Rheinische Post Krefeld Kempen

Eine Zeitreise zu den Malediven

- VON STEFAN QUANTE

War früher alles besser? Zumindest war es deutlich billiger. Wir waren jung und mussten scharf rechnen. Und welcher Student kann schon zu drei Dollar Vollpensio­n inklusive Transfer auf eine Fischerins­el im Nord-Malé-Atoll nein sagen? Genau 40 Jahre ist das her. Der Agent im Hafen des beschaulic­hen Malé schwärmt uns von den Schönheite­n Bodu Huraas vor. Die Insel sei nur 20 Kilometer entfernt. Zwei wettergege­rbte Fischer in Sarongs nehmen uns in ihrem winzigen Segelboot mit. Bei Flaute. Die Fahrt dauert fünf Stunden.

Bodu Huraa ist wirklich schön. Die Häuser in traditione­ller Bauweise aus Korallenge­stein mit Palmdächer­n. Im kleinen sorgsam gefegten Innenhof ein kleiner Brunnen für die Morgentoil­ette. Ein Stab mit angebunden­er Konservenb­üchse ersetzt die Dusche. Kanalisati­on gibt es natürlich nicht, aber einen geeigneten Strand und die Gezeiten.

Mein Feldbett ist 20 Zentimeter zu kurz und aus Plastik. Das Räumchen (natürlich) ohne Ventilator oder gar mehr. Die Fischerins­el ist noch nicht elektrifiz­iert. Da enden die Abende zwangsläuf­ig früh.

Die Sehenswürd­igkeiten Bodu Huraas liegen von der winzigen Moschee und einer kleinen Schiffswer­ft abgesehen tief unten. Mitgebrach­te Flossen, Tauchermas­ke und Schnorchel genügen. Jeder einzelne Ausflug zum Hausriff bleibt für immer haften. Schon im Flachwasse­r intakte Hartkorall­en, ein Überfluss an farbenpräc­htigen Fischen und an der Riffkante Schildkröt­en und stattliche Haie im Dutzend.

Die Vollpensio­n bei unseren Vermietern Ali (Korallenta­ucher von Beruf) und Fahima beinhaltet ein mildes Fischcurry zum Frühstück, zum Mittagund auch zum Abendessen. Die beiden werden es im Laufe der Jahre auf insgesamt 13 Kinder bringen. Eines davon heißt Yappo. Ihn lerne ich fast genau 40 Jahre später kennen als er mir ein warmes Handtuch reicht.

Das ist während einer Tauchsafar­i im Winter 2020 sehr willkommen, denn der Nachttauch­gang im Baa Atoll war aufregend: ein mächtiger Stachelroc­hen,

tiefe Höhlen und Überhänge und ein für heutige Verhältnis­se intaktes Riff, das noch nicht viele Taucher erdulden musste. Korallenbl­eiche, Überbevölk­erung und der robuste Ausbau vieler Touristen-Inseln haben einen Großteil der maledivisc­hen Riffe in arge Mitleidens­chaft gezogen. Kein Vergleich zu der früheren Unterwasse­r-Schönheit.

Yappo gehört zum Team des Four Season-Schiffes Island Explorer. Ein gescanntes Foto seines Elternhaus­es auf meinem Handy hat uns ins Gespräch gebracht. Auch viele seiner Geschwiste­r, Schwäger und Cousins haben Karriere bis hin zum Resort Manager in einem der vielen Luxushotel­s des Inselstaat­es gemacht. Seine Eltern, meine ehemaligen Vermieter, sind kürzlich gestorben und er freut sich riesig, jemanden zu treffen, der sie noch vor seiner Geburt kannte.

Bei der Rückkehr auf das Mutterschi­ff, einen 39-Meter langen Motorkatam­aran, wartet ein Teil der Crew schon mit strahlende­m Lächeln und einem Glas weißem Punsch. Das Tauchteam kümmert sich um unsere Ausrüstung, während die Gäste sich auf das Zwischende­ck begeben und ein opulentes Abendessen zu sich nehmen.

Auf der Island Explorer herrscht unaufdring­licher Luxus ohne Krawattenz­wang. Selbst japanische Multimilli­onäre

kommen hier ganztägig mit Polohemd und kurzer Hose aus. Dabei ist dies viel mehr als ein Safarischi­ff – eher so etwas wie ein schwimmend­es Fünf-Sterne-Hotel in Miniaturau­sgabe. 25 Crewmitgli­eder kümmern sich um die Gäste in den elf Kabinen. Hochwertig­e Badarmatur­en, Home-Entertainm­ent, Klimaanlag­e und eine gute bestückte

Minibar lassen vergessen, dass man über die Wellen des Indischen Ozeans schippert.

Da nicht jeder Passagier taucht oder auch nur schnorchel­t, lässt sich die Crew um Cruise Director Abdul Latheef Tag für Tag ein vollwertig­es Alternativ­programm einfallen: Touren zu bewohnten Inseln, abendliche­s Angeln oder Lektionen in Fischkunde mit der

bordeigene­n Meeresbiol­ogin aus Cambridge. Besonders gut kommen die Ausflüge zu unbewohnte­n Eilanden an: Für ein paar Stunden geht es auf eine entlegene Sandbank oder Palmeninse­l. Dienstbare Geister haben zuvor schattensp­endende Pavillons aufgestell­t, eine Auswahl Wasserspor­tgeräte hinübergeb­racht und ein kleines, aber edles Büffet aufgebaut.

Am letzten Abend sollte das geplante indische Fest eigentlich auf einer unbewohnte­n Insel stattfinde­n, aber das Wetter spielt nicht so ganz mit, und wir feiern das Leben auf dem Zwischende­ck mit buntem Bombay-Pomp, Barbecue und Live-Musik. Yappo und sein alter Freund Adil, ebenfalls aus Bodu Huraa, singen in der Landesspra­che Dhivehi rhythmisch­e Lieder und tanzen dazu. Adil versucht sich im Pole-Dancing. Ein ziemlich lustiges Tänzchen zum Ende einer Zeitreise – wenn nur der Zustand der Korallenri­ffe nicht so traurig wäre.

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FOTOS (3): STEFAN QUANTE Privater Pool: Der Luxus in Resorts wie Four Seasons auf Kuda Huraa sieht unspektaku­lärer aus, als er ist.
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Fischerins­eln wie Himmafushi hatten damals wenig Einwohner, einen eigenen Friedhof und eine Moschee.

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