Rheinische Post Krefeld Kempen
Kita-Eltern schreiben Brandbrief
Der Elternrat der Kita St. Elisabeth in Willich-Schiefbahn will den Personalmangel in der Einrichtung nicht länger hinnehmen. In einem offenen Brief schildern sechs Mütter ihre Situation und machen Vorschläge.
WILLICH Den Eltern reicht's. Deswegen haben die Mitglieder des Elternrats der katholischen Kita St. Elisabeth in Schiefbahn einen großen Verteiler gewählt: Nicht nur an Pfarrer Jürgen Lenzen, Willichs Bürgermeister Christian Pakusch (CDU) und die CDU-Landtagsabgeordnete Britta Oellers richteten sie ihren Brandbrief, sondern auch gleich an NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP). „Wir haben den Eindruck, dass sonst nicht viel passiert“, sagt Elisabeth Klösters vom Elternrat. Der Grund für ihren Schritt: der massive Personalmangel in der Kita St. Elisabeth, die drei Gruppen hat.
Das kritisieren die Eltern
„Die MitarbeiterInnen leisten engagierte Arbeit im Sinne der Kinder, werden jedoch immer wieder davon ausgebremst, dass seit Jahren ErzieherInnenstellen unbesetzt bleiben, MitarbeiterInnen kurzfristig kündigen oder krankheitsbedingt ausfallen. Die Rahmenbedingungen lassen es kaum zu, jedes Kind individuell in den Blick zu nehmen. Das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen Elternhaus und Kita ist durch die Situation bedroht“, schreiben die Eltern. Der Brief sei kein Vorwurf oder gar Angriff gegen die Kita-Leitung oder den Träger, den Kirchengemeindeverband Willich, stellt die Elternratsvorsitzende Katrin Verhoeven klar. Im Gegenteil: „Das Personal ist mit ganzem Herzen dabei und gibt sich Mühe. Unser Brief hat den Zweck, dass sich politisch etwas ändert und der Erzieherberuf endlich die Anerkennung bekommt, die ihm gebührt.“Im Brandbrief heißt es: „Langfristig müssen die Rahmenbedingungen der Arbeit attraktiv sein und bleiben, dazu gehören auch ein verlässlicher Personalschlüssel und ein angemessenes, wertschätzendes Gehalt.“
In ihrem offenen Brief führen die Eltern aus, dass es in allen drei Gruppen der Kita St. Elisabeth massive Probleme gebe: In den vergangenen zwei Jahren hatte die „Löwenzahngruppe“neun Bezugserzieherinnen. Von einem dauerhaften, vertrauensvollen Verhältnis der Kinder zu einer Bezugsperson könne keine Rede sein. In der „Schmetterlingsgruppe“, die auch die Inklusionskinder besuchen, sei die Position des Inklusionshelfers nicht durchgängig besetzt gewesen. Dabei sei gerade in der Inklusionsgruppe Kontinuität äußerst wichtig. „Davon kann bei acht BezugserzieherInnen in zwei Jahren nur schwer die Rede sein“, schreiben die Eltern weiter. Und: In der „Regenbogengruppe“wurden in den ersten Wochen des aktuellen Kitajahres 14 Kinder zwischen 23 Monaten und drei Jahren eingewöhnt. „Dies erfolgte durch eine Vollzeit- und eine Teilzeitkraft. Durch krankheitsbedingten Ausfall fehlte die Vollzeitkraft in der dritten Woche; zuvor musste parallel der Telefondienst übernommen werden.“Eltern bräuchten Planungssicherheit und könnten nicht immer wieder ihre Kinder zu Hause betreuen, „wenn durch Ausfall von ErzieherInnen eine Notbetreuung ausgerufen wird.“
Das fordern die Eltern
Den Eltern ist bewusst, dass ihre Kita keine Ausnahme ist, was den Mangel an Fachkräften angeht – was die Sache für sie noch schlimmer macht. „Das ist Sache der Politik“, sagt Katrin Verhoeven. In ihrem Brief listen die Eltern denn auch eine Reihe von Vorschlägen und Forderungen auf. So müsse beim akuten Mangel an klassisch ausgebildeten Erziehern auch an anderes pädagogisch ausgebildetes Personal gedacht werden: Kinderpflegerinnen oder ausgebildete Tagesmütter beispielsweise. Zudem könnten Hausmeister oder Sekretärinnen das pädagogische Personal entlasten und Freiraum schaffen, „damit auch die Kita-Leiterinnen öfter mit in die Gruppen gehen können“, sagt Verhoeven.
