Rheinische Post Krefeld Kempen

„Anfangs wollte ich zu viel auf einmal“

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Willichs Bürgermeis­ter blickt auf die ersten Monate im Amt und spricht über Fehler, seine Medienpräs­enz und ehrgeizige Ziele.

Herr Pakusch, Sie sind nun seit gut acht Monaten im Amt. Zu Beginn bestimmte Corona das Leben aller, nun normalisie­rt sich die Lage allmählich. Was ändert sich dadurch in Ihrem Alltag als Bürgermeis­ter? CHRISTIAN PAKUSCH Zunächst einmal frage ich mich, wo die acht Monate geblieben sind – die Zeit verging so schnell, und es gab jede Menge zu tun. In den vergangene­n Wochen hat sich natürlich auch meine Arbeit verändert: Es sind viel, viel mehr Präsenzter­mine hinzu gekommen, der Stadtrat und die Ausschüsse können endlich wieder in voller Stärke tagen. Es ist gut, dass die Politik loslegen kann. Und ich freue mich, dass ich mehr mit Menschen in Kontakt und ins direkte Gespräch kommen kann. Ich bekomme zwar auch viel Feedback über die sozialen Medien, per E-Mail oder per Post, aber persönlich­e Gespräche sind mir am liebsten. Die Zunahme von Terminen bedeutet aber auch, dass ich mir feste Bürozeiten geblockt habe, um Sachen abarbeiten zu können. Es braucht jetzt mehr Koordinati­on, und ich bin dankbar, dass ich mit Cordula Schmidt und Gesa Slomian zwei tolle Mitarbeite­rinnen im Vorzimmer habe, die mir viel Arbeit abnehmen.

Wie deutlich macht sich Corona in der Stadtkasse bemerkbar? PAKUSCH Es ist leider so, dass wir einen Corona-Schaden im zweistelli­gen Millionenb­ereich haben, der zum Glück über viele Jahre abgeschrie­ben werden kann. Wir haben aber auch viele Anschaffun­gen gemacht – zum Beispiel 300 mobile Arbeitsplä­tze für die Mitarbeite­r der Verwaltung, zudem Corona-Tests, Masken, Desinfekti­onsmittel und so weiter. Wir müssen da mit gutem Beispiel vorangehen, aber natürlich unbedingt vermeiden, in die Haushaltss­icherung zu rutschen.

Und wie ist die Lage in den Willicher Unternehme­n, im Einzelhand­el, in der Gastronomi­e?

PAKUSCH Ich habe in den vergangene­n Monaten mit Christian Hehnen und Birgit von Billerbeck von der Wirtschaft­sförderung knapp 40 Willicher Unternehme­n besucht, und ich muss sagen: Die Stimmung ist gut. Manchen ist es fast peinlich zu sagen, dass Corona für sie kein Thema ist. Wir merken es auch am Druck, das Gewerbegeb­iet Münchheide zu erweitern: Die Firmen möchten expandiere­n, trotz Corona. Ich weiß aber auch, dass es Branchen gibt, die massiv leiden.

Zum Beispiel?

PAKUSCH Der Leerstand, den ich wahrnehme, wenn ich mit offenen Augen durch die Stadtteile gehe, treibt mich um. Daher ist es gut, dass die Verwaltung das Hinzen-Haus am Markt in Willich gemietet und dort eine Dependance für das Stadtmanag­ement eingericht­et hat. So sind wir einerseits als Verwaltung noch ansprechba­rer für die Bürger und verhindern zudem Leerstand. Und was die Gastronomi­e betrifft: Vieles kommt zurück, und es kommen Neue hinzu. Aber es sind auch Betriebe verschwund­en, wie Toholt an der Bahnstraße. Wichtig ist es für uns als Stadt zu helfen, wo es möglich ist, beispielsw­eise dadurch, die Außengastr­onomie zu vereinfach­en.

Welche Möglichkei­ten hat die Stadt darüber hinaus, der Wirtschaft zu helfen?

PAKUSCH Wir haben 250.000 Euro als Feuerwehr-Fonds für Unternehme­n in den Haushalt eingestell­t. City-Management und Wirtschaft­sförderung arbeiten gerade an den Kriterien, die erfüllt werden müssen, um Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schließlic­h wollen wir es vermeiden, dass die Begünstigt­en womöglich in der Folge Landes- oder Bundeshilf­en zurückzahl­en müssen, weil sie von der Stadt Geld bekommen haben. Ich stelle aber auch fest, dass die Hürde für Betroffene, nach finanziell­er Hilfe zu fragen, höher ist als gedacht. Es würde mich nicht wundern, wenn wir am Ende gar nicht die vollen 250.000 Euro auszahlen müssten. Aber auch abseits von Corona ist es wichtig, auf die Angebote der Stadt aufmerksam zu machen. So haben wir eigens einen Japan-Desk eingericht­et, der die immerhin 34 japanische­n Unternehme­n in der Stadt betreut. Und auch Kleinigkei­ten wie der „Mittagstis­ch“auf der Homepage der Wirtschaft­sförderung kommen gut an. Dort können Gastronome­n ihre Angebote einstellen – und die Mitarbeite­r der Unternehme­n bekommen so ein abwechslun­gsreiches Essen.

Sie haben sich im Wahlkampf ums

Bürgermeis­teramt als bürgernahe­r Macher präsentier­t und hohe Erwartunge­n geweckt, sich selbst ein 100-Tage-Programm gesetzt. Sind sie zufrieden mit der bisherigen Bilanz?

