Rheinische Post Krefeld Kempen
Schlag gegen die Hells Angels in NRW
Seit dem frühen Donnerstagmorgen durchsuchen SEK-Kräfte Objekte in neun Städten in NRW. 900 Polizisten sind im Einsatz, zwei Verdächtige noch auf der Flucht. Einer ist der Chef der Mönchengladbacher Rocker.
DUISBURG/MÖNCHENGLADBACH Mit Panzerwagen und 900 Einsatzkräften in neun Städten schlug die Polizei in NRW am Donnerstagmorgen zu. Bei der Razzia suchten die Einsatzkräfte 24 Objekte durch, darunter Bordelle, Vereinsheime und Wohnungen. Die koordinierte Aktion lief unter anderem in Köln, Essen und Krefeld, der Fokus lag laut einer Polizeisprecherin auf Duisburg und Mönchengladbach. Auch Spezialeinheiten aus anderen Bundesländern waren beteiligt. Hintergrund der Aktion sind Ermittlungen zu einem versuchten Mord in zwei Fällen aus dem Jahr 2013 und einem Mord im Jahr 2014 im Milieu der Rockerbande Hells Angels.
„Das waren schlicht und einfach Rockerkriege, die da auf unseren Straßen ausgetragen worden sind“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Die Brutalität der abscheulichen Verbrechen zeige, dass man bei dem Kampf gegen die Rocker nicht lockerlassen dürfe. In Mönchengladbach wurde ein 42-jähriger Mann bereits festgenommen. Er ist laut Polizei einer der Verdächtigen im Mordfall Kai M. Der Hells Angel aus Duisburg war 2014 unter noch ungeklärten Umständen zunächst verschwunden. Später wurde sein tätowierter Arm von einem Angler in Duisburg aus dem Rhein gefischt. Ein 33-Jähriger soll gemeinsam mit einem 34-jährigen Clubkameraden Kai M. erschossen haben, weil dieser unter Verdacht stand, Geheimnisse der RockerGang verraten zu haben. Das teilt die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach mit.
Der festgenommene 42-Jährige soll an der Zerstückelung und Entsorgung des Toten beteiligt gewesen sein. Während der 34-jährige Mitbeschuldigte bereits wegen einer anderen Sache in Wuppertal einsitzt, wird nach dem 33-jährigen mutmaßlichen Haupttäter noch gefahndet. Es ist nach Informationen unserer Redaktion der Chef der Mönchengladbacher Hells Angels, Ramin Y.
Der 33-Jährige gründete 2014 das Charter „MG City“in Mönchengladbach. In den ersten Jahren sorgten er und seine Club-Brüder für Schlagzeilen mit öffentlichen Ausfahrten in Kutte und großen Rockerpartys mit halbseidenen Prominenten. Der gebürtige Mönchengladbacher begann bereits früh, in der Türsteherund Rotlichtszene zu arbeiten und leitete zeitweise ein Bordell in Leverkusen. Er war früher bei den Erzfeinden der Hells Angels, den Bandidos. Bevor er überlief, soll er sich 2012 an der Massenschlägerei der Rocker in der Mönchengladbach Altstadt beteiligt haben. Bereits im Februar 2014 geriet der damals 27-Jährige unter Verdacht, einen Clubbruder, der als Spitzel galt und auch den Hells Angels angehörte, ermordet zu haben. Auf seiner Facebookseite posierte Ramin Y. mit weiteren Filthy-Few-Rockern. Filthy Few steht für die „dreckigen Wenigen“. Angeblich ist das der Titel für Rocker, die schon einmal gemordet haben. Filthy Few steht auch auf der Kutte von Ramin Y. Die Ermittler vermuten, dass er sich zurzeit im Ausland befindet. Auf Instagram ist er auf einem sieben Wochen alten Foto vor iranischen Fahnen zu sehen. Nach ihm wird derzeit mit einem internationalen Haftbefehl gesucht.
Das gilt auch für einen 31-Jährigen, der ebenfalls den Hells Angels angehören soll und sich aktuell mutmaßlich in der Türkei aufhält. Er soll im November 2013 auf ein Mitglied der Rockergruppe Bandidos geschossen haben, während der Mann in seinem Ford Kuga vor einer roten Ampel in Oberhausen wartete. Der damals 25-jährige Fahrer wurde bei dem Angriff schwer, seine damals 32 Jahre alte Beifahrerin leicht verletzt. Die 33 und 34 Jahre alten mutmaßlichen Haupttäter im Mordfall Kai M. sollen auch hier Mittäter gewesen sein.
Dem Einsatz war eine jahrelange Ermittlungsarbeit in den abgeschotteten Strukturen der organisierten Rockerkriminalität vorausgegangen. Bei den Durchsuchungen stellten Ermittler der Kriminalpolizei unter anderem eine scharfe Schusswaffe, eine Schreckschusswaffe, Datenträger und Betäubungsmittel sicher. Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, lobte den langen Atem der Polizei. „Die Ermittlungen zeigen, dass die Polizei nicht aufgibt, sondern auch jahrelang an einem Fall weiterarbeitet“, sagte Rettinghaus. Auch Innenminister
Reul sprach von einer „langwierigen und mühsamen Ermittlungsarbeit“. Laut Rettinghaus sende die Razzia ein deutliches Signal an die Rocker-Szene. „Sie wissen jetzt, dass sie zu keiner Zeit mehr vor der Polizei sicher sind und es täglich zu Durchsuchungen und Festnahmen kommen kann. Und sie wissen jetzt: Selbst Taten, die schon Jahre zurückliegen, können sie jederzeit einholen“, sagte Rettinghaus.
Einen Durchbruch habe es dann vor rund zwei Jahren gegeben, als ein Kronzeuge aussagte, sagte eine Polizeisprecherin aus Duisburg. Die Folge: Weitere Ermittlungen und schließlich die Großrazzia am Donnerstag. Der Zeitpunkt des Einsatzes sei nicht zufällig, sagte Reul. „Eine solche Razzia macht man dann, wenn die Zeit reif ist und es zügig gehen muss.“