Das sagt der Träger der Kita Marianne Heymowski, Koordinatorin des Kirchengemeindeverbands Willich, sagt, es habe bereits Gespräche mit Elternvertretern, Trägervertretern und Erzieherinnen gegeben, „der offene Brief war keine Überraschung“. Man verstehe diesen als Hilferuf der Elternschaft und als Unterstützung für den Träger und das Personal. Denn: „Den wiederholt auftretenden Personalmangel können wir bestätigen, da es aus den unterschiedlichsten Gründen immer wieder zu Fluktuationen kommt“– nicht nur in der Kita St. Elisabeth.
Dem Kirchengemeindeverband sei bewusst, dass die Situation schwerwiegende Folgen für die pädagogische Arbeit in der Einrichtung und in den Gruppen habe. Aber auch für das Personal seien die Phasen der Unterbesetzung besonders belastend. Ein Problem ist laut Heymowski, dass Langzeiterkrankungen und Schwangerschaften dazu führen, dass das Personal auch von „besetzten“Stellen de facto nicht einsetzbar ist. Wegen der Lage auf dem Arbeitsmarkt stünden kaum Bewerberinnen und Bewerber zur Übernahme einer befristeten Vertretung zur Verfügung. „Wir gehen davon aus, dass mit der zusätzlichen Errichtung von Kitas ein erheblicher Personalmangel in den nächsten Jahren zu erwarten ist.“Es fehlten nicht nur Interessenten für den Ausbildungsgang Erzieher, sondern auch Plätze für den fachtheoretischen Teil der Ausbildung. „Unseres Erachtens ist eine Reform der Erzieherinnenausbildung dringend erforderlich. Um kurzfristig Abhilfe zu schaffen, wäre es möglicherweise hilfreich, Tagesmütter als Kinderpflegerinnen einsetzen zu dürfen, wie es in Großtagespflege üblich ist“, so Heymowski.
Das sagt der Bürgermeister
Willichs Bürgermeister Christian Pakusch sagt, er sei sich des Problems bewusst. Bis vor einiger Zeit seien Erzieherstellen der städtischen Kitas oft unabhängig von einer Vertretung zeitlich befristet ausgeschrieben worden. „Doch das ist für die Bewerber natürlich unattraktiv. Alle Seiten – und vor allem die Kinder – brauchen Kontinuität“, sagt Pakusch. Zudem sei man dabei, das Auswahl- und Bewerbungsverfahren zu verbessern, denn daran habe es Kritik gegeben. Die Stadt habe in allen Bereichen eine Ausbildungsinitiative
gestartet, um sich als Arbeitgeber attraktiv zu machen und Fachkräfte an sich zu binden. „Aber ich kann leider niemandem Hoffnung machen, dass die Stadt das Problem von heute auf morgen lösen wird.“
So ist die Lage in Willich
Von den 28 Kitas in der Stadt befinden sich zwölf in städtischer Trägerschaft. In den städtischen Einrichtungen gibt es 162,3 Stellen, die aufgrund der hohen Teilzeitquote von 205 Mitarbeitenden wahrgenommen werden. Aktuell sind 2,8 Stellen unbesetzt, „allerdings gelingt es vermehrt, nur noch Mitarbeitende mit längerem Zeitverzug einzustellen, so dass momentan 6,1 Stellen nicht besetzt sind“, teilt Christel Holter, stellvertretende Leiterin des Betriebs Tagesbetreuung für Kinder, mit. Ab Mitte Oktober werden erneut Alltagshelfer in den Tageseinrichtungen eingesetzt, um den besonderen Hygieneauflagen und organisatorischen Anforderungen in Hinblick auf Corona besser nachzukommen, sagt Holter. Da das Förderprogramm des Landes ausgelaufen ist, werden dafür städtische Mittel aufgebracht. Die Einstellung ist zunächst für sechs Monate geplant.
So geht es weiter
Ein wenig Hoffnung, dass sich die Lage zumindest in der Kita St. Elisabeth entspannt, können sich die Eltern aber machen: „Nach einer gerade vorgenommenen Neueinstellung sind zum 1. Januar 2022 wieder alle Stellen besetzt“, teilt Marianne Heymowski mit. Die Eltern fordern eine Reaktion der Adressaten ihres Brandbriefs bis zum 15. Oktober.