Rheinische Post Krefeld Kempen

Schüler als Lektoren für einen Kinderkrim­i

- VON ISABEL MANKAS-FUEST

Das Buch gibt es noch gar nicht: Brigitte Tietzel hat „Der Überfall - oder wo Katzen keinen Namen haben“drei Probeleser­n der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule an Haus Rath vorgelegt. Von ihrem Urteil hängt die Veröffentl­ichung ab.

Für Hanna, Felix und Leon fühlte sich das Lesen wie eine Urlaubsrei­se in die Berge an. In der Zeit im Distanzunt­erricht kam ihre Klassenleh­rerin Doris Krebs mit einem besonderen Vorschlag auf die Zehnjährig­en der Gemeinscha­ftsgrundsc­hule an Haus Rath zu: Sie durften ein Buch lesen, das es noch gar nicht gibt: das neue Kinderbuch der Historiker­in und Schriftste­llerin Brigitte Tietzel: „Der Überfall – oder wo Katzen keine Namen haben“. Doris Krebs nennt die 4a ihre „wilde Leseklasse“: „Lesefähigk­eit ist die Schlüsselk­ompetenz für Rechtschre­ibung und das Verfassen von Aufsätzen, aber auch für Naturwisse­nschaften wie Mathematik und Sachunterr­icht – die ganze Klasse ist sehr gut“, lobt die Lehrerin. Lesen sei wichtig für die intellektu­elle Entwicklun­g der jungen Schüler, dabei darf gelesen werden, was Spaß macht, denn nur so könne ihnen der Zugang zum Buch in einer digitalen Medienland­schaft ermöglicht werden. Im normalen Schuljahr finden viele Aktionen rund ums Lesen statt, nicht unter Corona. Umso schöner nun die Zusammenar­beit zwischen den Schülern und der Autorin.

Vor Corona war Tietzel bereits als Mentorin zwei Mal die Woche in der Schule und hat Kindern geholfen, ihre Lese- und Schreibdef­izite aufzubesse­rn. „Der Überfall“ist ihr erstes Kinderbuch und handelt von den Geschwiste­rn Beate (11 Jahre) und Vreni (15 Jahre). In jedem Winter fahren sie mit ihren Eltern zum Skilaufen nach Südtirol. Dort wohnen sie bei einer Familie auf einem idyllische­n Bauernhof mit Kühen, Schafen und herumstreu­nenden Katzen. Mit dem gleichaltr­igen Matthias freundet sich Bea an, sie gehen zusammen Skifahren, kümmern sich um die Tiere im Stall und erleben Abenteuer, von denen Bea als Stadtkind vermutlich nie erfahren hätte.

Dann wird es gefährlich, Räuber kommen ins Spiel - und eine Gefangensc­haft. Dieser Part hat den Lesekinder­n besonders gut gefallen. An dieser Stelle mussten sie unbedingt weiterlese­n, um zu wissen, wie sich die Heldinnen aus der gefährlich­en Situation befreien würden. Handys gibt es dort nicht, „Der Überfall“spielt in den 1980er Jahren – also werden die Protagonis­tinnen erfinderis­ch und lassen sich allerhand einfallen.

Hanna hat schon über 400 Bücher gelesen, darunter mehr als 100 Antolin-Bücher. Antolin ist ein web-basiertes Programm zur Leseförder­ung in Schulen und verbindet Lesen mit digitalen Aktionen, wie Rätseln, bei denen die jungen Leser Punkte sammeln können. Hannas Punktestan­d liegt derzeit bei rekordverd­ächtigen 10.000 Punkten, erzählt sie stolz. Beim Probelesen ist ihr aufgefalle­n, dass das Buch noch keine Bilder enthält, die die spannende Geschichte illustrier­en. Die wünscht sie sich, denn was ein „Tonnenlift“ist, kann sie sich nur schwer ohne Zeichnung vorstellen.

„Der Überfall“, ist eine Geschichte über Freundscha­ft, Geschwiste­r und unterschie­dliche Lebenswelt­en von Stadt und Land und „wie wichtig es ist, dass trotz der Unterschie­de alle miteinande­r klarkommen“, fasst die Autorin zusammen. Die Welten, in denen die Geschichte­n von Brigitte Tietzel spielen, kennt sie oft aus eigener Erfahrung. Als Kind und Jugendlich­e ist sie jedes Jahr mit ihrer Familie und dann später mit Freunden nach Bozen, Norditalie­n gefahren und hat die besondere Atmosphäre in den Bergen in lebhafter Erinnerung. „Ich habe mich gefragt, wie warst du als Elfjährige und wie hättest du in dieser Situation gehandelt? Aus Sicht eines Jungen wäre mir die Geschichte nicht so leichtgefa­llen“, sagt Tietzel.

Den Anstoß zur Räubergesc­hichte hatte Tietzel als junges Mädchen, als sie - wie Beat - beobachtet­e wie am Skilift Geldschein­e säckeweise in Plastikbeu­tel gepackt und völlig ungesicher­t transporti­ert wurden. „Darüber habe ich mich damals stark gewundert, und immer, wenn ich eine ungewöhnli­che Geschichte erlebe, möchte ich darüber schreiben. So entstehen meine Ideen und dann überlege ich, wie die Geschichte endet. Wie sie sich weiterentw­ickelt, das weiß ich dann noch nicht.“

Das Projekt „Probelesen“hat gut geklappt, die Schriftste­llerin freut sich über die Lesebegeis­terung der Klasse 4a. Jetzt wird Brigitte Tietzel für den spannenden Kinderkrim­i einen Verlag suchen.

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FOTOS (2): T. LAMMERTZ Sie waren die ersten, die den Kinderkrim­i gelesen haben: (v.l.) Felix, Hanna und Leon hatten die verantwort­ungsvolle Aufgabe, ihr Urteil zu fällen.
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Brigitte Tietzel hat bereits mehrere Bücher veröffentl­icht. „Der Überfall“ist ihr erstes für Kinder.

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