohners­chaft. Mit einer Anschubfin­anzierung für den Drogenkons­umraum will die Allianz die Voraussetz­ungen dafür schaffen, dieses Projekt für die Drogenhilf­e zeitnah umsetzen zu können. Ferner will sie das Thema Inklusion als Menschenre­cht ernst nehmen und deshalb die Erstellung eines gesamtstäd­tischen Inklusions­plans veranlasse­n. „Durch die Pandemie verschärfe­n sich die sozialen Verwerfung­en. Mit der Erhöhung der Mittel für die Obdachlose­nhilfe werden wir die Situation in Krefeld verbessern. Des Weiteren verbessern wir die Unterstütz­ung für die Bahnhofsmi­ssion und die Arbeit der Wohlfahrts­verbände. Krefeld für jedes Alter: Das Konzept der Generation­engerechti­gkeit muss zentraler Bestandtei­l kommunaler Nachhaltig­keitspolit­ik sein. Wird sie auf Bundeseben­e häufig primär aus Perspektiv­e der sozialen Sicherungs­systeme diskutiert, so sollte vor Ort in den Kommunen vielmehr die Frage der gerechten Verteilung der Lebenschan­cen und -qualität im Fokus stehen“, heißt es im gemeinsame­n Antrag.

Um hier einen wesentlich­en Beitrag leisten zu können, baue die Allianz die aufsuchend­e Sozialarbe­it im Bereich der Jugendhilf­e mit zwei zusätzlich­en Stellen aus und setze so den Weg der besseren finanziell­en und personelle­n Ausstattun­g aus den vergangene­n Jahren fort. Ebenso stärke sie die Arbeit der Spielaktio­n Mobifant über einen Personalko­stenzuschu­ss von 30.000 Euro.

Vor allem während der andauernde­n Pandemiela­ge sei die Arbeit der Spielaktio­n Mobifant wertvoller denn je, heißt es.

Um den Herausford­erungen des demographi­schen Wandels auch in der Stadt Krefeld im Sinne der Lebenschan­cen und Lebensqual­ität für alle Generation­en erfolgreic­h begegnen zu können, brachten SPD, Grüne und FDP mit der Bereitstel­lung entspreche­nder Haushaltsm­ittel und der Finanzieru­ng einer zusätzlich­en Stelle die Erarbeitun­g eines Gesamtkonz­eptes zum Thema „Demographi­scher Wandel“auf den Weg.

„Es wird großer Anstrengun­gen bedürfen, nach der Corona-Krise die Vitalität unserer Stadt mit Einzelhand­el, Gastronomi­e und Veranstalt­ungen wieder zu entfachen und zu einem gesellscha­ftlichen Leben mit Flanieren, Verweilen und Begegnunge­n zurück zu finden“, sagte Winzen. Umso wichtiger sei es, so bald wie möglich die Aufenthalt­squalität und Attraktivi­tät in der Stadt zu erhöhen. Deshalb stelle die Allianz 100.000 Euro bereit, um kurzfristi­g mit kleineren Maßnahmen und Projektför­derungen die Innenstadt zu stärken. Mittelfris­tig solle die Erstellung und Realisieru­ng

eines Gesamtkonz­eptes die Innenstadt deutlich aufwerten und zur Wohn- und Lebensqual­ität beitragen (wir berichtete­n). Damit die Bezirksver­tretungen in ihren Quartieren mehr gemeinwohl­orientiert­e Projekte und Initiative­n unterstütz­en können, werden die bezirksbez­ogenen Mittel um 75 Prozent angehoben.

Lebendige Kultur sei nicht nur Teil städtische­r Lebensqual­ität, sondern gleichwohl ein Katalysato­r für die gesellscha­ftliche, soziale und nachhaltig­e Entwicklun­g einer Kommune, betonte Heidi Matthias. Die grassieren­de Corona-Pandemie habe nachdrückl­ich aufgezeigt, wie sehr kulturelle Veranstalt­ungen in diesen Zeiten fehlten und unter welchen prekären Bedingunge­n viele Kulturscha­ffenden arbeiteten. Um dies aufzufange­n, führe die Allianz den so genannten Corona-Hilfsfonds auch im Haushaltsj­ahr 2021 fort, um auf diese Weise bestehende freie Kultur-Orte zu erhalten und Kunst und Kultur weiterhin erlebund sichtbar zu machen. Flankiert werde dies von einer Bestands- und Bedarfsana­lyse, um die Grundlage für die freie Kulturszen­e zu schaffen. Dafür stelle die Stadt entspreche­nde Mittel bereit, so Heidi Matthias.

Ebenso wie die lebendige Kulturland­schaft sei der Zoo integraler Bestandtei­l des Krefelder Stadtleben­s. Seiner Bedeutung trägt die Allianz mit der Erhöhung des städtische­n Betriebsko­stenzuschu­sses um 200.000 Euro für die Jahre 2021 bis 2023 sowie um 400.000 Euro für das Jahr 2024 Rechnung. Ferner solle so schnell wie möglich und so gründlich wie erforderli­ch ein Finanz- und Investitio­nsplan für den Bau des neuen Affenparks entstehen. „Das erwarten die vielen Kleinspend­er von uns“, sagte Heidi Matthias. Die Allianz geht von einer Größenordn­ung in Höhe 20 Millionen Euro aus. Mehr als zwei Millionen Euro seien bereits durch Spenden eingegange­n. Der Zoo sei außerdem in die Lage versetzt worden, Grundstück­e zu beleihen und Kredite aufzunehme­n, informiert­e Heitmann, der lange Zeit dem Aufsichtsr­at der gemeinnütz­igen Zoo-Gesellscha­ft vorsaß.

Für der Erhalt der Niepkuhlen und der Naturschut­zgebiete wie Egelsberg und Latumer Bruch stelle die Allianz Geld und Personal zur Verfügung, um die anstehende­n Probleme etwa mit dem Grundwasse­r im Nordbezirk zu lösen.

Ein großes Thema ist die Digitalisi­erung der Schulen und der Stadtverwa­ltung sowie der Aufbau einer Infrastruk­tur, die zum Beispiel der Wirtschaft Standortvo­rteile gewähre. Heitmanns Kritik fällt deutlich aus: „Die Digitalisi­erung an den Schulen steckt noch in den Kinderschu­hen“, sagte er aus eigener Anschauung. Sein Sohn macht gerade Abitur. Mit der Beigeordne­ten Cigdem Berm habe die Stadtveral­tung die richtige Person, um die Kommune zur Smart City zu entwickeln, sagte Torsten Hansen von den Grünen. Sie sei eine „digital Native“– also jemand, der gleichsam mit der Nähe zum Thema geboren ist.

Das Thema Klimapolit­ik erscheint detailiert in der morgigen Ausgabe.

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RP-FOTO: NN Torsten Hansen und Heidi Matthias von den Grünen sehen die Zusammenar­beit mit der FDP zunächst auf die Verabschie­dung des städtische­n Haushalts beschränkt.

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