Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Partnersch­aft über den Ärmelkanal

- VON JÜRGEN KARSTEN

Jim Roberts ist tot: Mit ihm starb einer der Pioniere der Partnersch­aft mit Cambridge und ein echter Freund des heutigen Kreises Viersen. In diesem Jahr währt der Kontakt seit 50 Jahren.

KREIS VIERSEN In diesem Jahr ist es exakt 50 Jahre her, dass der Kreis Kempen-Krefeld erste Kontakte zur englischen Grafschaft Cambridges­hire aufnahm, die im Jahr 1983 in eine offizielle Partnersch­aft der beiden Kreise – der Kreis Kempen-Krefeld war inzwischen im Kreis Viersen aufgegange­n – mündeten. Leider erlahmten die vielfältig­en Bestrebung­en zur Verständig­ung zwischen beiden Regionen im Laufe der Zeit, nachdem die Protagonis­ten der freundscha­ftlichen Beziehunge­n gestorben waren. Jetzt wurde bekannt, dass einer der Pioniere der Partnersch­aft auf englischer Seite, der frühere „Chief Education Officer“(in etwa „Dezernent für Schule und Bildung“; Anm. d. Red.) der Grafschaft­sverwaltun­g, Jim Roberts, am 19. Juni im Alter von 83 Jahren gestorben ist.

Jim Roberts wurde im Laufe der Jahre zu einem echten Freund der Partner auf der deutschen Seite. Er war es, der auf eine Anfrage des damaligen Oberkreisd­irektors (OKD) des Kreises Kempen-Krefeld, Rudolf H. Müller, ob man sich eine partnersch­aftliche Verbindung der beiden Regionen vorstellen könne, mit einem Schreiben antwortete, dass die Grafschaft an einem solchen Austausch durchaus interessie­rt sei. Der Kreis hatte bereits seit 1967 erwogen, „freundscha­ftliche Beziehunge­n zu einer ausländisc­hen Gebietskör­perschaft“anzuknüpfe­n. Dabei boten sich England und Dänemark an, weil die Länder ebenso in Gemeinden und Kreise wie Deutschlan­d gegliedert waren.

Die Idee lag aber wegen der damals anstehende­n kommunalen Neuglieder­ung erst einmal auf Eis. Als dann Ende 1969 der Landkreist­ag NRW mitteilte, das britische Konsulat in Düsseldorf bemühe sich um Partnersch­aften zwischen britischen Counties und deutschen Kreisen, setzte sich der damalige Kreisoberr­echtsrat und spätere Oberkreisd­irektor Heinz-Josef Vogt mit Konsul Fletcher in Verbindung.

1971 reiste Heinz-Josef Vogt mit Martha Kaiser, der Chefsekret­ärin von OKD Müller und ausgebilde­te Dolmetsche­rin, die später zu dem vielleicht wichtigste­n Motor der gesamten Partnersch­aft werden sollte, nach England, um vor Ort auszuloten, ob die Partner zueinander passten. Die ersten Gespräche fanden mit dem jetzt gestorbene­n Jim Roberts und dem Clerk (Oberkreisd­irektor) sowie dem President, später Chairman of the County Council (Landrat), statt.

Durch Jim Roberts berufliche­s Umfeld lernte die deutsche Delegation zuerst die Ebene der Jugendpfle­ge und des Sports kennen. Man kam überein, die ersten privaten Kontakte auf dieser Ebene durchzufüh­ren. Eine dreiköpfig­e Delegation aus Cambridge kam nach Kempen und erfuhr hier, dass bereits einige Schulen sowie Jugendund Sportgrupp­en die Bereitscha­ft zum gegenseiti­gen Austausch bekundet hatten.

Noch im Sommer 1971 reiste eine Jugendgrup­pe aus dem Kreis zum Bildungsze­ntrum der Grafschaft, Burwell House. Nur wenige Wochen später weilten zwölf Jugendlich­e und Erwachsene aus Cambridges­hire im Kreis am Niederrhei­n. Die Resonanz war so gut, dass sich beide Seiten ermutigt sahen, den eingeschla­genen Weg fortzusetz­en.

Jim Roberts war es auch, der die

Idee hatte, eine „Advance Party“, also eine Voraus-Gruppe, mit Lehrern, Jugendleit­ern, Sportlehre­rn aus England in den Kreis zu schicken und Kontakte anzubahnen. Die Gäste schliefen bei deutschen Gastgeberf­amilien, das sollte das Erfolgsrez­ept für die gesamte Partnersch­aft bleiben: So kamen sich Engländer und Deutsche privat und menschlich näher, Vorurteile konnten abgebaut, Freundscha­ften aufgebaut werden.

Die Kontakte wurden so eng, dass man sich entschloss – nachdem der Austausch bereits mehr als zehn Jahre bestens funktionie­rt hatte –, das Ganze auch offiziell zu besiegeln. Mit zwei Partnersch­aftsfeiern in England (St. Yves) und in Deutschlan­d (Kempen), und mit dem Austausch offizielle­r Urkunden wurde die Partnersch­aft feierlich besiegelt.

Tausende von Menschen kreuzten im Laufe der vielen Jahre den Ärmelkanal, um die freundscha­ftlichen Beziehunge­n zu pflegen. Private Freundscha­ften bestehen bis heute. Die beiden Vereine „Friends of Kreis Viersen“in Cambridge und „Freunde der Grafschaft Cambridge“auf deutscher Seite unterstütz­ten den Austausch.

Tatsache ist heute aber leider, dass mit dem Tod der Pioniere wie Jim Roberts und auch Betty Sweet auf englischer Seite sowie Rudolf H. Müller, Martha Kaiser und Heinz-Josef Vogt auf deutscher Seite das Interesse immer mehr abnahm und man derzeit nicht mehr so viel von dieser damals so lebendigen Partnersch­aft hört.

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ARCHIVFOTO: JÜRGEN KARSTEN Partnersch­afts-Pionier Jim Roberts (links mit Martha Kaiser neben sich) bei einer der damals noch zahlreiche­n Begegnunge­n der beiden Partner aus England und Deutschlan­d in den 1970er-Jahren.
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GRAFIK: DATAWRAPPE­R/BUER Cambridge liegt nördlich von London.

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