Rheinische Post Krefeld Kempen
Anwohner kämpft gegen Katharinenhöfe
An der Bahnstraße in Willich sollen 112 Wohnungen, Büros, Praxen und ein Supermarkt entstehen. Matthias Albrecht fürchtet eine Straßenschlucht und ein Verkehrschaos. Der Bürgermeister kündigt einen Faktencheck an.
WILLICH „Wenn's schiefgeht, werden wir wegziehen“, sagen Kerstin und Matthias Albrecht, die seit 27 Jahren in einem denkmalgeschützten Haus an der Bahnstraße in Willich wohnen. „Aber das ist unser Zuhause.“Was aus ihrer Sicht schiefgehen könnte: dass sie mit ihrem Einsatz dagegen scheitern, dass die Katharinenhöfe auf dem Gelände des ehemaligen Katharinen-Hospitals in der vorgesehenen Form gebaut werden. „Wir wollen auch zukünftig die Morgensonne in unserem Vorderhaus sehen und nicht auf eine fast 17 Meter hohe Fassade direkt an der Bordsteinkante starren“, schreiben sie auf ihrer Internetseite www.katharinenhoefe-nicht-so.de.
Direkt gegenüber sollen die Katharinenhöfe gebaut werden. Bald soll Baurecht geschaffen werden, es wird ein Verkehrsgutachten geben, und die Bürger werden noch einige Wochen Zeit haben, ihre Einwendungen einzubringen. Das will Matthias Albrecht tun – und kündigt für den Fall, dass er keinen Erfolg haben wird, bereits an: „Wir werden bis zur letzten Instanz klagen.“Ihn störe nicht die Tatsache, dass auf dem ehemaligen Hospitalgelände etwas Neues entstehen soll. Vielmehr gehe es ihm um die schiere Größe des direkt an der Bahnstraße gelegenen Gebäudes, um die Tatsache, dass dort ein Supermarkt einziehen soll und darum, dass auf die umliegende Bebauung keine Rücksicht genommen worden sei.
In der Tat ist es so, dass die Illustrationen, die auf Plakaten hinter dem Bauzaun für das Projekt werben, einen falschen Eindruck vermitteln können: Sie zeigen das Bauvorhaben von der Rückseite, vom Park aus gesehen. Von dort mache das alles auch einen grünen, luftigen Eindruck, sagt Albrecht. Aber direkt an der Bahnstraße werde halt ein an einer Ecke knapp 17 Meter hohes Gebäude stehen. Auf seinen Vorschlag an den Investor, das Gebäude zehn Meter nach hinten zu setzen und auf das obere Staffelgeschoss zu verzichten, sei nicht eingegangen worden, sagt Albrecht.
Albrecht, der in Willich kein Unbekannter und selbst Investor ist, hatte vor einigen Jahren selbst Interesse, das Grundstück zu kaufen und dort Wohnungen und Räume für einen Supermarkt zu bauen, sagt er. „Wir hatten ein ganz ähnliches Konzept, aber die Stadt hat uns erklärt, dass der durch einen Supermarkt bedingte Verkehr zu viel für die Bahnstraße sei“, sagt Albrecht – „und das zu Recht“. Sattelschlepper, die einen Supermarkt beliefern, hätten auf der „ohnehin schon chaotischen Bahnstraße“
keinen Platz, und auch die Wegfahrt über Burg- oder Mühlenstraße sei für solch ein großes Gefährt nicht zu bewältigen, wenn dort nicht Parkplätze wegfielen. „Die Anlieferung hätte also von hinten, vom Hotel am Park aus, erfolgen müssen, aber die Stadt wollte nichts vom Park abgeben“, sagt Albrecht. Schleierhaft sei ihm auch, wo jetzt die Parkplätze für den Supermarkt untergebracht werden sollen. Sein Konzept damals habe ebenerdige Parkplätze vorgesehen, das Gebäude hätte auf Stelzen darüber errichtet werden sollen.
Später kaufte die städtische Grundstücksgesellschaft (GSG) das Areal, und es gab 2018 einen städtebaulichen Wettbewerb. Albrecht bemängelt, dass es keine Vorgaben zum Denkmalschutz der umliegenden Gebäude gegeben habe. Außerdem sei damals von 80 Wohnungen, 2000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche und 700 Quadratmeter für Büros und Praxen die Rede gewesen. Zum Sieger gekürt worden sei ein Entwurf, der keine Rücksicht auf die umliegende Bebauung nehme, sagt Albrecht. „Gewonnen hat der Teilnehmer, dessen Entwurf sich später am besten maximieren ließ.“Nun seien inzwischen 112 Wohnungen, 7000 Quadratmeter für Einzelhandel und 840 für Büros und Praxen vorgesehen. Auch auf den im Wettbewerb geforderten sensiblen Umgang mit dem Baumbestand sei nicht eingegangen worden, so Albrecht.
„Wir haben unsere Fragen dem Bürgermeister Pakusch, dem Technischen Beigeordneten Nachtwey und dem Mitarbeiter des Investors, Herrn Ruben vorgetragen. Wir sind nur auf eisernes Schweigen gestoßen“, schreiben die Albrechts auf ihrer Internetseite. Dem widerspricht Willichs Bürgermeister Christian Pakusch auf Nachfrage unserer Redaktion energisch. Zu den Positionen Albrechts arbeiteten Investor, Grundstücksgesellschaft und Stadt gerade einen Faktencheck aus, der Albrecht Anfang kommender Woche zugehen werde und auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde, sagt Pakusch.
Pakusch sagt, als Bürgermeister stehe für ihn das Allgemeinwohl im Vordergrund, und die Stadt brauche dringend Wohnraum – „in allen Größen und Preisklassen. Jeder Quadratmeter zählt“. Pakusch betont, dass in
den Katharinenhöfen 30 Prozent Sozialwohnungen vorgesehen seien. Er habe bereits viele Zuschriften bekommen von Leute, die sich für die Katharinenhöfe einsetzen wollen. „Ich bin mir sicher, dass eine Mehrheit für die Katharinenhöfe ist“, sagt Pakusch. Er sei zu Gesprächen bereit.
Und was hat Matthias Albrecht jetzt vor? Er werde alle Ratsmitglieder auf das Thema aufmerksam machen und zu Gesprächen einladen. „Wir werden nachhalten und veröffentlichen, welches Ratsmitglied darauf reagiert.“Zudem wolle er ein Plakat an seinem Haus aufhängen, das die „zu erwartende Straßenschlucht“zeige, allen Nachbarn Briefe in die Briefkästen werfen, zum Gespräch einladen und Handzettel verteilen – und notfalls klagen.