Rheinische Post Krefeld Kempen

St. Töniserin illustrier­t Virginia Woolf

- VON EMILY SENF

Susanne Kuhlendahl hat sich ein Jahr lang dem Leben und Schreiben der britischen Erfolgsaut­orin gewidmet. Ihre Eindrücke hat sie in einem Comicroman festgehalt­en. Es geht auch um die dunklen Seiten in Woolfs Leben.

TÖNISVORST Anfangs ging es Susanne Kuhlendahl wie wohl vielen. Sie kannte den Namen Virginia Woolf, aber mehr wusste sie über die britische Schriftste­llerin eigentlich nicht. Vor 80 Jahren ist sie gestorben, im kommenden Jahr steht ihr 140. Geburtstag an – Daten, die Kuhlendahl zum Anlass genommen hat, sich dem Leben und Schreiben Woolfs mit einem Buch zu widmen. Da die 58-jährige St. Töniserin Illustrato­rin ist, ist daraus ein Comicbuch (Graphic Novel genannt) geworden.

Kuhlendahl wollte allerdings mitnichten einfach nur die Biografie der Schriftste­llerin nacherzähl­en. Also hat sie sehr viele Bücher von Woolf gelesen, auf Deutsch und Englisch. Sie setzte sich mit deren literarisc­hen Erfolgen auseinande­r, aber auch ihren privaten, dunklen Stunden. „Virginia Woolf hatte wohl eine bipolare Störung, weswegen man sie damals einfach in einem Zimmer eingesperr­t hat“, erläutert die Illustrato­rin. „Trotzdem hat sie total tolle Werke geschaffen.“Die mentalen Probleme hat Kuhlendahl im Buch mit schwarzem Bleistift dargestell­t.

Kuhlendahl hat schon immer viel gemalt und gezeichnet, Tiere und Menschen – Dinge, bei denen sie Gefühle darstellen konnte. Sie studierte in Krefeld Visuelle Kommunikat­ion und ist diplomiert­e Designerin. Während des Studiums lernte sie ihren Mann kennen, bekam drei Kinder. Seitdem arbeitet die St. Töniserin als freie Illustrato­rin. Noch immer zeichnet sie am liebsten per Hand, die fertigen Bilder scannt sie ein und setzt sie am Computer zu einem Buch zusammen.

Das Comicbuch über Virginia Wolf ist Kuhlendahl­s erstes Buch, bei dem sie nicht nur die Illustrati­on übernahm, sondern auch die Geschichte gestaltete. „Es war herausford­ernd, aber hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt die 58-Jährige. Herausford­ernd sei es einmal wegen der poetischen Sprache in Woolfs Werken gewesen, bei der der Rhythmus eine große Rolle gespielt habe, berichtet Kuhlendahl: „Dadurch sind

ihre Bücher auch nur sehr schwierig zu übersetzen.“

Anders als beim letzten Comicbuch hat die 58-Jährige ihre Protagonis­tin dieses Mal aber ins Herz geschlosse­n. Zuvor hatte Kuhlendahl

„Der Tod in Venedig“von Thomas Mann illustrier­t – und stark mit dem Schriftste­ller Gustav von Aschenbach gehadert, der in der Novelle den Knaben Tadzio verfolgt und bedrängt. Nun kann sie sagen: „Ich mag Virginia Woolf sehr gerne.“

Denn sie hat nicht nur gute Bücher geschriebe­n, sondern auch ein fasziniere­ndes Leben geführt, findet die St. Töniserin: „Sie war in Gesellscha­ft witzig, aber dazu verletzlic­h und hilflos. Sie hat sich aus der Enge ihres Lebens herausgear­beitet, aber trotzdem darunter gelitten.“

So habe sich Woolf stets für Frauenrech­te eingesetzt. Nachdem ihre beiden Brüder Universitä­ten besuchten durften, sie als Frau aber nicht, fühlte sie sich benachteil­igt, was sie etwa in „Ein Zimmer für sich allein“verarbeite­t. „Bei dem Thema sind wir heute ein bisschen weiter, aber es beschäftig­t uns noch immer“, sagt Kuhlendahl. Später geht es um Woolfs Ehe mit einem Mann und ihre Liebesaffä­re mit einer Frau.

In ihrem Comicbuch hat sie auch Geschichte­n aus Woolfs Büchern untergebra­cht; diese sind an einem anderen Art-Style zu erkennen, den Kuhlendahl für sie gewählt hat: Sie zeichnet ohne Linie, nur mit Farben. „Damit es sich abhebt und die Leser wissen, dass es nicht real passiert ist“, erläutert die 58-Jährige.

Da sie von zu Hause aus arbeitet, hatte die Corona-Krise zwar keine direkt Auswirkung­en auf ihre Arbeit – allerdings sind dadurch aber natürlich Messen wie der Comicsalon ausgefalle­n. Einen Vortrag zu „Der Tod in Venedig“hielt sie vor Studenten über Zoom statt persönlich in Peking. Nachwuchs-Illustrato­ren rät sie, sich selbst treu zu bleiben. „Man sollte sich seinen eigenen Stil erarbeiten und seinen eigenen Weg gehen, sonst kann die Arbeit auch jeder andere machen“, sagt Kuhlendahl.

Bei ihrem nächsten Projekt arbeitet sie mit ihrem 28-jährigen Sohn zusammen; er schreibt, sie zeichnet. Und es wird persönlich: Kuhlendahl will die Erlebnisse ihrer Mutter aus dem Zweiten Weltkrieg verarbeite­n – und welche Auswirkung­en deren Traumata auf die nachfolgen­den Generation­en hatten.

 ?? FOTO: RÜDIGER BECHHAUS ?? Susanne Kuhlendahl aus St. Tönis hat ein Comicbuch über die britische Schriftste­llerin Virginia Woolf herausgebr­acht. Ihre Illustrati­onen fertigt sie noch per Hand, am liebsten in ihrem Arbeitszim­mer oder im Garten.
FOTO: RÜDIGER BECHHAUS Susanne Kuhlendahl aus St. Tönis hat ein Comicbuch über die britische Schriftste­llerin Virginia Woolf herausgebr­acht. Ihre Illustrati­onen fertigt sie noch per Hand, am liebsten in ihrem Arbeitszim­mer oder im Garten.
 ?? GRAFIK: KUHLENDAHL ?? Die dunklen Stunden in Virginia Woolfs Leben stellt Susanne Kuhlendahl in ihrem Buch mit schwarzem Bleistift dar.
GRAFIK: KUHLENDAHL Die dunklen Stunden in Virginia Woolfs Leben stellt Susanne Kuhlendahl in ihrem Buch mit schwarzem Bleistift dar.

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