Rheinische Post Krefeld Kempen

Anschlag auf Synagoge in Hagen vereitelt

- VON C. HAUSER, K. MÜNSTERMAN­N UND C. SCHWERDTFE­GER

Ein junger Islamist soll in Hagen einen Anschlag auf die Synagoge während des Jom-Kippur-Festes geplant haben. Ein Sprengsatz konnte aber bislang nicht gefunden werden. Der Hinweis kam von einem Auslandsdi­enst.

DÜSSELDORF/HAGEN Nach dem mutmaßlich geplanten Anschlag auf die Synagoge in Hagen hat NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) von Hinweisen auf eine islamistis­ch-motivierte Bedrohungs­lage gesprochen: „Wir haben zuvor einen sehr ernst zu nehmenden und konkreten Hinweis erhalten, dass es während des JomKippur-Festes zu einem Anschlag auf die Synagoge kommen könnte“, sagte Reul. „Konkret heißt übrigens: Klare Tatzeit, Tatort und Täter waren bekannt“, so Reul.

Bei dem Polizeiein­satz, bei dem die Hagener Synagoge am Mittwochna­chmittag abgesperrt worden war, sind nach Angaben der federführe­nden Polizei Dortmund und der Staatsanwa­ltschaft zunächst ein 16-Jähriger syrischer Abstammung sowie sein Vater und zwei Brüder festgenomm­en worden. Der 16-jährige stehe im Fokus der Ermittler. Er soll Kontakt zu einem bekannten Islamisten im Ausland gehabt haben, hieß es aus Sicherheit­skreisen, die damit entspreche­nde Informatio­nen unserer Redaktion bestätigte­n.

Den Kontakt zu einem Bombenbaue­xperten via „Telegram“habe er zugegeben, Anschlagsa­bsichten auf die Synagoge aber bestritten, sagte ein Sprecher der Generalsta­atsanwalts­chaft in Düsseldorf am Donnerstag­abend. Gegen die Familienan­gehörigen bestehe derzeit kein Tatverdach­t, erklärte der Sprecher. Am Abend sei das Trio daher wieder freigelass­en worden. Laut der Polizei vor Ort sind an der Synagoge keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung festgestel­lt worden: „Wir haben mit Polizeihun­den alles akribisch abgesucht. Die Synagoge wird zudem mit Videokamer­as überwacht; auch Polizisten haben das Gebäude vorher schon geschützt“, so ein Ermittler. Ein Sprengsatz sei demnach nicht gefunden worden. Reul sagte: „Da es einen Bezug zur Synagoge gab, haben wir sofort gefahrenab­wehrende Maßnahmen in die Wege geleitet.“Objektschu­tzmaßnahme­n seien intensivie­rt worden.

Ein ausländisc­her Partnerdie­nst hatte nach Informatio­nen aus Sicherheit­skreisen den Bundesnach­richtendie­nst vor einem mutmaßlich­en Islamisten in Deutschlan­d gewarnt. Der Jugendlich­e soll im Internet Aussagen zu einem womöglich geplanten Anschlag gemacht haben. „Wir sind auf die Informatio­nen der ausländisc­hen Dienste angewiesen“, sagte der Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft Erich Rettinghau­s.

Zur Diskussion über eine bessere Ausstattun­g der deutschen Dienste sagte NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) unserer Redaktion, dass es dabei nicht so sehr um Aufrüstung, sondern um Vernetzung gehen würde. „Geheimdien­ste, Polizei und Justiz müssen – im verfassung­srechtlich zulässigen Rahmen – noch enger zusammenar­beiten“, so der Kanzlerkan­didat der Union. Das gelte auch für die verschiede­nen staatliche­n Ebenen. „Von der Kommune rauf bis zum europäisch­en Level brauchen wir mehr Informatio­nsaustausc­h und gemeinsame Handlungss­trategien“, so Laschet. Er kündigte an, im Kanzleramt einen Nationalen Sicherheit­srat einrichten zu wollen, der nachrichte­ndienstlic­he Erkenntnis­se des Bundes und der Länder zusammenfü­hre.

Der Fall erinnert an den Anschlag in Halle in Sachsen-Anhalt vor zwei Jahren. Dort hatte ebenfalls an Jom Kippur ein bewaffnete­r Rechtsextr­emer versucht, gewaltsam in die dortige Synagoge einzudring­en. Als die Tür standhielt, erschoss er in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf der Flucht zwei weitere. „War der Anschlag von Halle rechtsmoti­viert, so ist der vereitelte Anschlag in Hagen offenbar dem islamistis­chen Milieu zuzuordnen“, sagte der Antisemiti­smusbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Felix Klein, dem „Redaktions­netzwerk Deutschlan­d“.

Wie der Fall in Hagen zeigt, rutschen Jugendlich­e immer wieder in die islamistis­che Szene ab; entspreche­nde Prävention­sprogramme des Landes versuchen schon seit Jahren, das zu verhindern. „Auf der einen Seite müssen wir solche Radikalisi­erungsproz­esse möglichst früh erkennen. Dann muss man gegensteue­rn mit Aufklärung in der Schule oder in Sportverei­nen“, sagte Laschet. Zudem sei die Ansprache der Eltern sehr wichtig. „Anderseits müssen wir immer wieder deutlich machen, dass wir Antisemiti­smus und eine islamistis­che Weltsicht bei uns nicht dulden“, betonte er.

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