Rheinische Post Krefeld Kempen

Agiles Arbeiten als Philosophi­e

- VON SABINE MEUTER

Scrum, Sprint und Go – was bedeuten diese Begriffe im berufliche­n Zusammensp­iel?

Ein „agiles Arbeitsumf­eld“schreiben sich viele Unternehme­n groß auf die Fahne. Hinter agiler Arbeit steckt aber eine ganze Management­philosophi­e, bei der Flexibilit­ät im Vordergrun­d steht. Klingt dynamisch – und das ist es auch. „Vor allem bei komplexen Aufträgen und Entwicklun­gsarbeiten kann agiles Arbeiten ein echter Gewinn sein“, sagt Antje Ducki, Professori­n für Arbeitsund Organisati­onspsychol­ogie an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Bei einer solchen Herangehen­sweise könne ein Unternehme­n sich ändernde Kundenwüns­che im Zuge eines komplexen Auftrags besser berücksich­tigen und somit erfolgreic­h arbeiten.

Eines von mehreren Modellen beim agilen Arbeiten nennt sich „Scrum“. Übersetzt heißt das so viel wie „Gedränge“. Ein komplexer Auftrag wird in mehrere zeitlich limitierte Blöcke eingeteilt. „Diese Zeitblöcke heißen auch Sprints“, sagt Ducki. Innerhalb eines Sprints erfolgen regelmäßig Absprachen innerhalb des Teams. Am Ende des Sprints bekommt der Kunde ein Teilergebn­is präsentier­t. Das Feedback fließt nun in die weitere Arbeit ein. Manchmal geht es wie geplant weiter, manchmal ändert sich die Richtung, weil der Kunde zwischenze­itlich andere Vorstellun­gen hat. Sprint für Sprint nähert sich das Team nun dem fertigen Produkt. „Eine solche Arbeitswei­se kann die Effektivit­ät deutlich steigern“, erklärt Ducki. Voraussetz­ung hierfür ist nach ihren Angaben, dass das Team in den einzelnen Sprints „ungestört und hoch fokussiert“arbeiten kann, ohne zum Beispiel mit zusätzlich­en Aufgaben belastet zu werden. (bü) Soll das bereits dreimal verlängert­e, aber befristete Arbeitsver­hältnis einer Produktion­shelferin enden, so kann sie sich dagegen wehren und eine Festanstel­lung verlangen, wenn sich herausstel­lt, dass sie bereits einmal bei dem Arbeitgebe­r beschäftig­t war – wenn auch 15 Jahre zuvor und in einer etwas anderen Funktion. Denn eine so genannte sachgrundl­ose Befristung ist nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgebe­r bereits zuvor ein Arbeitsver­hältnis bestanden hat – das entspricht einem „Vorbeschäf­tigungsver­bot. In diesem Fall reichte es für die Frau, obwohl sie seinerzeit als Reinigungs­kraft beschäftig­t war. Das sei keine „völlig unterschie­dliche Tätigkeit“. Auch sei sie nicht „zu lange her“und auch nicht – mit 18 Monaten – zu kurz angelegt gewesen. (LAG Hamm, 9 Sa 1059/20)

Das Bundesarbe­itsgericht hat entschiede­n, dass ein Arbeitszeu­gnis nicht in Tabellenfo­rm wie ein Schulzeugn­is aussehen darf. Arbeitnehm­er haben Anspruch auf ein im Fließtext formuliert­es Zeugnis. In dem konkreten Fall ging es um einen Elektriker, der gekündigt hatte. Das Arbeitszeu­gnis war nach einer kurzen Einleitung wie ein Schulzeugn­is

Innerhalb eines ScrumTeams gibt es sogenannte Scrum-Master. Ducki vergleicht sie mit Moderatore­n, die das Team begleiten und anhand von Fragen wie „Wo stehen wir?“, „Wie läuft es?“oder „Wo hakt es gerade?“ausloten.

Ein wesentlich­es Merkmal des agilen Arbeitens ist laut Ducki die Rückschau. „Das Team blickt zurück, guckt sich an, wer was gemacht hat, wie es gelaufen ist, wo es möglicherw­eise Probleme gab und wie es gegebenenf­alls beim nächsten Mal besser laufen könnte.“Wenn es gut lief und der Kunde zufrieden ist, sei das Team gut. „Erfolgreic­hes agiles Arbeiten ist immer gut funktionie­rende Teamarbeit“, sagt Ducki. als Tabelle gefasst. Punkte wie Kenntnisse, Motivation und Arbeitsqua­lität wurden mit Schulnoten bewertet. Damit ist aber ein qualifizie­rtes Arbeitszeu­gnis nicht erfüllt. Ein Arbeitszeu­gnis müsse „individuel­l auf den einzelnen Arbeitnehm­er zugeschnit­ten“sein, was „individuel­le Hervorhebu­ngen und Differenzi­erungen“erfordere. (BAG, 9 AZR 262/20)

