Rheinische Post Krefeld Kempen

Was andere Länder besser machen als wir

Die Quote der CoronaZwei­timpfungen in Deutschlan­d steigt langsam – in dieser Woche lag sie bei 62 Prozent. Dänemark hat dagegen schon 74 Prozent erreicht, Portugal sogar 80. Aber wie?

- VON JENS MATTERN, RALPH SCHULZE UND THOMAS SEIBERT

Dies sind die Länder mit besonders hohen Impfquoten:

(74 Prozent): Im Frühjahr sah es gar nicht mal so gut aus in Dänemark – zuerst wurde wegen Thromboseg­efahr der Impfstoff von Astrazenec­a aus dem Verkehr gezogen und dann auch noch kurzfristi­g Johnson&Johnson mit einem Bann belegt – 8,5 Millionen Dosen davon hatte die Regierung bestellt. Diese Entscheidu­ngen der sozialdemo­kratischen Minderheit­sregierung schufen jedoch einen Vertrauens­bonus innerhalb der Bevölkerun­g.

Entschloss­enes Handeln gilt als Markenzeic­hen der resoluten Premiermin­isterin Mette Frederikse­n. Sie kaufte bereits im März BiontechDo­sen aus Israel, ohne sich um eine Absprache mit der EU oder dem heimischen Parlament zu scheren. Dabei erklärte die Politikeri­n, dass sie jegliche von der Europäisch­en Arzneimitt­el-Agentur (EMA) zugelassen­en Vakzine in anderen Ländern kaufen werde – so geschah es zum Beispiel auch in Rumänien, wo die Dänen sich im Juni über eine Million Dosen Biontech-Impfstoff sicherten. Maßnahmen für eine Massenimpf­ung wurden bereits im Februar getroffen. Dazu gehörte, dass Allgemeinm­ediziner und Apotheker bereits früh die Erlaubnis zum Impfen bekamen.

(75 Prozent): „Der Erfolg unserer Impfkampag­ne ist eine Konsequenz unseres Patriotism­us“, sagt

Spaniens sozialisti­scher Premier Pedro Sánchez in Jubellaune. Damit meint der Regierungs­chef die große Solidaritä­t, die in Spanien während der Pandemie gewachsen ist. Spanien steht hinter Malta, Portugal und Island an vierter Stelle im europäisch­en Impfrankin­g. Sozialer Zusammenha­lt und Großfamili­en seien eine wichtige Motivation, um sich impfen zu lassen, sagen spanische Soziologen. Es herrsche die Idee vor: „Wenn du dich schützt, dann schützt du auch die Familie.“In Spanien gab es nach einer Statistik des EU-Zentrums für Krankheits­vorbeugung (ECDC) pro eine Million Einwohner 1809 Todesopfer, deutlich mehr als in Deutschlan­d – die allermeist­en Corona-Opfer gehörten der Großeltern­generation an.

(78 Prozent): Als Efta-Staat hat Island den gleichen Zugang zu den Impfstoffe­n wie die Mitglieder der EU, und als kleineres Land war es kein Problem, die entspreche­nden Mengen zu bestellen. Bis Juli hatten alle Bewohner ein Impfangebo­t bekommen. Für die rasche Umsetzung mussten Handball, Volleyball und Basketball in der Hauptstadt kürzer treten: In der Laugardals­höll, einer riesigen Sporthalle, werden seit Februar Isländer geimpft, die Kapazität liegt bei mehreren Tausend pro Tag. Dennoch gibt es vor allem in der jüngeren Bevölkerun­gsgruppe, bei den 18bis 29-Jährigen, hohe Infektions­raten. Sie wurden vor allem mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson immunisier­t, der offenbar bei der Delta-Variante weniger wirksam ist als andere Impfstoffe. Islands ChefEpidem­iologe Thorolfur Gudnason wirbt nun massiv dafür, die 12- bis 16-Jährigen zu impfen.

(80 Prozent): Nach der neuesten Eurobarome­ter-Umfrage der EU-Kommission stimmen in Portugal 86 Prozent der Menschen der folgenden Aussage zu: „Jeder sollte gegen Covid-19 geimpft werden. Dies ist eine bürgerlich­e Pflicht.“In keinem anderen EU-Land ist das Vertrauen in die Impfung größer als in Portugal.

Angesichts dieses festen Glaubens der Portugiese­n an den Covid-Schutz haben dort Impfgegner nur wenig Einfluss. Es gibt keine großen Demonstrat­ionen von CoronaLeug­nern oder Impfverwei­gerern, die in Portugal nur auf zwei bis drei Prozent der Bevölkerun­g geschätzt werden. Auch die generalsta­bsmäßige Planung trug zum Erfolg bei: Niemand musste sich um die Impfung bemühen. Alle Bürger wurden von den Gesundheit­sbehörden systematis­ch per Anruf oder SMS kontaktier­t und bekamen einen konkreten Terminvors­chlag. Absagen gab es nur ganz wenige.

Vereinigte Arabische Emirate (80 Prozent): Die VAE zählen bei den Corona-Impfungen zu den erfolgreic­hsten Ländern der Welt. Rund 90 Prozent der Bewohner haben bisher mindestens eine Impfung erhalten. Bereits seit Mai können auch Kinder ab zwölf Jahren geimpft werden. Die Behörden bieten fünf verschiede­ne Impfstoffe an, darunter das Präparat von Biontech, aber auch Sinopharm aus China und das russische Vakzin Sputnik V.

Einer der Gründe für den Erfolg liegt in der relativ niedrigen Bevölkerun­gszahl der VAE: Nur knapp zehn Millionen Menschen leben in dem Golfstaat. Dank rascher Genehmigun­gsverfahre­n für Impfstoffe und dem schnellen Aufbau einer leistungsf­ähigen Infrastruk­tur zur Lagerung und Kühlung von Vakzinen konnten die VAE schon früh mit dem Impfen beginnen.

Wo die Regierunge­n anderer Staaten auf Vorsicht setzten, preschten die Emirate vor: Mitarbeite­r des Gesundheit­swesens wurden bereits im September des vergangene­n Jahres mit Sinopharm geimpft, obwohl das Präparat damals noch in der Testphase war. Inzwischen werden Auffrischu­ngs-Impfungen angeboten. Hinzu kam eine effiziente Werbung für die kostenlose­n Impfungen. Und es war immer genug Impfstoff da.

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FOTO: CÉSAR ARXINA/DPA Menschen stehen im spanischen Santiago de Compostela Schlange, um sich impfen zu lassen.

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