Rheinische Post Krefeld Kempen
Kirchenrechtler vermisst Demokratie im Katholizismus
Thomas Schüller sprach beim „1. Zukunftskongress“, den die Reforminitiative von Maria 2.0 derzeit im Erzbistum Köln noch bis Anfang Oktober veranstaltet.
DÜSSELDORF (los) An kirchenkritischen Debatten ist derzeit wahrlich kein Mangel. Dagegen ist es überraschend, wenn „trotz allem“am Ende eines solchen Disputs dann diese Bitte ausgesprochen wird: weiter in der katholische Kirche zu bleiben, quasi „in kritischer Loyalität“. Dabei klang der Grundton zuvor deutlich anders.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller war nach Düsseldorf-Angermund in die Gemeinde von St. Agnes gekommen, um über ein Thema zu sprechen, das eigentlich gar kein Thema ist: über Kirche und Demokratie. Die nämlich kann es in einer Kirche nicht geben, die wie eine „absolutistische Monarchie“verfasst ist, die von Erwählten geleitet wird, aber nicht von Gewählten. Zwar entspricht es dem synodalen Charakter der Kirche, dass alle Gläubigen mitreden können. „Aber nur die Hirten dürfen entscheiden“, so Schüller. Und:
Die Bischöfe sind nicht einmal an das Gehörte gebunden.
Sicher, es gibt seit zwei Jahren den Synodalen Weg hierzulande, der inzwischen schon in Irland und Australien mit vergleichbaren Initiativen Schule gemacht hat. Doch dass etwa die Forderungen nach Mitbestimmung, die in den Foren des Synodalen Wegs ausgearbeitet wurden und Ende September abschließend beraten werden, in absehbarer Zeit zur Realität kirchlichen Lebens gehören, dürfe bezweifelt werden. Dazu gehöre auch die Bestellung eines Bischofs und die Wiederbelebung einer alten Glaubenspraxis, wonach Gläubige ihren Bischof selbst wählen durften. Zumindest sollten Gläubige heute wenigstens Vorschläge machen dürfen; zudem könnte die Amtszeit auf acht Jahre begrenzt werden mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl.
Im Mittelpunkt des Streits um die Teilhabe aller Getauften aber steht nach Meinung Schüllers die Stellung der Frau in der Kirche. Solange ihr der Zugang zu Weihe- und Entscheidungsämtern verwehrt bliebe, werde jedes Gleichheitsprinzip missachtet. Im „männerbündischen
System der Kirche“müsse die Beweisführung umgedreht werden. Nicht die Gläubigen müssten theologisch begründen, warum Frauen geweiht werden können. Vielmehr müsse Rom erklären, warum dies nicht möglich sei. Und dass solche Entscheidungen nicht in der Vollmacht des Papstes lägen, wie es etwa Johannes Paul II. erklärt hatte, sei falsch. Der Papst habe alle Vollmachten, selbst jene, Dogmen abzuschaffen. „Demokratie-Prinzipien sind in der Kirche nicht möglich, wenn Frauen keine gleichen Rechte haben“, so Thomas Schüller.
Was bleibt dann? Jedenfalls nicht der Austritt. „Ich möchte in keiner anderen Kirche leben“, sagte der Kirchenrechtler. Auch könne er sich nichts anderes vorstellen, als katholisch zu sein. Aber er wünsche sich, dass seine Kirche sich ändert und sich zur eigenen Verstrickung in Schuld und Sünde wie dem Missbrauchsskandal bekennt. „Die Zeit der Geduld ist vorbei“, sagte er.
Schüllers Vortrag war einer von vielen Debatten des zweiwöchigen 1. Zukunftskongresses, den die Reforminitiative Maria 2.0 noch bis zum 2. Oktober im Erzbistum Köln abhält. Unter dem Titel „#underconstruction“stehen 17 Veranstaltungen auf dem Plan. Für die Sprecherin der Initiative, Maria Mesrian, seien nun die Gläubigen selbst gefragt. Gegenüber unserer Redaktion wies sie auf die „großen Versäumnisse der Bistumsleitung“hin, die einen großen Leidensdruck in den Gemeinden des Erzbistums erzeugten. „Es ist nach wie vor nichts gelöst. Wir sind nicht auf einem guten Weg im Erzbistum“, so Mesrian. Aber auch sie betonte: „Es ist unsere Kirche, es liegt in unserer Hand.“Ganz ähnlich klang die Botschaft des Münsteraner Kirchenrechtlers, der seine Zuhörer mit diesen Worten ermunterte: „Zeigen Sie Respekt, aber haben Sie keine Angst. sagen Sie den Hirten Ihre Meinung. Nerven Sie! Stressen Sie!“