Zwischen Himmel und Hölle

Als Pfarrer im Ruhestand werde ich öfter gefragt, ob ich denn glaube, dass es das Jenseits gibt, Himmel und Hölle. Ich antworte Ja. Und wenn die Leute mir dann ihre Zweifel oder ihre Ablehnung dargelegt haben, dann frage ich, welche Vorstellung sie denn vom Himmel haben, oder ob sie schon einmal etwas erlebt haben, was ihnen als „himmlisch“in Erinnerung geblieben ist.

Da kommen viele Antworten: „Ich habe mein Enkelkind beim Spielen beobachtet, das war himmlisch.“- „Ich habe das Requiem von Gabriel Fauré gehört, eine himmlische Musik, auch wenn sie vom Tod handelt.“- „Ich habe an der Felsküste am Atlantik in der untergehenden Sonne gesessen, die Füße in der Brandung, himmlisch!“„Ich habe ein Theaterstück gesehen: Ein Trottel war da, der nichts zustande brachte und dem alles misslang, aber so liebenswert und so lebensbejahend! Ich habe die ganze Zeit gelacht. Himmlisch!“Viel Ähnliches habe ich schon als Antwort gehört.

Einmal gab mir ein Bekannter eine Antwort, die ich besonders schön finde und hier weitergeben will: „Himmlisch ist, wenn ich mit Leuten zusammen bin, die mir zuhören, bei denen ich mich mit meinem Kummer ausweinen kann, die mir vielleicht die Hand auf die Schulter legen und zu verstehen geben, dass es doch irgendwie gut wird, irgendwie. Himmlisch ist, mit jemand zusammen zu sein, der oder die sich am Leben freut, ohne das Schmerzliche auszuklammern.“

Wenn das Himmel ist, spann ich den Gedanken weiter, dann wäre Hölle mit Leuten zusammen zu sein, die alles schlecht finden, alle Menschen korrupt, die ganze Menschheit dem Untergang geweiht, verloren, böse. Leute, die nur in Extremen denken können. Für sie geht sowieso alles vor die Hunde. Leute, die sich allenfalls noch berauschen und dadurch ablenken.

Der Bekannte nickte.

Dann leben wir sozusagen hier schon zwischen Himmel und Hölle, die einen mehr auf der einen Seite, andere mehr auf der anderen. Warum sollte es in Ewigkeit anders sein?

DETLEF WENDLER, PSYCHIATRIEPFARRER I.R.