Rheinische Post Krefeld Kempen
Jetzt formiert sich das Reul-Lager
Von einer Verschiebung des CDU-Landesparteitags in den Herbst hält der einflussreiche Innenminister nichts. Seine Kollegin Scharrenbach bringt ihn als Parteichef ins Spiel.
DÜSSELDORF Die nordrhein-westfälische CDU steuert auf einen kurzen Machtkampf um die Nachfolge von Armin Laschet an der Spitze des mitgliederstärksten Landesverbands zu. Nachdem in den vergangenen Tagen die Diskussion deutlich an Fahrt gewonnen hatte, weil sich zunehmend ranghohe Mitglieder öffentlich an die Seite des 45-jährigen NRW-Verkehrsministers Hendrik Wüst gestellt hatten, positioniert sich nun das Lager um Innenminister Herbert Reul. Die ebenfalls gehandelte Chefin der Frauen-Union in NRW, Kommunal- und Bauministerin Ina Scharrenbach, sagte im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Ich bin der Auffassung, dass Herbert Reul in der aktuellen Situation dafür der geeignete Kandidat ist.“
Reul selbst äußerte sich im Gespräch mit unserer Redaktion zwar nicht offen dazu, ob er antreten wolle. Allerdings machte er klar, dass die Partei schnell eine Entscheidung herbeiführen müsse. In den vergangenen Tagen hatte es Berichte des Mediendienstes „The Pioneer“gegeben, wonach Laschet erwäge, den für Juni geplanten Landesparteitag in den Herbst zu verschieben, um Zeit zu gewinnen. Argumentativ wäre das bei der favorisierten Präsenzveranstaltung problemlos mit Verweis auf den Infektionsschutz möglich. Ein digitaler Parteitag gilt als deutlich aufwendiger und kostspieliger.
Von einer Vertagung der Entscheidung auf die Zeit nach der Bundestagswahl rät Reul aber klar ab: „Wir haben den Parteitag ein paar Mal verschoben und befinden uns leider in einer Personaldebatte“, sagte er unserer Redaktion. „Die halten wir nicht auf, indem wir den Parteitag noch einmal bis zum Herbst verschieben.“Er halte es für klüger, jetzt eine Entscheidung für die Partei zu treffen. „Dann hat Armin Laschet auch den Rücken frei für den Bundestagswahlkampf.“
Reul hat zahlreiche Fans in der NRW-CDU; der joviale Minister gilt als begnadeter Strippenzieher und hat sich mit einer Null-Toleranz-Politik gegenüber Clans und Kinderschändern ein Law-and-Order-Image zugelegt. Wüst genießt als Chef der Mittelstandsvereinigung Rückhalt im konservativen Wirtschaftsflügel; mit dem Chef des Sozialflügels CDA NRW, Dennis Radtke, ist er seit den gemeinsamen Tagen in der Jungen Union befreundet. Und auch die Jugendorganisation der CDU machte unmissverständlich klar, dass sie sich einen NRW-CDU-Chef Wüst wünscht.
Von einem langwierigen Machtkampf rät Reul ab: „Wenn wir die Bundestagswahl und die Landtagswahl gewinnen wollen, müssen wir an einem Strang ziehen. Wenn wir uns so wie in den vergangenen Monaten oder während der Flüchtlingskrise entzweien, goutiert das der Wähler nicht.“Und eingetrübt hatten sich die Umfragewerte für die CDU zuletzt nicht nur im Bund, sondern auch im Land.
Aus dem Innenminister spricht – wenn auch verklausuliert – die Enttäuschung über das Vorpreschen des Wüst-Lagers: „Die Debatte, die jetzt stattfindet, hätte nicht sein müssen, weil sie uns als Partei nicht weiterhilft. Auch für den Erfolg unseres Spitzenkandidaten Armin Laschet
ist es wichtig, dass der Laden geordnet ist.“
Doch wie schafft man in einer solchen Situation, in der die Partei derart verunsichert ist, die für einen Ordnungsprozess so bitter nötige Ruhe? „Wir brauchen jetzt schnell Klarheit“, sagt der Innenminister. „Armin Laschet kann dazu beitragen, indem er bald sagt, was er will. Aber man muss ihn auch lassen. Die Debatte über die Kanzlerkandidatenfrage war ja noch nicht abgeschlossen, da gingen die Debatten in NRW schon los.“
Dass Hendrik Wüst derart forsch zum jetzigen Zeitpunkt den Führungswechsel im Land vorantreibt, hat den Druck auf das Reul-Lager erheblich erhöht. „Meine Hoffnung war und ist, dass es eine Einigung über die Nachfolge gibt. Denn Kandidatur und Gegenkandidatur und ein damit verbundener Streit wären nicht sehr intelligent. Ich bin ja Optimist, ich hoffe, dass sich das ordentlich fügt.“Und Reul fügt noch ein paar Weisheiten hinzu: „Ich habe in meinem politischen Leben gelernt, dass es besser ist, kleinere Dinge zu versprechen und die dann einzuhalten. Das schätzen die Leute sehr. Und so gewinnt man Vertrauen zurück. Die Leute wollen, dass wir uns kümmern und unsere Arbeit machen.“
Auch wenn ein Reul-Sprecher darauf hinweist, dass es sich um allgemeine Aussagen und mitnichten um einen Verweis auf Wüst handele, wird sich der Verkehrsminister davon trotzdem angesprochen fühlen, hatte er doch jüngst im Interview mit unserer Redaktion eine ganze Reihe von Vorschlägen – etwa zur verbindlichen Frauenquote in Konzernen, Stärkung der Tarifautonomie, Gentechnik und Generationengerechtigkeit – gemacht.
Für eine Austragung des Machtkampfs bietet sich bereits kommende Woche eine Bühne: Am Montag tagt digital der Landesvorstand der Partei. Auf der Tagesordnung steht dann unzweifelhaft die Frage nach der personellen Zukunft der CDU in Nordrhein-Westfalen.