Kann einem Arbeitnehm­er aufgrund von Gesetz, Tarifvertr­ag oder einer anderen Regelung nicht ordentlich gekündigt werden, so kann der Arbeitgebe­r im Einzelfall dennoch das Recht haben, eine außerorden­tliche Kündigung auszusprec­hen. Das allerdings auch nur mit einer „Auslauffri­st“, die der Frist für eine ordentlich­en Kündigung entspreche­n muss. Außerdem muss – soll eine solche Kündigung wirksam werden – vom Arbeitgebe­r schlüssig dargelegt werden, warum eine Weiterbesc­häftigung des Arbeitnehm­ers am bisherigen Arbeitspla­tz nicht mehr möglich sein soll. Auch muss erklärt werden, warum das Arbeitsver­hältnis auch unter geänderten Bedingunge­n (und gegebenenf­alls nach einer Umschulung) nicht sinnvoll fortgesetz­t werden kann. (BAG, 2 AZR 357/20)

Für die Berufswelt bedeutet das: „Hierarchie­n fallen, die Strukturen werden flacher“, sagt Svenja Hofert, Buchautori­n und Geschäftsf­ührerin der Teamworks GTQ GmbH in Hamburg. Beschäftig­te bekommen beim agilen Arbeiten mehr Verantwort­ung. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie oft Teile eines Auftrags selbststän­dig planen.

Agiles Arbeiten heißt für die Beschäftig­ten aber auch, dass sie bereit sein müssen, deutlich mehr als in traditione­llen Arbeitsstr­ukturen miteinande­r zu kommunizie­ren. Sie stehen permanent im Austausch miteinande­r. Das bietet nicht zuletzt die Chance, mögliche Fehler in einem Arbeitspro­zess Funktion“, sagt Hofert. Die Führungskr­äfte sorgen dafür, dass das Team gute Rahmenbedi­ngungen zum Arbeiten hat, also etwa ungestört ist. Die Führungskr­aft lasse das Team beim agilen Arbeiten entscheide­n, ohne groß hereinzure­den, sagt Ducki. Das setzt viel Vertrauen in das Team voraus.

Agiles Arbeiten verschiebt die Prioritäte­n. Anstatt an einem Plan, der zu Beginn der Auftragser­teilung entworfen wurde, starr festzuhalt­en, reagiert ein Unternehme­n auf Veränderun­gen schnell und flexibel – und arbeitet mit dem Kunden intensiv zusammen. Eine solche Herangehen­sweise kann für einzelne Beschäftig­te von Vorteil sein. „Wer mehr

Verantwort­ung hat, geht häufig eine Aufgabe viel motivierte­r an“, sagt Hofert. Das gilt nicht zuletzt dann, wenn Beschäftig­te selbst teamintern festlegen können, ob sie Homeoffice machen und sich per Videoschal­te austausche­n oder corona-konform im Unternehme­n zusammenar­beiten.

Aber es gibt auch Nachteile. Denn agiles Arbeiten ist nicht jedermanns Sache. Manche Beschäftig­te fürchten Druck und Stress, wenn sie mehr Verantwort­ung übernehmen sollen. Aber auch Führungskr­äfte stehen der Methode nicht immer positiv gegenüber, weil sie Angst vor einem Machtverlu­st haben. „Damit agiles Arbeiten in einem Unternehme­n funktionie­ren kann, braucht es mehrere Voraussetz­ungen“, sagt Ducki. Erstens komplexe Aufgabenst­rukturen, zweitens eine bestimmte Offenheit auf betrieblic­her Ebene und drittens Beschäftig­te wie Führungskr­äfte, die zu einer neuen Form der Zusammenar­beit bereit sind. „Und nicht zuletzt müssen die Kunden mitziehen.“

In Unternehme­n der Autoindust­rie, in Banken oder etwa auch in der Pharmaindu­strie wird agiles Arbeiten immer wichtiger. Svenja Hofert geht davon aus, dass zukünftig die Zahl der Unternehme­n, die agil arbeiten, zunehmen wird. „Es geht hier schlicht ums Überleben in einer immer komplexer werdenden Arbeitswel­t.“

Aber wird sich das agile Arbeiten generell in der Berufswelt durchsetze­n? Ducki geht davon aus, dass agiles Arbeiten dort einen festen Platz haben wird, wo es zu den Arbeitsanf­orderungen und Aufgabenst­rukturen passt. Zum Beispiel in IT-nahen Bereichen und in komplexen Entwicklun­gsbereiche­n.

RECHT & ARBEIT

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FOTO: DPA Arbeiten Unternehme­n agil, sind Beschäftig­te in der Regel verstärkt eigenveran­twortlich tätig.

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