Rheinische Post Krefeld Kempen
Ein Ort der Chancen
Pünktlich zur Eröffnung des Humboldt-Forums in Berlins historischer Mitte hat sich eine neue Bürgerbewegung präsentiert. Wie vor zwei Jahrzehnten eine engagierte Initiative den Wiederaufbau des Stadtschlosses auf den Weg brachte, wollen nun Künstler und Schlosskritiker in 30 Jahren das rekonstruierte Schloss wieder abreißen und durch einen Neubau des Palastes der Republik ersetzen. Es geht also weiter. Zuerst die harte Auseinandersetzung um den Abriss des Palastes, dann der jahrelange, zähe Streit um den Aufbau des Schlosses, die Auseinandersetzungen um die Gestaltung des Innern, die Kontroversen um die Finanzierung bis zum erbitterten Schlagabtausch um das goldene Kreuz auf der Kuppel: Man müsste sich wundern, wenn nun alle ruhig wären und das Kulturzentrum ohne nennenswerte Aufmerksamkeit vor sich hinarbeitete.
Nicht von ungefähr kommt das Wort „Kultur“aus dem Lateinischen und hebt sowohl auf das Bearbeiten und Pflegen in der Kunst als auch auf das Hervorbringen im Ackerbau ab. Beides hat mit Mühen, mit dem Gestalten von Neuem in einer nicht nur freundlichen Umgebung zu tun. Anders ausgedrückt: Nur wenn eine Kulturinitiative auch Reibungsfläche bietet, kann in der Auseinandersetzung damit Wärme entstehen, die die Gesellschaft davor bewahrt, dass Ideen, Erkenntnisse und Überlieferungen erkalten.
Deshalb ist das Humboldt-Forum hinter der Stadtschloss-Fassade eine gewaltige Chance nicht nur für die Kultur in Berlin, sondern auch für Politik und Gesellschaft in Deutschland. Ein neuer, konfliktgeladener Ort für die Auseinandersetzung, vielleicht gar das Zusammenfinden einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. Um es mit den Worten des ehemaligen Regierenden von Berlin, Klaus Wowereit, aus anderen Zusammenhängen zu sagen: Und das ist auch gut so. BERICHT
STEINGEWORDENER KOMPROMISS, KULTUR