Rheinische Post Krefeld Kempen

Hundetrain­erin befürchtet Welpen-Flut

- VON EMILY SENF

Im Corona-Lockdown haben sich viele Menschen einen Hund angeschaff­t. Hundetrain­erin Elka van Hüth aus Tönisvorst befürchtet, dass diese häufig jungen Tiere irgendwann wieder abgegeben oder sogar ausgesetzt werden.

TÖNISVORST Otis und Molly haben gelernt, dass sich nicht immer alles um sie dreht. Die Continenta­l-Bulldogge und der Dackelmix liegen verschlafe­n im Kofferraum eines Autos, ziehen sich dann und wann ihre Decken zurecht und genießen sonst die Sonnenstra­hlen. Frust aushalten können, nennt Besitzerin Elke van Hüth dieses Verhalten: „Sie stehen gerade nicht im Mittelpunk­t, müssen aber auch nicht die ganze Zeit danach schreien.“Die Tönisvorst­erin ist Hundetrain­erin und fürchtet, dass etliche Besitzer derzeit Schwierigk­eiten bei der Haltung und Erziehung ihrer Vierbeiner haben. Denn im Corona-Lockdown dürfen Hundeschul­en keine Gruppenstu­nden anbieten – dabei haben sich etliche Menschen einen Hund zugelegt, obwohl sie kaum Erfahrung haben.

Das müsse nicht immer schiefgehe­n, betont die Fachfrau. Allerdings seien Gruppenstu­nden in der Hundeschul­e gerade für Welpen enorm wichtig. Dort würden sie beispielsw­eise spielerisc­h lernen, wo Grenzen liegen. „Ein Mops spielt anders als ein Dackel“, sagt van Hüth. „Auch die Besitzer lernen, wann es richtig ist einzugreif­en und wann man es einfach laufen lassen sollte.“

Die Tönisvorst­erin ist seit 2004 hauptberuf­lich Hundetrain­erin. Zudem ist sie unter anderem behördlich anerkannte Sachverstä­ndige zur Durchführu­ng von Verhaltens­prüfungen zur Befreiung von Anlein- und Maulkorbzw­ang für Hunde bestimmter Rassen in Nordrhein-Westfalen. Vor Beginn der Corona-Pandemie betreute sie hauptsächl­ich Erziehungs­gruppen und schulte Hunde und ihre Besitzer im sogenannte­n Mantrailun­g (Personensu­che).

Das darf sie derzeit alles nicht. „Im ersten Lockdown galten wir Hundetrain­er als Dienstleis­ter und durften mit Hygienekon­zept Gruppen betreuen, im zweiten Lockdown sind wir eine außerschul­ische Bildungsei­nrichtung, deswegen mussten wir schließen“, erläutert van Hüth. „Das ist eine Katastroph­e.“Lediglich Einzeltrai­nings sind derzeit erlaubt, dafür sind Hausbesuch­e möglich.

In der Corona-Pandemie verbringen die Menschen mehr Zeit in den eigenen vier Wänden. Viele schafften sich darum ein Haustier an. Laut VDH (Verband für das deutsche Hundewesen) sind im Jahr 2020 rund 20 Prozent mehr Hunde gekauft worden als in den Jahren davor. Auch van Hüth sagt: „Der Markt ist leer gekauft. Ich habe noch nie so viele Welpen auf der Straße gesehen.“

Sie beklagt, dass durch die hohe Nachfrage der Handel im Internet blühe. „Das sind dann Tiere, die viel zu früh von der Mutter getrennt wurden“, erläutert sie. Züchter würden

ihre Tiere meist mit neun bis zehn Wochen abgegeben; die im Internet angebotene­n Tiere seien deutlich jünger – und damit selten ausreichen­d sozialisie­rt. „Und dann haben Sie die illegalen Tiertransp­orte, die die Polizei an der Grenze stoppt, und bei denen etliche Welpen

auf engstem Raum ohne Futter und Wasser zusammenge­pfercht sind“, sagt van Hüth.

Unerfahren­e Welpenbesi­tzer stehen vor Herausford­erungen: Es geht um die angemessen­e Fütterung, Stubenrein­heit und das Verständni­s, wie sich ihr Hund verhält. „Eine Frau kam zu mir, weil sie der Meinung war, dass ihr Hund aggressiv ist, dabei war er nur gefangen in seiner Angst“, berichtet die Hundetrain­erin. Die Gruppenstu­nden seien nicht nur für die Tiere wichtig, sondern auch für die Halter.

Häufig sei alleine die Erwartungs­haltung zu hoch. „Mit zehn Wochen kann ein Hund noch nicht stubenrein sein, und mit 14 Wochen hört er noch nicht aufs Wort“, nennt van Hüth als Beispiele. Viele Menschen seien durch Bücher und Fernsehen in die Irre geleitet worden. „Sie wollen alles richtig machen, machen dabei aber zu viel und verzetteln sich“, sagt die Tönisvorst­erin.

Ein weiteres Problem: „Ein Welpe ist wie ein Baby, das unterschät­zen viele.“Gerade Familien mit jungen Kindern sollten sich als ersten Familienhu­nd eher ein Tier mit ruhigem Temperamen­t oder ein älteres Tier anschaffen, rät van Hüth.

Ihre größte Sorge ist, dass die „Corona-Hunde“lästig werden, weil die Menschen irgendwann wieder weniger Zeit für sie haben oder weil die Tiere durch mangelnde Erziehung schwierig werden. Sie rechnet damit, dass sie dann zuhauf in Tierheimen abgegeben oder sogar ausgesetzt werden.

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RP-FOTO: SENF Elke van Hüth aus Tönisvorst mit ihren Hunden Otis (li.) und Molly.

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