Rheinische Post Krefeld Kempen
Move in Town - Container als Tanzbühne
Das Künstlerduo Angie Hiesl & Roland Kaiser will viel Wind machen: Der Container vor dem Kaiser-Wilhelm-Museum wird für „Move In Town“zur Kulisse für eine Installation und Performances mit Tänzerinnen und Windmaschine.
Viele Passanten halten kurz inne und gucken auf den Kasten, der neuerdings vor dem Kaiser-Wilhelm-Museum steht. Ihr Interesse bestätigt das Kölner Künstlerduo Angie Hiesl und Roland Kaiser, den perfekten Ort gefunden zu haben: Hier werden Menschen stehenbleiben und sich von Kunst und Tanz fesseln lassen. Der Container wird am Dienstag, 21., und Mittwoch, 22. September, Spielort der Uraufführung von „Unfassbar“sein.
Das Projekt gehört zur Reihe „Move in Town“, mit der zeitgenössischer Tanz an öffentliche Orte gebracht wird, „auch um ein zufälliges Publikum für dieses Genre zu erreichen“, sagt Dorothee Monderkamp vom organisierenden Kulturbüro. Dass sie die „Pioniere des Nicht-Theaters“gewinnen konnte, freut sie: Hiesl und Kaiser arbeiten immer ortsspezifisch, nie in klassischen Theaterräumen. In Krefeld ist das in der Tanzszene renommierte Team zum ersten Mal - und gleich mit einer Uraufführung.
„Unfassbar“ist für beide ein besonderes Projekt, eine aktuelle Zeitaufnahme, in der vieles nicht fassbar ist. „Prägendes Element sind unsere Erfahrungen mit Wind. Vieles ist wissenschaftlich erklärbar, aber es gibt auch magische Momente und es gibt die nicht mehr fassbare entsetzliche Gewalt“, sagt Kaiser. Mensch und Umwelt sollen im Zentrum stehen.
Der Container ist ein geschlossenes System, in dem eine Windmaschine für Luftbewegung sorgt. Die wiederum spielt mit Materialien und Objekten - unter anderen viel Papier. Ab 11 Uhr jeweils wird diese Installation in Bewegung sein. Gegen 17 Uhr geht die Installation dann in eine Performance über: Zwei Tänzerinnen setzen sich mit dem „Unfassbaren“auseinander: „Es geht um Zufall und um Kontrolle, um Ordnung und Chaos aber auf abstrakte und spielerische
Weise“, erklärt Angie Hiesl. Für das Projekt haben sie sich Unterstützung bei Experten vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum geholt und sie waren überrascht, zu erfahren, dass man die Luft im Windkanal nicht wirklich steuern kann. Sie ist tatsächlich unfassbar.
Das Spektakel im Container soll Gedanken in Gang setzen: an die aktuelle Situation, an Corona, an besondere persönliche Erlebnisse. Denn wer vor der Installation steht, sieht sein Spiegelbild in der Scheibe und auch das Publikum vor der Glasfront auf der gegenüberliegenden Seite. „Es gibt eine Ebenenverschiebung“, so Kaiser. Zuschauer,
Passanten, Verkehr, Wetter - alles nimmt Einfluss. „Wir sind hier auf dem Platz mitten im Leben und im Wohnen, aber auch angebunden an die Kunst, hier gibt es Wahlplakate und Cafés - politisches, soziales und persönliches Leben mischen sich.“
Den Spezialcontainer haben Hiesl und Kaiser für ihr Projekt gemietet. Er hat einen langen Weg hinter sich; von Shanghai nach Hamburg, von da aus nach Köln und dann nach Krefeld. „Den Transport dieser letzten Etappe hat die Rheinhafen AG gesponsert“, berichtet Klaus Schmidt-Hertzler vom Kulturbüro. Ohne Unterstützer sowie die Mittelzentrenförderung „Tanz und Performance“des Landes NRW seien solche großen Projekte nicht zu realisieren.
Ein Container aus China - ist das nachhaltig? „Ja“, sagt Angie Hiesl. Denn es sei eine Spezialkonstruktion, in der eben solche Performances möglich seien. „Aber er ist nicht für uns gebaut und wird ständig weiter vermietet.“Die nächste Station für den Container und das performative Windlabor ist der Kölner Rheinauhafen. „Man muss übrigens nicht zweieinhalb Stunden lang die Performance am Stück sehen. Auch mit kürzeren Eindrücken bietet sich vieles zum Reflektieren an“, meint Angie Hiesl.