Rheinische Post Krefeld Kempen
„Preistreiber Nummer 1 ist die Stadt“
In Krefeld haben frühere Verwaltungsmitarbeiter mit ihren Gerichtseingaben sich den Ehrennamen Kampf-Rentner erworben. Sie hatten vom Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit städtischen Handelns bei der Schmutzwassergebühr bestätigt bekommen. An der Höhe der Gebühren hat das nichts geändert.
Der Schuldige für die Krefelder Gebühren-Misere ist benannt: Es ist laut CDU, Grüne und FDP der Kommunalbetrieb Krefeld (KBK). „Die Erwartungen, dass durch den Kommunalbetrieb Einsparungen erzielt werden, haben sich leider nicht erfüllt. Der KBK muss effizienter werden“, antworteten die Parteien bei der Kommunalwahl 2020 auf eine entsprechende Anfrage des Vereins Haus und Grund aus Krefeld. Nur die SPD mit Oberbürgermeister Frank Meyer antwortete nicht.
Krefeld ist berühmt berüchtigt dafür, hohe Gebühren von seinen Bürgern zu verlangen. Das geht aus zahlreichen landes- und bundesweiten Erhebungen unterschiedlicher Organisationen hervor. So kritisierten der Bund der Steuerzahler, die Verbraucherzentrale und nicht zuletzt Haus und Grund als Interessenverband der Immobilieneigentümer das Vorgehen der Verantwortlichen in Krefeld für die Gebührengestaltung.
Mit der Schuldzuweisung an den Kommunalbetrieb macht es sich die Politik viel zu einfach. Das Problem der hohen Gebühren in Krefeld ist viel älter als es die Anstalt des öffentlichen Rechts – den KBK – überhaupt gibt. Michael Heß, Geschäftsführer und Rechtsanwalt von Haus und Grund Krefeld, verfolgt die Entwicklung der „zweiten Miete“, bei der Gebühren für Müllentsorgung, Straßenreinigung und Schmutzwasserbeseitigung eine wesentliche Rolle spielen, schon lange. „Die Punkte, wo der Hebel anzusetzen wäre, sind bekannt, aber es passiert nichts“, schimpfte er.
Die eigentliche Verantwortung liegt bei der Politik. Die könnte bestimmen, wie die Verwaltung ihren im Kommunalen Abgabengesetz formulierten Spielraum nutzt – für oder gegen die Bürger. So ist mit Gründung des KBK bei der Schmutzwassergebühr eine für den Gebührenzahler nachteilige Praxis gewählt worden. Die Abschreibung der Infrastruktur für die Entwässerung erfolgt seitdem nach dem Wiederbeschaffungswert statt nach dem niedrigeren Anschaffungswert. Das machte einen Unterschied von mehr als zwei Millionen Euro bei den so genannten kalkulatorischen Kosten aus, die auf die Gebührenzahler zusätzlich umgelegt werden.
Ein zweiter Punkt ist die kalkulatorische Verzinsung. Die Stadt verlangt in ihren Gebühren Zinsen für das von ihr eingesetzte Kapital
etwa für Kanäle und Regenrückhaltebecken. Die Zinsen sind mit mehr als fünf Prozent weit entfernt von marktüblichen Zinsen. Das ist nach Rechtsprechung zwar erlaubt, weil die Kommune ein langjähriges Mittel bei den Zinsen ansetzen darf, gleichwohl eine Methode, Geld zu verdienen und den städtischen Haushalt zu stärken. In Krefeld verdient die Stadt mit dem so genannten Zins-Delta sieben bis neun Millionen Euro jährlich.
Nach Meinung der Freien Demokraten liegt die Hauptursache für hohe Gebühren in den investiven Krediten, in der Höhe der kalkulatorischen Zinsen und in den Gewinnen, die zur Haushaltssanierung verwendet würden. Der Lösungsvorschlag der FDP: Senkung der kalkulatorischen Zinsen und die Gewinne im Abwasserbereich einsetzen.
Das Problem bei den Gebühren besteht unter anderem darin, dass nur derjenige einen Rechtsfehler bei der Kalkulation oder in einer Formalie mit der Folge angreifen kann, dass er geringer zur Kasse gebeten wird, wenn er denn erfolgreich den Weg vor das Verwaltungsgericht sucht. Das machen nur die wenigsten bei einem Streitwert von meist weniger als 100 Euro. Mieter sind dabei erst recht machtlos. Klagen gegen die Stadt müsste der Vermieter. Doch das tun die wenigsten. Erst recht nicht, wenn wie etwa die Wohnstätte AG mit rund 9000 Wohnungen mehrheitlich im städtischen Besitz ist.
Bei der Müllgebühr gibt es in Krefeld die Besonderheit, dass die städtischen Töchter selbst die Müllverbrennungsanlage betreiben und auskömmlich kalkulieren. Eine Ausschreibung, wo der Krefelder Abfall
kostengünstiger entsorgt werden könnte, entfällt. Kommunen ohne eigene Müllverbrennungsanlage haben es da besser. Sie lassen ihren Hausmüll in Krefeld zu deutlich besseren Konditionen thermisch verwerten, als die Krefelder es selbst tun.
Bei den Friedhofsgebühren hingegen spielt eine andere Komponente eine wesentliche Rolle. Friedhöfe haben wegen ihrer naturnahen Gestaltung eine Bedeutung für Naherholung und Freizeit. Dieser Teil der Bestattungskultur müsste aus der Gebührenkalkulation herausgerechnet und die Kosten dafür aus Steuermitteln beglichen werden.
Folgt man der Linie der Heßschen Argumentation, so hat die Politik ausreichend Ansätze, Krefelds Ruf in Gebührenfragen aufzumöbeln, statt im KBK einen Sündenbock zu benennen.