Rheinische Post Krefeld Kempen
Da, wo die Post Angst hat
Warum in einer Duisburger Straße seit Februar keine Briefe mehr zugestellt werden.
DUISBURG Mehrstöckige Familienhäuser aus rotem Klinker, blühende Bäume, eine Frau und ein Mädchen grillen am Balkon. Auf dem ersten Blick sieht es friedlich aus in der Straße in Duisburg-Rheinhausen, in der die Post aus Angst vor einer Corona-Infektion seit Monaten keine Briefe mehr zustellt. Es fallen lediglich viele Menschen auf, vor allem Männer, die in größeren Kreisen zu siebt oder acht stehen und sich unterhalten – ohne Abstand oder Masken. Reicht das schon als Grund dafür aus, dass seit Februar kein Postbote mehr kommt?
Nicht mal eine Stunde später ist es mit der Ruhe vorbei. Zwei Polizeiautos rollen an, die Gesprächskreise lösen sich auf. Die meisten Männer gehen zurück in die Häuser, vor allem Jugendliche und Kinder bleiben draußen und schauen neugierig zu. „Die Polizei macht hier ständig Stress“, sagt ein Anwohner. Nur fünf Minuten später biegt ein drittes Polizeiauto in die Straße für einen anderen Einsatz.
Dass die Post nicht mehr zugestellt wird, sondern in einer Filiale abgeholt werden muss (zuerst hatte die „WAZ“berichtet), erklärt eine Sprecherin der Post unserer Redaktion so: „Die Zusteller werden dort massiv bedrängt. Die Anwohner kommen ihnen sehr nahe.“Das sei in der Pandemie gefährlich. Nach gemeinsamen Ortsbesuchen mit Streetworkern und Dolmetschern habe sich die Situation nicht gebessert, schildert die Sprecherin. „Wir müssen als Arbeitgeber die Zusteller schützen.“Irgendwann sei die Grenze erreicht.
Eine Anwohnerin schildert die Lage anders. „Die Post nutzt Corona als Vorwand, um nicht hierher zu kommen“, sagt sie. Ihre Nachbarn, die mehrheitlich aus Osteuropa kommen, hätten die Postboten auch schon vor der Pandemie schikaniert. „Sie umzingeln die Zusteller, klauen Briefe, geben falsche Namen an“, sagt die Frau, die ihren
Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Eine Sprecherin der Post weist den Vorwurf zurück. „Wir stellen überall zu, auch woanders gibt es Viertel, die nicht so nett sind“, sagt sie. Eine andere Straße in NRW, welche die Zusteller aktuell nicht anfahren, kenne sie nicht.
Oft hat die Nachbarin schon die Polizei angerufen, weil es zu laut war oder zu dreckig. Auch an diesem Sonntag erstattet sie Anzeige. „Nichts Dramatisches“, sagen die Beamten vor Ort. Die mehrheitlich rumänischen Anwohner erzählen eine andere Geschichte als die Post und die Nachbarin. „Die machen immer Palaver“, sagt einer von ihnen. „Warum hat die Post Angst? Hier hat keiner Corona“, sagt ein anderer. Mehrere Menschen aus der Gegend sagen übereinstimmend, dass sie keine Angst hätten vor der Straße, die die Zusteller meiden. „Die Leute sind manchmal sehr laut“, sagt ein Familienvater. Gefährlich seien sie aber nicht.
Damit, dass seit Monaten keine Briefe mehr ankommen, haben sich die Bewohner der Rotklinker-Häuser abgefunden. „Kein Problem“, sagen sie, „wir gehen dann in die Postfiliale und holen unsere Sachen.“Auf Anfrage teilt die Deutsche Post mit, die Briefe würden in eine benachbarte Filiale geschickt. Sie ist anderthalb Kilometer entfernt.