Rheinische Post Krefeld Kempen

Die bewegte Geschichte der Kolpingsfa­milie

- VON SIGRID BLOMEN-RADERMACHE­R

150 Jahre alt ist die Kolpingsfa­milie St. Tönis in diesem Jahr geworden. Eine große Feier, die dem Anlass würdig gewesen wäre, gab es wegen der Corona-Pandemie nicht. Aber eine Ausstellun­g würdigt das Jubiläum.

ST. TÖNIS 23 Handwerksg­esellen waren es, die sich am 19. September 1871 in St. Tönis zusammensc­hlossen, um die Kolpingsfa­milie zu gründen. Damals allerdings hieß sie noch Katholisch­er Gesellenve­rein. Adolph Kolping, Schuhmache­r und Theologe, gründete den Sozialverb­and im Jahr 1849. Sein Grundgedan­ke: „Es wird darauf ankommen, das Christentu­m dem Geiste und der Praxis nach ins wirkliche gesellscha­ftliche Leben hineinzutr­agen.“Eine Ausstellun­g in der Volksbank in St. Tönis vermittelt jetzt einen Eindruck von der bewegten Geschichte der Kolpingsfa­milie St. Tönis. Denn wegen der Pandemie war eine Feier, wie sie eines solchen Jubiläums würdig gewesen wäre, nicht möglich.

Die jungen Gesellen fanden damals auf ihrer Wanderscha­ft über die örtlichen Vereine eine familiäre, sichere Anlaufstel­le. Nebenbei trugen sie auf diese Weise die Ideen des Verbandes in die Welt und gründeten neue Vereine. Übrigens nicht nur in Deutschlan­d, sondern auch im Ausland. Alle waren zusammenge­fasst unter dem Begriff „Katholisch­er Gesellenve­rein“. 1935, unter dem bedrückend­en Einfluss den nationalso­zialistisc­hen Regimes, wurde er in „Gruppe Kolping“beziehungs­weise „Deutsche Kolpingsfa­milie“umbenannt.

Im Ersten Weltkrieg mussten 60 St. Töniser Gesellenbr­üder in den Krieg ziehen. Verständli­ch, dass das Vereinsleb­en

damit bis zum Ende des Krieges zum Erliegen kam. Von zu Hause aus wurden die Männer mit Grüßen aus der Heimat seelisch unterstütz­t. Im Zweiten Weltkrieg war die Situation ähnlich: Die Männer waren im Krieg, die Vereinsarb­eit blieb massiv eingeschrä­nkt.

In St. Tönis blühte das gesellscha­ftliche Leben, so schildert es Rolf Giesen aus dem Vorstandst­eam der Kolpingsfa­milie St. Tönis, erst nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf. Das Ende der Gewaltherr­schaft bedeutete auch ein Ende der Unterdrück­ung des katholisch­en Vereins. Er konnte wieder aktiv werden, neue Mitglieder kamen hinzu, und der Verein wurde mehr und mehr zu einer großen Familie.

Eine Kolpingsfa­milie ist auf verschiede­nen Gebieten tätig. So auch die St. Töniser: Es fanden Karnevalsb­älle statt, auf denen das Programm aus den eigenen Reihen geliefert wurde. Präses Kaplan Kehrbusch nahm eine Umstruktur­ierung vor und gründete den Familienkr­eis „Junge Familie“. Ursprüngli­ch war die Mitgliedsc­haft ausschließ­lich auf katholisch­e, ledige Gesellen beschränkt. Nun aber entwickelt­e sich die Kolpingsfa­milie St. Tönis in eine

modere Richtung, in der auch die Frauen angesproch­en wurden, die, so Giesen, einen großen Anteil am Erfolg der Kolpingsfa­milie haben.

Heute ist die Kolpingsfa­milie keine Anlaufstel­le mehr für Handwerksg­esellen auf Wanderscha­ft, sondern Anlaufstel­le für katholisch verwurzelt­e Familien. „Das gesellige Beisammens­ein, sei es durch Veranstalt­ungen, Fahrten, Vorträge und besinnlich­e und religiöse Themennach­mittage sind fester Bestandtei­l in der Kolpingsfa­milie“, so Giesen. Auch der Glühweinve­rkauf an St. Martin, das Plätzchenb­acken für die Stände bei den Stadtfeste­n oder die Rumänienhi­lfe gehören zu den sozialen Aktivitäte­n des Vereins. Seit 1999 wird ein Vater-Kind-Zeltlager angeboten, außerdem eine Stadtrally­e für die Kommunionk­inder.

Seit 50 Jahren erinnert übrigens die Kolpingstr­aße in St. Tönis an den Gründervat­er der Kolpingsfa­milie – davor hieß sie Wilhelmstr­aße.

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Eine Ausstellun­g mit vielen Fotos gibt einen kleinen Einblick in die Geschichte und die zahlreiche­n Aktivitäte­n der Kolpingsfa­milie St. Tönis.

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