Rheinische Post Krefeld Kempen
Sorge wegen historisch kaltem April
Der kälteste April seit 44 Jahren treibt die Bauern um: Die Aussaat der Jungpflanzen verzögert sich. Kohl und Spätkartoffeln brauchen Wärme.
KEMPEN „Der April macht, was er will.“Dieser Spruch trifft in diesem Jahr zu: Es gab Schnee, Frost und Hagel, Nebel, Regen und Sonnenschein. Die Temperaturen schwankten zwischen Werten im Minusbereich bis im zweistelligen Plusbereich. Laut dem Deutschen Wetterdienst war der April insgesamt so kalt wie seit 44 Jahren nicht mehr. Die Monatsmitteltemperatur in NRW lag bei knapp 6,0 Grad Celsius. „Wir sehen dem Wetter derzeit aber entspannt entgegen“, sagt Landwirt Heinz-Wilhelm Tölkes. Die Landwirte warten darauf, dass sich der Boden erwärmt, damit es Kohlpflanzen und späte Kartoffeln beim Wachstumsstart einfacher haben.
Wenn der Boden zu kalt ist, wächst nichts. Fünf bis sechs Grad Bodentemperatur ist für die späte Kartoffel optimal. Dem Kohl geht es nicht anders. Bei den Landwirten stehen nun die verschiedenen Kohlpflanzen in den Hallen oder unter Folie auf Gestellen im Freien und warten auf ihren Pflanztermin. Die Jungpflanzen sind bei der Anlieferung rund zehn Zentimeter groß. Wichtig ist, dass die Wurzelballen feucht gehalten werden. Sie müssen regelmäßig gegossen werden.
Mit den ersten wärmeren Tagen geht es ans Pflanzen. Die Pflanzmaschine verfügt dabei über einen sogenannten Revolver. Dieser läuft waagerecht im Uhrzeigersinn und kann je nach Größe acht bis zwölf Pflanzen aufnehmen. Je nach Kohlsorte können 26.000 bis 30.000 Pflanzen auf einen Hektar Fläche gesetzt werden. Fünf Personen schaffen es, in vier Stunden eine Fläche dieser Größe zu bepflanzen.
Die Mitarbeiter sitzen auf der Pflanzmaschine und legen die Jungpflanzen Stück für Stück in den Revolver, der die Pflanzen dann ausbringt. „Der Boden eines Kohlfeldes wird vorab mit Branntkalk überstreut. Damit heben wir den pHWert an. Das ist wichtig, da die Kohlhernie, ein Pilz, im Boden lauert. Mit einem pH-Wert über sieben kann man sie bekämpfen“, erklärt Landwirtin Caroline Schleupen. Macht man das nicht, befällt die Kohlhernie die Wurzeln. Dort verursacht sie Wucherungen, die zur Zerstörung der Wurzel- und Leitgefäße führen. Die Nährstoff- und Wasserversorgung wird gestört, die Pflanze stirbt ab.
Kalk und Stickstoff dürfen nie zusammen ausgebracht werden, es muss eine Bodenbearbeitung dazwischen liegen. Kommen Stickstoff und Kalk im Boden direkt miteinander in Kontakt, kommt es zur Bildung von übelriechendem Ammoniak, Dadurch wird der Stickstoff gasförmig und verlässt ungenutzt den Boden. „Das heißt, wir würden in einem solchen Fall den Nährstoff verlieren, was wir natürlich nicht wollen“, sagt Tölkes.
Während die Kohlpflanzen noch
in der Warteschleife stehen, wie auch die späten Kartoffeln, sind die frühen Kartoffeln schon gelegt und die Zwiebeln eingesät.
Die Zuckerrüben, die zu den ersten Kulturen im Jahr gehören, liegen ebenfalls schon in der Erde.
Das Samenkorn, die sogenannte Pille, ist dabei mit einem Neonicotinoid-Wirkstoff ummantelt. Der schützt die Pflanze vor Schädlingen wie unter anderem Läusen und der damit verbundenen Übertragung von Viruskrankheiten. „Im Zuckerrüben-Anbau wurde diese Beize im vergangenen Jahr verboten, weil gesagt wurde, Insekten könnten sie bei der Blüte aufnehmen. Nur durch Sonderzulassungen, die mit vielen Bedingungen verknüpft sind, darf jetzt wieder damit gearbeitet werden“, sagt Tölkes.
Allerdings kommen Insekten mit der Blüte der Rübe nie in Kontakt: Die Rübe ist nämlich eine zweijährige Pflanze. Das heißt, sie blüht erst im zweiten Jahr. Nun ist es aber so, dass Rüben dieses zweite Jahr gar nicht erreichen, da sie bereits im ersten Jahr geerntet werden. Bienen und anderen Insekten können die Blüten der Rüben daher nicht anfliegen, bestäuben und auf diesem Weg möglicherweise mit einem Wirkstoff in Kontakt kommen, der ihnen schadet. Viel unökologischer sei es hingegen, auf Neonics zu verzichten und stattdessen die wachsende Pflanze mehrmals gegen Läuse zu spritzen, erklärt Tölkes. Dafür muss jedes Mal ein Schlepper über das Feld fahren, um andere Produkte breitflächig auszubringen, die dann möglicherweise wieder mit anderen Pflanzen in Berührung kommen könnten.
Auch mit dem Legen von Mais haben die Landwirte schon begonnen, Darüber hinaus ist das Wintergetreide gut angegangen – aktuell steht die zweite Düngung mit einer Stickstoffgabe an, die erste Wachstumsreglergabe folgt. Sie dient dazu, den Halm einzukürzen, damit die Pflanze standfester wird und sich auf die Körnerbildung fokussiert. „Roggen würde ansonsten zwei Meter hoch, der Weizen 1,20 Meter hoch werden“, sagt Schleupen.