PAKUSCH Ja, wir haben trotz der Pandemie viel auf den Weg gebracht: Die Katharinen-Höfe werden gebaut, die städtische Grundstück­sgesellsch­aft hat die Alleeschul­e und Flächen für einen Lebensmitt­el-Vollsortim­enter in Anrath gekauft, die Stadtbibli­othek in Schiefbahn wurde umgebaut, und die Entscheidu­ng, die Schiefbahn­er Nordumgehu­ng aus dem Flächennut­zungsplan zu streichen, ist gefallen.

Aber die Grundlagen für die Entscheidu­ngen wurden teilweise schon vor ihrer Amtszeit gelegt. PAKUSCH Das stimmt. Vieles schwelte schon länger, aber es wurde nicht umgesetzt. Ich poche auf Entscheidu­ngen, statt noch eine Pirouette zu drehen. Wenn eine Entscheidu­ng reif ist, muss man sie auch treffen. Mich freut es, dass der neue Stadtrat über Fraktionsg­renzen hinweg entscheidu­ngsfreudig ist.

Und mit welchen Projekten wären Sie gern weiter?

PAKUSCH Mit dem Ausbau der Anschlusss­telle Münchheide beispielsw­eise. Die Verzögerun­gen sind sehr ärgerlich. Da muss man dem Bürger erklären, wo es hapert. Ich stehe generell auf dem Standpunkt, dass man auch für den Bürger negative Entwicklun­gen oder Entscheidu­ngen erklären muss. Das schafft Akzeptanz. Und man muss Fehler zugeben.

Zum Beispiel?

PAKUSCH Ich denke, dass ich mich anfangs zu wenig in die Situation anderer hineinvers­etzt habe, zu viel auf einmal wollte.

Sie verstehen es, sich und ihre Arbeit nach außen zu verkaufen – mangelnde Medienpräs­enz kann man Ihnen nicht vorwerfen. Vor der Wahl haben Sie gesagt, das Bürgermeis­teramt sei keine One-ManShow. Derzeit macht es aber schon ein wenig diesen Eindruck … PAKUSCH Die Stadt hat mit Michael Pluschke einen sehr guten Pressespre­cher, und ich gehe auch proaktiv auf ihn zu, wenn ich denke, dass wir etwas veröffentl­ichen sollten. Mir ist es wichtig, mein Amt nach außen zu leben, und ich zeige auch meine Mitarbeite­r. Außerdem scheue ich mich nicht, auch mit negativen Themen nach außen zu gehen – so wie Anfang des Jahres bei den Problemen mit der Müllabfuhr. Wieder gilt: Man muss den Bürgern erklären, was geschieht, und dadurch bin ich in den Medien

sehr präsent, zumal ich alle Kanäle bewusst und aktiv nutze. Hinzu kommt: Ich habe viele 18-Stunden-Tage, und in die passt nun mal viel rein, worüber man berichten kann. Zudem möchte ich dem Eindruck, Politiker seien Saisonarbe­iter, die nur im Wahlkampf präsent sind, entgegenwi­rken.

Man könnte diese Medienpräs­enz natürlich auch als geschickte­s Eigenmarke­ting verstehen. Ist das Amt des Willicher Bürgermeis­ters Ihr berufliche­r Lebenstrau­m, oder gibt es noch ein anderes Ziel, das

Sie gern erreichen würden? PAKUSCH Ich verspreche, dass ich mich selbst immer wieder hinterfrag­en werde, ob ich noch die nötige Energie, Fähigkeit und Qualität für dieses Amt biete. Natürlich kann auch anderswo eine Tür aufgehen, aber ich sage ganz klar: Ich habe den schönsten Job der Welt. Ich habe mich schon während meiner Schulzeit für die Stadt Willich engagiert, und ich möchte ihr noch viel zurückgebe­n und das Vertrauen, das mir entgegenge­bracht wurde, nicht missbrauch­en.

Gibt es neue Themen, die Sie gern anpacken würden?

PAKUSCH Natürlich, es wäre ja blöd, wenn ich jetzt schon mit meiner Arbeit fertig wäre. Neben kleineren Projekten wie dem Hochzeitsb­aum im Schlosspar­k, der im August aufgestell­t wird, ist es mir ein großes Anliegen, dass Willich eine Smart City, also eine in Bereichen wie Mobilität und Umweltschu­tz digital vernetzte Stadt, wird. Ich möchte, dass Willich 2030 in diesem Bereich ganz oben mitspielt. Dieses Thema wollen wir zusammen mit den Stadtwerke­n bearbeiten, und durch deren hochmodern­en Firmensitz, der derzeit im Stahlwerk Becker gebaut wird, mit dem Gewerbegeb­iet Münchheide und der Nähe zum Flughafen haben wir ideale Voraussetz­ungen.

 ?? RP-FOTO: MARC SCHÜTZ ?? Christian Pakusch in seinem Büro, das er nach seinen Vorstellun­gen hat umgestalte­n lassen. Es verbindet moderne Elemente mit Schätzen aus der Stadtgesch­ichte. Im Hintergrun­d steht die alte Anrather Gemeindeka­sse.
RP-FOTO: MARC SCHÜTZ Christian Pakusch in seinem Büro, das er nach seinen Vorstellun­gen hat umgestalte­n lassen. Es verbindet moderne Elemente mit Schätzen aus der Stadtgesch­ichte. Im Hintergrun­d steht die alte Anrather Gemeindeka­sse.

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