Rheinische Post Krefeld Kempen
Bei der Flüchtlingsaufnahme sind zwölf Länder am Limit
BRÜSSEL/BERLIN Die Flüchtlingssituation in Europa spitzt sich offenkundig erneut zu. „Die Ankünfte über fast alle Routen nehmen zu, verstärkt über die Balkanroute“, sagte EU-Innenexpertin Lena Düpont unserer Redaktion. Sie reagierte damit auf Meldungen, wonach sich derzeit in Deutschland die Mehrzahl der Bundesländer nicht mehr in der Lage sieht, am Erstverteilungssystem teilzunehmen. Zwölf Bundesländer haben laut Bundesinnenministerium eine entsprechende Sperre aktiviert. Allerdings stellten die verbliebenen Länder noch eine Verteilung von eintreffenden Flüchtlingen sicher. Die Sperren hätten zum Teil auch mit Engpässen aufgrund von Corona-Ausbrüchen in Einrichtungen zu tun, erläuterte eine Sprecherin.
Die Reaktion der Länder sei „mehr als verständlich“, sagte die EVP-Politikerin Düpont. Erstmals trügen insbesondere die Kommunen die gesamte Verantwortung. Vor allem die Unterbringung stelle viele vor große Herausforderungen. Parallel dazu weitere Anreize zu schaffen, wie sie der Koalitionsvertrag und die ersten Vorschläge im Bereich Asyl und Anerkennung vorsehen, mache die Ausgangslage zusätzlich angespannt.
Zu Schuljahresbeginn machte sich zudem verstärkt bemerkbar, dass vor allem Frauen, Kinder und Jugendliche aus der Ukraine Zuflucht in Deutschland gefunden hatten. Allein in NRW hatten zu Beginn des neuen Schuljahres mehr als 2100 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine noch keinen Schulplatz zugewiesen, rund 33.000 werden bereits unterrichtet.
Nach Informationen des Innenministeriums in Berlin waren seit Beginn des russischen Angriffskrieges bis August fast 970.000 Ukrainerinnen und Ukrainer als Flüchtlinge in Deutschland registriert, davon war mehr als jeder Dritte (351.000) minderjährig. Zugleich wies Innenministerin Nancy Faeser darauf hin, dass ukrainische Flüchtlinge in erheblichem Umfang entweder in andere EU-Staaten weitergereist oder auch bereits in ihre Heimat zurückgekehrt sein könnten. Das UNFlüchtlingshilfswerk schätzt die Zahl der Ukraine-Rückkehrer auf etwa 3,8 Millionen.
Um Unterstützung von Flüchtlingen innerhalb der Ukraine ging es auch in einem Gespräch zwischen Entwicklungsministerin Svenja Schulze und dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal am Sonntag in Berlin. Ihr Haus hatte unmittelbar nach Kriegsbeginn ein Sofortprogramm über 185 Millionen Euro aufgelegt, um Flüchtlinge innerhalb der Ukraine unter anderem mit Strom, Wasser und Unterkünften zu versorgen. Die Anstrengungen sollen nun um einen weiteren dreistelligen Millionen-Betrag ausgeweitet werden.