Rheinische Post Krefeld Kempen
Zurück ins Mittelalter
Das Europäische Hansemuseum in Lübeck lädt zu einer spannenden Zeitreise ein. Verschiedene Stationen gibt es bis Ende des Jahres auch in Lego-Dioramen zu bestaunen.
Vier große Auslandskontore in Russland, Flandern, England und Norwegen bilden die Pfeiler der Ausstellung: Am schilfbestandenen Ufer der Newa liegen schwer beladene Koggen mit Silber, Kupfer, Heringen, Salz und Tuch. Alles ist in Ballen verschnürt oder in Fässern verstaut. Fässer waren die Container des Mittelalters. Nowgorod in Russland ist das Ziel der Männer. Im „Peterhof“tauschen sie ihre Waren gegen Pelze, Bienenwachs und Honig. In der „Oude Halle“am Groten Markt in Brügge stapeln sich bunte Tuche, edle Pelze, glänzende Rüstungen, poliertes Messinggeschirr und allerlei Gewürze. Im „Stallhof“am Themse-Ufer in London laufen überlebensgroße Porträts einiger Kaufleute über die Museumswände. Hier wird klar, die „Pfeffersäcke“waren nicht immer so ehrbar und ehrlich, sondern häufig arrogant, und sie trugen ihren Wohlstand zur Schau. In der „Tyske Bryggen“im norwegischen Bergen türmt sich die Fastenspeise Stockfisch, also getrockneter Kabeljau, auf Tischen und in Regalen.
Auch die Entwicklung Lübecks zur „Königin der Hanse“wird gezeigt. Durch den Fernhandel wurde die Stadt steinreich, sodass die feuergefährdeten Holzhäuser durch Backsteinbauten ersetzt werden konnten. Das 2015 fertig gestellte Hauptgebäude des Hansemuseums ist ebenfalls aus Ziegelsteinen errichtet. Die Vorderfront erinnert an die mittelalterliche Stadtmauer, die am Fuße des Burghügels verlief. Auf diesem stehen die verbliebenen Teile des einstigen Burgklosters, das bis zur Reformation die Dominikaner bewohnten. Inzwischen ist es Teil des Museums. Hinter den alten Mauern finden Sonderausstellungen statt. Bis November 2021 leuchten dort mehrere 100.000 Lego-Steine. „Hanse steinreich“lautet das Motto. René Hoffmeister, der einzige zertifizierte Lego-Modellbauer
in Deutschland, hat in seiner Werkstatt im brandenburgischen Niemegk die Kontore und den Hansetag von 1518 in Miniaturformat nachgebaut. Sechs Dioramen sind mit Lichteffekten und Geräuschen versehen. Hinzu kommen Großmodelle wie ein Hansekaufmann, eine Kogge und ein aufgeschnittenes Kaufmannshaus. „So wollen wir das komplexe Thema „Hanse“Kindern ab sieben Jahren und junggebliebenen Lego-Fans leichtfüßig näherbringen“, sagt Kurator André Dubisch: „Einige Szenen sind mit den bunten Kunststoffsteinchen viel ausführlicher dargestellt als in der Dauerausstellung. Wir haben sehr viel Wert auf historische Genauigkeit gelegt.“Hansekaufmann Winni Warendorp und die Schülerin Juna sind Lego-Figuren, die anhand von Rätseln durch die Zeitreise lotsen.
Bleibt die Frage, warum scheiterte die „Union des Mittelalters“? Der Niedergang der
Hanse kündigte sich bereits Ende des 15. Jahrhunderts an. Christoph Kolumbus entdeckte Amerika. Wenige Jahre später fand Vasco da Gama einen direkten Seeweg nach Indien. Neue Handelsnationen wie Portugal, Spanien, England, Frankreich und die Niederlande betraten die Bühne. Schließlich versetzte der Dreißigjährige Krieg der Hanse den Todesstoß. Am letzten Hansetag 1669 nahmen nur noch sechs Städte teil. Der prächtige Saal ging jedoch später durch Umbauarbeiten im Rathaus verloren.
Doch 1980 gründete man im niederländischen Zwolle den modernen Städtebund „Die Hanse“. Ehemalige Hansestädte des Mittelalters können Mitglied werden. Ein wichtiges Ziel ist der kulturelle Austausch, um das Erbe der Hansezeit bewusster zu machen. Alle zwei Jahre wird der Hansetag, eine Art mittelalterliches Stadtfest, in einem anderen Ort ausgerichtet.