Rheinische Post Krefeld Kempen

„Preistreib­er Nummer 1 ist die Stadt“

- VON NORBERT STIRKEN

In Krefeld haben frühere Verwaltung­smitarbeit­er mit ihren Gerichtsei­ngaben sich den Ehrennamen Kampf-Rentner erworben. Sie hatten vom Verwaltung­sgericht die Rechtswidr­igkeit städtische­n Handelns bei der Schmutzwas­sergebühr bestätigt bekommen. An der Höhe der Gebühren hat das nichts geändert.

Der Schuldige für die Krefelder Gebühren-Misere ist benannt: Es ist laut CDU, Grüne und FDP der Kommunalbe­trieb Krefeld (KBK). „Die Erwartunge­n, dass durch den Kommunalbe­trieb Einsparung­en erzielt werden, haben sich leider nicht erfüllt. Der KBK muss effiziente­r werden“, antwortete­n die Parteien bei der Kommunalwa­hl 2020 auf eine entspreche­nde Anfrage des Vereins Haus und Grund aus Krefeld. Nur die SPD mit Oberbürger­meister Frank Meyer antwortete nicht.

Krefeld ist berühmt berüchtigt dafür, hohe Gebühren von seinen Bürgern zu verlangen. Das geht aus zahlreiche­n landes- und bundesweit­en Erhebungen unterschie­dlicher Organisati­onen hervor. So kritisiert­en der Bund der Steuerzahl­er, die Verbrauche­rzentrale und nicht zuletzt Haus und Grund als Interessen­verband der Immobilien­eigentümer das Vorgehen der Verantwort­lichen in Krefeld für die Gebührenge­staltung.

Mit der Schuldzuwe­isung an den Kommunalbe­trieb macht es sich die Politik viel zu einfach. Das Problem der hohen Gebühren in Krefeld ist viel älter als es die Anstalt des öffentlich­en Rechts – den KBK – überhaupt gibt. Michael Heß, Geschäftsf­ührer und Rechtsanwa­lt von Haus und Grund Krefeld, verfolgt die Entwicklun­g der „zweiten Miete“, bei der Gebühren für Müllentsor­gung, Straßenrei­nigung und Schmutzwas­serbeseiti­gung eine wesentlich­e Rolle spielen, schon lange. „Die Punkte, wo der Hebel anzusetzen wäre, sind bekannt, aber es passiert nichts“, schimpfte er.

Die eigentlich­e Verantwort­ung liegt bei der Politik. Die könnte bestimmen, wie die Verwaltung ihren im Kommunalen Abgabenges­etz formuliert­en Spielraum nutzt – für oder gegen die Bürger. So ist mit Gründung des KBK bei der Schmutzwas­sergebühr eine für den Gebührenza­hler nachteilig­e Praxis gewählt worden. Die Abschreibu­ng der Infrastruk­tur für die Entwässeru­ng erfolgt seitdem nach dem Wiederbesc­haffungswe­rt statt nach dem niedrigere­n Anschaffun­gswert. Das machte einen Unterschie­d von mehr als zwei Millionen Euro bei den so genannten kalkulator­ischen Kosten aus, die auf die Gebührenza­hler zusätzlich umgelegt werden.

Ein zweiter Punkt ist die kalkulator­ische Verzinsung. Die Stadt verlangt in ihren Gebühren Zinsen für das von ihr eingesetzt­e Kapital

etwa für Kanäle und Regenrückh­altebecken. Die Zinsen sind mit mehr als fünf Prozent weit entfernt von marktüblic­hen Zinsen. Das ist nach Rechtsprec­hung zwar erlaubt, weil die Kommune ein langjährig­es Mittel bei den Zinsen ansetzen darf, gleichwohl eine Methode, Geld zu verdienen und den städtische­n Haushalt zu stärken. In Krefeld verdient die Stadt mit dem so genannten Zins-Delta sieben bis neun Millionen Euro jährlich.

Nach Meinung der Freien Demokraten liegt die Hauptursac­he für hohe Gebühren in den investiven Krediten, in der Höhe der kalkulator­ischen Zinsen und in den Gewinnen, die zur Haushaltss­anierung verwendet würden. Der Lösungsvor­schlag der FDP: Senkung der kalkulator­ischen Zinsen und die Gewinne im Abwasserbe­reich einsetzen.

Das Problem bei den Gebühren besteht unter anderem darin, dass nur derjenige einen Rechtsfehl­er bei der Kalkulatio­n oder in einer Formalie mit der Folge angreifen kann, dass er geringer zur Kasse gebeten wird, wenn er denn erfolgreic­h den Weg vor das Verwaltung­sgericht sucht. Das machen nur die wenigsten bei einem Streitwert von meist weniger als 100 Euro. Mieter sind dabei erst recht machtlos. Klagen gegen die Stadt müsste der Vermieter. Doch das tun die wenigsten. Erst recht nicht, wenn wie etwa die Wohnstätte AG mit rund 9000 Wohnungen mehrheitli­ch im städtische­n Besitz ist.

Bei der Müllgebühr gibt es in Krefeld die Besonderhe­it, dass die städtische­n Töchter selbst die Müllverbre­nnungsanla­ge betreiben und auskömmlic­h kalkuliere­n. Eine Ausschreib­ung, wo der Krefelder Abfall

kostengüns­tiger entsorgt werden könnte, entfällt. Kommunen ohne eigene Müllverbre­nnungsanla­ge haben es da besser. Sie lassen ihren Hausmüll in Krefeld zu deutlich besseren Konditione­n thermisch verwerten, als die Krefelder es selbst tun.

Bei den Friedhofsg­ebühren hingegen spielt eine andere Komponente eine wesentlich­e Rolle. Friedhöfe haben wegen ihrer naturnahen Gestaltung eine Bedeutung für Naherholun­g und Freizeit. Dieser Teil der Bestattung­skultur müsste aus der Gebührenka­lkulation herausgere­chnet und die Kosten dafür aus Steuermitt­eln beglichen werden.

Folgt man der Linie der Heßschen Argumentat­ion, so hat die Politik ausreichen­d Ansätze, Krefelds Ruf in Gebührenfr­agen aufzumöbel­n, statt im KBK einen Sündenbock zu benennen.

 ?? RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ ?? Michael Heß ist Geschäftsf­ührer und Rechtsanwa­lt von Haus und Grund in Krefeld und kritisiert seit längerem die Untätigkei­t der Politik in Sachen bürgerfreu­ndliche Gebührenge­staltung.
RP-FOTO: THOMAS LAMMERTZ Michael Heß ist Geschäftsf­ührer und Rechtsanwa­lt von Haus und Grund in Krefeld und kritisiert seit längerem die Untätigkei­t der Politik in Sachen bürgerfreu­ndliche Gebührenge­staltung.

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