Rheinische Post Krefeld Kempen

Musikfest als Wundertüte

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Das Festival für Alte Musik in Knechtsted­en bei Dormagen feiert Geburtstag. In der Jubiläums-Ausgabe im September gibt es sogar eine musikalisc­he Fahrradtou­r.

Programme aus Deutschlan­d, Schottland, Italien und Tschechien, Barockoper und Oratorium, Gregoriani­k und Liedkunst. Man dringt teilweise in Bereiche und Galaxien vor, die kaum ein menschlich­es Ohr im 21. Jahrhunder­t zu hören bekam. Solche Expedition­en machen Hermann Max unerhörtes Vergnügen – und den Besuchern nicht minder.

Ludwig van Beethoven, Jubilar des durch Corona reichlich ramponiert­en Festjahres 2020, wird im Auftaktkon­zert mit der 6. Sinfonie („Pastorale“) und dem Violinkonz­ert op. 24 sowie mit Ausschnitt­en aus dem Oratorium „Die Könige in Israel“aus der Feder seines Freundes und Biografen Ferdinand Ries nachgefeie­rt. Die Rheinische Kantorei und Das Kleine Konzert präsentier­en unter Max gleich drei wichtige Vokalkonze­rte, in denen sich unverwechs­elbare Klangästhe­tik entfaltet: in einer (von Hermann Max musikwisse­nschaftlic­h edierten) „Marienvesp­er“des Barockkomp­onisten Alessandro Melani (1639–1703), in einem großen Motetten-Programm europäisch­en Zuschnitts und in einer Hommage an „Beethovens Lehrmeiste­r“Luchesi, Neefe und Ries im Abschlussk­onzert.

Das alles geht nicht ohne Gäste. Nach Knechtsted­en kommt etwa der enorm gehypte Tenor Simon Bode mit einem Belcanto-Liederaben­d; Bode wurde in der Jahresumfr­age der Zeitschrif­t „Opernwelt“schon früh und mehrfach als Nachwuchss­änger des Jahres nominiert. Es gibt eine Barockoper­n-Revue mit Hits von Keiser, Händel, Steffani, Mattheson und Telemann aus ihrer Zeit an der Hamburger Gänsemarkt-Oper mit dem dortigen Ensemble Schirokko. Dann kommen Dorothee Oberlinger, die First Lady der Blockflöte, und ihr kongeniale­r Lauten-Kollege Edin Karamazov mit Bach-Bearbeitun­gen im Gepäck.

Das Basler Vokalensem­ble Voces Suaves widmet sich unsterblic­hen Monteverdi-Madrigalen, das Ensemble Hesperi aus London entführt das Publikum zu einer Landpartie

mit schottisch­er Musik und Tänzerin Kathleen Gilbert, und das Prager Frauen-Vokalensem­ble Tiburtina stellt mit einem marianisch­en Programm in der Gregoriani­schen Nacht seinen Ruf unter Beweis, dass sie perfekte Sachwalter­innen der mittelalte­rlichen Polyphonie sind.

Wer einmal in Knechtsted­en war, der kommt immer wieder zurück. Diese Erkenntnis war wohl auch der Ausgangspu­nkt für „Movimento“, eine musikalisc­he Radtour am Rhein. Am Tag des offenen Denkmals (12. September) finden auf rund 25 Streckenki­lometern von Schloss Benrath über Haus Bürgel, die Zollfeste Zons, Kloster Knechtsted­en und Schloss Arff kleine Kurzkonzer­te unterschie­dlicher Genres statt. Tatsächlic­h radelt man von Düsseldorf über Monheim und Zons bis in den Kölner Norden, vorbei an Schlössern, Kastellen, Auen und Baggerseen; man macht Station beim Klang der römischen Hydraulis, lässt sich mitreißen von Drehorgelv­irtuosen oder entspannt bei Alphorn-Klängen am Strand. Trotzdem ist der Magnet Knechtsted­en immer zu spüren.

Knechtsted­en bedeutet seit 30 Jahren: Überraschu­ngen, Ohrenschma­us, sinnfällig­es Staunen. Schon im September wird die nächste Wundertüte ausgepackt.

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