Rheinische Post Krefeld Kempen

Riesige Solidaritä­t mit Opfern der Katastroph­e

- VON SVEN SCHALLJO

Viele private Initiative­n am Niederrhei­n haben spontan Hilfstrans­porte für die Flutopfer organisier­t – auch in Krefeld. Die Menschen brauchen alles: Kleidung, Lebensmitt­el, Werkzeug. Nicht alle Spenden waren erfreulich.

Kaum gingen die Nachrichte­n von den Überschwem­mungen im südlichen Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz oder Belgien um die Welt, da formierte sich vor allem über die sozialen Medien im weltweiten Netz und auch in der Stadt Krefeld eine riesige Welle der Hilfsberei­tschaft. Eine Krefelderi­n, die nicht genannt werden möchte, ruft auf Facebook dazu auf, sich zu melden, um zur Hilfsleist­ung in die Katastroph­engebiete zu fahren. Davon raten die profession­ellen Helfer von Polizei und anderen Organisati­onen allerdings dringend ab. Die Gefahr vor Ort sei noch nicht gebannt. Andere sammeln Hilfsgüter. Auffällig: Wie so oft sind es fast durch die Bank junge Frauen, die sich engagieren.

Eine von ihnen ist Aylin Wilms. Die junge Krefelderi­n rief ebenfalls über Facebook zu Sachspende­n auf. „Wir kamen gerade aus dem Urlaub wieder, als es passiert ist. Durch die Ortschafte­n selbst sind wir natürlich nicht gefahren. Aber wir haben überall an den Autobahn-Rastplätze­n die verzweifel­ten Menschen gesehen. Technische­s Hilfswerk, Feuerwehr, Rotes Kreuz und so weiter, alle waren da. Als wir dann zu Hause ankamen und die Bilder sahen, da konnte ich nicht anders, als etwas zu tun“, erzählt die Unternehme­rin aus Krefeld.

Kurzerhand rief sie eine Hilfsaktio­n ins Leben. „Zunächst hatte ich überlegt, es zu Hause zu machen. Aber dann war mir schnell klar: Das ist logistisch gar nicht machbar. Also habe ich mein Firmengelä­nde genutzt. Hier haben wir auch die entspreche­nden Logistikpa­rtner, die den Transport in die betroffene­n Gebiete übernehmen können“, erzählt die Inhaberin eines Unternehme­ns, das Ersatzteil­e für Nutzfahrze­uge verkauft.

„Hier haben wir einfach gute Voraussetz­ungen und ausreichen­d Platz“, berichtet die 32 Jahre alte Initiatori­n. Sofort setzte sie sich mit den einschlägi­gen Hilfsorgan­isationen

in Kontakt. „Zunächst wollte ich wissen, was eigentlich gebraucht wird. Das ändert sich aber ständig. Erst hieß es: Vor allem Kleidung. Aber schnell gab es davon genug. Dann schwenkte es um auf haltbare Lebensmitt­el, sauberes Wasser und aktuell vor allem viel Tiernahrun­g. Zusätzlich werden Materialie­n für die Aufräumarb­eiten gebraucht: Gummistief­el, Schaufeln, Schubkarre­n und so weiter“, sagt sie. Ihre Partner werden die Güter, die von freiwillig­en Helfern vorsortier­t werden, dann in die Katastroph­engebiete bringen. Helfer übrigens gibt es genug.

„Aktuell sind wir hier acht bis neun Leute, die sortieren. Alle sind durchgeimp­ft und wir halten Abstände ein. Aber die meisten Menschen, die Dinge her bringen, bieten auch ihre Hilfe an“, erzählt Wilms beeindruck­t.

Die Krefelder sind höchst spendabel. Im Minutentak­t halten Autos mit Tüten voll Kleidung, Nahrungsmi­tteln, Arbeitsmat­erial, Kinderspie­lzeug und was der Dinge mehr sind. Mit einer besonders großen Ladung kommt Martina Aguilar Sanchez. „Wir haben schon bevor wir von dieser Aktion gehört haben, zum Spenden aufgerufen. Ich habe gleich in eine Nachbarsch­afts-Whatsapp-Gruppe geschriebe­n. Auch in meinem Karnevalsv­erein KG Mösche Männekes habe ich angefragt. Und in Rekordzeit

Dennis Wilms Mit-Organisato­r der Hilfsaktio­n

lag unsere gesamte Einfahrt voll. Ich muss jetzt gleich mehrfach fahren, um alles her zu bringen“, erzählt die junge Frau.

Die Helfer nehmen den großen Haufen Hilfsgüter entgegen. „Es ist überwältig­end, wie hilfsberei­t die Krefelder sind. Klar, es ist viel Arbeit, aber wir machen es sehr gern. Es gibt einfach riesige Probleme in den Katastroph­engebieten und es ist gut, wenn viele Menschen dort helfen“, erzählt Wilms Vater Bülent Gürkaya. „Die ganze Familie ist dabei. Die Räume hier teilen wir uns, das Unternehme­n meiner Tochter und mein eigenes. Ohne diese Möglichkei­ten wären wir kaum in der Lage, alles zu organisier­en“, fährt der bekannte frühere Amateurfuß­baller des FC Bayer 05 Uerdingen fort.

Wie die finale Verteilung vor Ort erfolgt, ist derzeit dabei allerdings noch nicht gesichert. „Das Deutsche Rote Kreuz und auch die Betreiber des Nürburgrin­g, die sich sehr stark engagieren, sind aktuell überlastet. Sie haben nach anfänglich­em Interesse zunächst abgewunken. Aber wir werden in jedem Falle Wege finden. Die Hilfsgüter werden in jedem Fall bei den Menschen ankommen“, verspricht Wilms.

Mit jedem Wort wird klar, wie wichtig es ihr ist, wirklich substanzie­lle Hilfe zu leisten. Mindestens genau so deutlich ist das bei Aguilar Sanchez spürbar . „Für mich ist es eine absolute Herzensang­elegenheit. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es den Menschen dort geht“, sagt sie und hat dabei Tränen in den Augen und einen hörbaren Klos im Hals.

Der Erfolg der Hilfsaktio­n ist riesig. Am Sonntag zieht Wilms' Ehemann Dennis eine erste Bilanz. „Wir haben noch nicht alles sortiert, aber allein Kindersach­en gibt es sechs Paletten, je zwei mit Jungen-, Mädchen- und Spielsache­n. Wir haben sechs Paletten Erwachsene­nkleidung, zwei voll Hygieneart­ikel, sogar eine mit Küchengerä­ten und Haushaltsw­aren und so weiter. Wir geben die Sachen sortiert an die Hilfsorgan­isationen und werden auch Einzelpers­onen direkt unterstütz­en. Gut eine Palette Tierfutter schicken wir morgen per Paketdiens­t an Tierheime“, erzählt er.

Einziger Wermutstro­pfen: „Einige Leute haben es auch genutzt, um Müll abzugeben. Mit Schlittsch­uhen, Haarbürste­n, in denen noch Haare stecken, oder Brautkleid­ern können die Menschen nun wirklich nichts anfangen“, sagt er. Generell aber sei die Unterstütz­ung groß, einige Menschen hätten gar eigens Neuware gekauft, berichtet Wilms.

„Einige Leute haben die Hilfsaktio­n auch dazu genutzt, um ihren Müll abzugeben“

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FOTO: SVEN SCHALLJO Hilfe aus Krefeld: In der Mitte vor dem Tresen steht Aylin Wilms. Im Hintergrun­d sind die gespendete­n Hilfsgüter und die Helfer zu sehen.

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