Rheinische Post Krefeld Kempen
Hundetrainerin befürchtet Welpen-Flut
Im Corona-Lockdown haben sich viele Menschen einen Hund angeschafft. Hundetrainerin Elka van Hüth aus Tönisvorst befürchtet, dass diese häufig jungen Tiere irgendwann wieder abgegeben oder sogar ausgesetzt werden.
TÖNISVORST Otis und Molly haben gelernt, dass sich nicht immer alles um sie dreht. Die Continental-Bulldogge und der Dackelmix liegen verschlafen im Kofferraum eines Autos, ziehen sich dann und wann ihre Decken zurecht und genießen sonst die Sonnenstrahlen. Frust aushalten können, nennt Besitzerin Elke van Hüth dieses Verhalten: „Sie stehen gerade nicht im Mittelpunkt, müssen aber auch nicht die ganze Zeit danach schreien.“Die Tönisvorsterin ist Hundetrainerin und fürchtet, dass etliche Besitzer derzeit Schwierigkeiten bei der Haltung und Erziehung ihrer Vierbeiner haben. Denn im Corona-Lockdown dürfen Hundeschulen keine Gruppenstunden anbieten – dabei haben sich etliche Menschen einen Hund zugelegt, obwohl sie kaum Erfahrung haben.
Das müsse nicht immer schiefgehen, betont die Fachfrau. Allerdings seien Gruppenstunden in der Hundeschule gerade für Welpen enorm wichtig. Dort würden sie beispielsweise spielerisch lernen, wo Grenzen liegen. „Ein Mops spielt anders als ein Dackel“, sagt van Hüth. „Auch die Besitzer lernen, wann es richtig ist einzugreifen und wann man es einfach laufen lassen sollte.“
Die Tönisvorsterin ist seit 2004 hauptberuflich Hundetrainerin. Zudem ist sie unter anderem behördlich anerkannte Sachverständige zur Durchführung von Verhaltensprüfungen zur Befreiung von Anlein- und Maulkorbzwang für Hunde bestimmter Rassen in Nordrhein-Westfalen. Vor Beginn der Corona-Pandemie betreute sie hauptsächlich Erziehungsgruppen und schulte Hunde und ihre Besitzer im sogenannten Mantrailung (Personensuche).
Das darf sie derzeit alles nicht. „Im ersten Lockdown galten wir Hundetrainer als Dienstleister und durften mit Hygienekonzept Gruppen betreuen, im zweiten Lockdown sind wir eine außerschulische Bildungseinrichtung, deswegen mussten wir schließen“, erläutert van Hüth. „Das ist eine Katastrophe.“Lediglich Einzeltrainings sind derzeit erlaubt, dafür sind Hausbesuche möglich.
In der Corona-Pandemie verbringen die Menschen mehr Zeit in den eigenen vier Wänden. Viele schafften sich darum ein Haustier an. Laut VDH (Verband für das deutsche Hundewesen) sind im Jahr 2020 rund 20 Prozent mehr Hunde gekauft worden als in den Jahren davor. Auch van Hüth sagt: „Der Markt ist leer gekauft. Ich habe noch nie so viele Welpen auf der Straße gesehen.“
Sie beklagt, dass durch die hohe Nachfrage der Handel im Internet blühe. „Das sind dann Tiere, die viel zu früh von der Mutter getrennt wurden“, erläutert sie. Züchter würden
ihre Tiere meist mit neun bis zehn Wochen abgegeben; die im Internet angebotenen Tiere seien deutlich jünger – und damit selten ausreichend sozialisiert. „Und dann haben Sie die illegalen Tiertransporte, die die Polizei an der Grenze stoppt, und bei denen etliche Welpen
auf engstem Raum ohne Futter und Wasser zusammengepfercht sind“, sagt van Hüth.
Unerfahrene Welpenbesitzer stehen vor Herausforderungen: Es geht um die angemessene Fütterung, Stubenreinheit und das Verständnis, wie sich ihr Hund verhält. „Eine Frau kam zu mir, weil sie der Meinung war, dass ihr Hund aggressiv ist, dabei war er nur gefangen in seiner Angst“, berichtet die Hundetrainerin. Die Gruppenstunden seien nicht nur für die Tiere wichtig, sondern auch für die Halter.
Häufig sei alleine die Erwartungshaltung zu hoch. „Mit zehn Wochen kann ein Hund noch nicht stubenrein sein, und mit 14 Wochen hört er noch nicht aufs Wort“, nennt van Hüth als Beispiele. Viele Menschen seien durch Bücher und Fernsehen in die Irre geleitet worden. „Sie wollen alles richtig machen, machen dabei aber zu viel und verzetteln sich“, sagt die Tönisvorsterin.
Ein weiteres Problem: „Ein Welpe ist wie ein Baby, das unterschätzen viele.“Gerade Familien mit jungen Kindern sollten sich als ersten Familienhund eher ein Tier mit ruhigem Temperament oder ein älteres Tier anschaffen, rät van Hüth.
Ihre größte Sorge ist, dass die „Corona-Hunde“lästig werden, weil die Menschen irgendwann wieder weniger Zeit für sie haben oder weil die Tiere durch mangelnde Erziehung schwierig werden. Sie rechnet damit, dass sie dann zuhauf in Tierheimen abgegeben oder sogar ausgesetzt werden.