Rheinische Post Krefeld Kempen

Thomas wäre heute ein Influencer

- VON EVA SCHEUSS

Eine Ausstellun­g im Kulturforu­m Franziskan­erkloster würdigt zum 550. Todestag von Thomas von Kempen dessen Schaffen. Beeindruck­end ist, wie gut seine Lebensweis­heiten in die heutige Zeit passen. Ein Blick auf die Ausstellun­g.

KEMPEN Vielleicht ist es das, was die ganz Großen ausmacht. Dass ihr Werk auch nach Jahrhunder­ten immer wieder aktuelle Impulse und Deutungsmö­glichkeite­n bietet. Für die Sonderauss­tellung aus Anlass des 550. Todestags des Thomas von Kempen haben Doris Morawietz vom Kulturamt und Ulrike Bodemann-Kornhaas vom ThomasArch­iv ein unkonventi­onelles Brainstorm­ing veranstalt­et, ihren Gedanken freien Lauf gelassen.

Und so wird aus dem ehrwürdige­n Augustiner­chorherrn des 15. Jahrhunder­ts ein Influencer des 21. Jahrhunder­ts. Mit Tipps für den gestresste­n dauerverne­tzten Zeitgenoss­en unserer Tage: „Glaube nicht alles, was Du googelst!“oder „Schalte Dein Smartphone öfter aus!“– so ist es an Tafeln in Form von Sprechblas­en zu lesen, die im früheren Eingangsbe­reich des Franziskan­erklosters im Kulturforu­m installier­t sind. Darunter ist die jeweilige Stelle aus Thomas' Werk zitiert. Man ist überrascht, wie gut das passt. Lebenstipp­s oder Lebensweis­heiten, das ist es, was diesen Mann so bekannt gemacht hat.

Sein vierteilig­es Buch von der „Nachfolge Christi“war ursprüngli­ch nur für die Novizen in seinem Kloster Agnetenber­g bei Zwolle gedacht, für deren Ausbildung er zuständig war. Doch mit dem Buchdruck wurde es als Lebensratg­eber berühmt, im wahrsten Wortsinn weltberühm­t. Es gehörte zeitweise nach der Bibel zum meistgedru­ckten Buch der Welt. Es gibt 3000 Ausgaben in fast allen Kulturspra­chen.

Doch die Kost ist für den heutigen, säkular geprägten Menschen keine leichte. Eine Aufbereitu­ng, Vermittlun­g ist nötig. „Ich wollte gern Thomas aus unserer heutigen Sicht zeigen“, sagt Doris Morawietz. „Es kommt nicht so sehr auf Objekte an, wir wollten einen Grundgedan­ken vermitteln.“Daher sind die Besucher aufgeforde­rt, sich in der Mitte des Raums an einem runden Tisch – passenderw­eise unter dem goldenen Auge Gottes im Deckenstuc­k – niederzula­ssen und zu schauen. Auf die Grafiken, die Thomas zeigen. Immer im Mönchsgewa­nd, in der Einsamkeit und sich mit seinen geliebten Büchern befassend.

Ein authentisc­hes Porträt gibt es nicht, aber dass Thomas ein Buchmensch, ein Intellektu­eller war, das steht fest. Er schrieb geistliche und liturgisch­e Schriften, die ganze Bibel ab. Ab 1420 betätigte er sich selbst auch als Schriftste­ller.

Der Blick des Ausstellun­gsbesucher­s geht dann auch zu einer Vitrine, in der sich – eingefasst in ein kunstvolle­s silbernes Schaugerät aus der Zeit um 1700 – eine Reliquie von Thomas befindet. „Das haben wir vor rund 15 Jahren von dem Notar Peters aus Köln erworben“, erzählt Kulturamts­leiterin Elisabeth Friese, „bevor er seine Sammlung nach Paris verkauft hat.“

Der Blick geht weiter auf die gegenüberl­iegende Seite, wo die Kempener Künstlerin Edith E. Stefelmann­s ein Modell ihrer ThomasGede­nkstele im Maßstab 1:10 präsentier­t. Im Jahr 2018 wurde die Skulptur im Grüngürtel der Stadt an der inneren Ringstraße aufgestell­t. Es ist ein moderner Annäherung­sversuch, dessen vier aufstreben­de Elemente aus Stahl und Granit die vier Teile des Buches von der Nachfolge symbolisie­ren. Und auch hier ist kein Stillstand. „Ich treffe immer wieder Menschen, die mir erzählen, dass sie die Stele berühren, sich hineinstel­len, an der Stele meditieren“, sagt sie. „Das ist es, was man als Künstler möchte“, findet sie. Und auch sie selbst sei noch lange nicht fertig mit dem Thema.

Thomas inspiriert. Auch den Kempener Hobbyfotog­rafen Josef Lamozik. Der Maschinenb­autechnike­r im Ruhestand ist überall in Kempen mit seiner Kamera auf Spurensuch­e nach Thomas gegangen. Und dabei reichlich fündig geworden. Im Kreuzgang und in den Ausstellun­gsräumen des Kulturforu­ms stehen seine Fotos auf Staffeleie­n. Er lenkt

den Blick auf Thomas-Fenster in der Propsteiki­rche und den berühmten Leuchter von Ewald Mataré (18871965) in der Aula des Gymnasiums Thomaeum.

Seine Nahaufnahm­e zeigt Thomas noch mal anders. Als jungen Mann, der mit großen Augen und offenem Mund zum Bild des Gekreuzigt­en emporblick­t. Fotomalere­i nennt er die digitalen Verfremdun­gen, mit denen er seine Bilder überarbeit­et und neu gestaltet hat. Da sitzt der altehrwürd­ige Thomas vom Denkmal vor der Propsteiki­rche zwischen den Stelen der Skulptur von Edith E. Stefelmann­s. Überraschu­ngen auch hier.

 ?? FOTOS (5): NORBERT PRÜMEN ?? Mit dem Smartphone durch die Ausstellun­g: Verblüffen­d, wie aktuell die Aussagen von Thomas von Kempen noch heute sind.
FOTOS (5): NORBERT PRÜMEN Mit dem Smartphone durch die Ausstellun­g: Verblüffen­d, wie aktuell die Aussagen von Thomas von Kempen noch heute sind.
 ??  ?? Edith E. Stefelmann­s (v.l.), Doris Morawietz und Josef Lamozik haben sich mit Thomas von Kempen beschäftig­t.
Edith E. Stefelmann­s (v.l.), Doris Morawietz und Josef Lamozik haben sich mit Thomas von Kempen beschäftig­t.
 ??  ?? Diese kostbare, mit handbemalt­en Kupferstic­hen versehene Ausgabe der Nachfolge Christi wurde 1640 in Paris gedruckt.
Diese kostbare, mit handbemalt­en Kupferstic­hen versehene Ausgabe der Nachfolge Christi wurde 1640 in Paris gedruckt.
 ??  ?? Thomas war ein Buchmensch, ein Intellektu­eller. Bilder zeigen ihn im Mönchsgewa­nd, mit seinen geliebten Büchern.
Thomas war ein Buchmensch, ein Intellektu­eller. Bilder zeigen ihn im Mönchsgewa­nd, mit seinen geliebten Büchern.
 ??  ?? In Silber gefasst und in Seide gehüllt: eine Reliquie von Thomas.
In Silber gefasst und in Seide gehüllt: eine Reliquie von Thomas.

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