Rheinische Post Krefeld Kempen
Erdogan droht Griechenland mit Angriff
Der türkische Präsident stellt die Souveränität über die Ägais-Inseln infrage und macht Nato-Partnern Vorwürfe.
SAMSUN/ISTANBUL Kritik an Griechenland sind die Türken von ihrem Präsidenten gewohnt. Doch was Recep Tayyip Erdogan am Wochenende über den Nachbarn und Nato-Partner zu sagen hatte, übertrifft alle bisherigen Drohungen. Erdogan stellte erstmals die griechische Souveränität über Inseln in Ägäis und Mittelmeer infrage und drohte mit einem Angriffskrieg zur Eroberung der Inseln. Seine Landsleute schwor er auf einen harten und verlustreichen Kampf gegen den Westen ein. Selbst nationalistische Erdogan-Fans waren überrascht. Für seine Drohung suchte sich Erdogan einen Auftritt bei einer Rüstungsausstellung am Samstag in
Samsun an der Schwarzmeerküste aus. Der türkisch-griechische Dauerstreit um Hoheitsansprüche in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer war in den vergangenen Tagen eskaliert. Die griechische Luftabwehr nahm nach Angaben Ankaras türkische Kampfflugzeuge bei einem Aufklärungsflug bei Rhodos ins Visier. Die Türkei hat sich deshalb bei der Nato beschwert, aber Athen weist den Vorwurf zurück.
Am 9. September jährt sich die Eroberung der Küstenstadt Smyrna (heute Izmir) durch die türkische
Armee. „Hey Grieche, erinnere dich an die Geschichte“, sagte Erdogan am Samstag in Anspielung auf die griechische Niederlage vor 100 Jahren: „Wenn du noch viel weitergehst, wirst du einen hohen Preis bezahlen.“An Griechenland richte Erdogan nur einen Satz: „Vergesst Izmir nicht!“
Auch den türkisch-griechischen Streit um Dutzende Inseln in Ägäis und Mittelmeer sprach Erdogan an. Dabei geht es um Lesbos, Chios, Samos und Ikaria vor der türkischen Westküste sowie die Dodekanes-Inseln, die ebenfalls nahe der türkischen Küste liegen und Griechenland gehören – die größte davon ist Rhodos. Nach türkischer Auffassung verstößt Griechenland mit Truppenstationierungen gegen Auflagen, unter denen es die Inseln nach den Weltkriegen erhalten hatte. Schon im Juni hatte Erdogan den Griechen deshalb mit Krieg gedroht.
„Dass ihr die Inseln besetzt habt, bindet uns nicht die Hände“, sagte Erdogan jetzt an die Griechen gerichtet und signalisierte damit, dass er die griechische Hoheit über die Inseln nicht mehr anerkennt. „Wenn die Zeit und die Stunde gekommen sind, werden wir das Notwendige tun“, fügte er hinzu: „Wie wir immer sagen: Eines Nachts können wir ohne Vorwarnung kommen.“Mit diesem Satz hatte Erdogan in den vergangenen Jahren mehrmals Militärinterventionen in Syrien und im Irak angekündigt, die dann auch stattfanden.
Der Nato-Führungsmacht USA warf Erdogan vor, Griechenland mit Waffen zu versorgen. Außerdem könne der Prediger Fethullah Gülen ungestört in Amerika leben; Erdogan beschuldigt Gülen, den Putschversuch von 2016 organisiert zu haben. „Wir müssen sehr genau wissen, wer unser Freund ist und wen wir gegen uns haben“, sagte der Präsident.
Das griechische Außenministerium erklärte, Athen werde Verbündete und Partner über die „provokativen“Äußerungen des türkischen Präsidenten unterrichten, damit jeder wisse, wer „mit Dynamit gegen den Zusammenhalt unserer Allianz“vorgehe.