Rheinische Post Krefeld Kempen

Zivilcoura­ge mit dem Leben bezahlt

- VON CLAUDIA HAUSER

Malte C. starb nach einem Angriff am Rande des CSD in Münster. Die Anteilnahm­e ist groß. Der mutmaßlich­e Täter ist in Haft, laut Staatsanwa­ltschaft ist er wegen Körperverl­etzung bereits „einschlägi­g in Erscheinun­g getreten“.

MÜNSTER Er zeigte Zivilcoura­ge, stellte sich schützend vor drei Frauen und bezahlte am Ende mit seinem Leben: Malte C., 25 Jahre alt, starb am 2. September in einer Klinik, nachdem er am Rande der Christophe­r-Street-Day-Versammlun­g in Münster eine Woche zuvor von einem jungen Mann angegriffe­n und niedergesc­hlagen worden war. Seine Kopfverlet­zungen durch den Aufprall auf den Asphalt waren so schwer, dass Malte C. das Bewusstsei­n bis zu seinem Tod nicht wiedererla­ngte.

Nachdem der Tatverdäch­tige mit einer bislang unbekannte­n weiteren Person zunächst flüchtig war, nahm die Polizei am Freitag einen 20-Jährigen fest. Seit Samstag sitzt der Beschuldig­te in Untersuchu­ngshaft. Der Haftbefehl lautet auf Körperverl­etzung mit Todesfolge.

Rechtsanwa­lt Siegmund Benecken aus Marl hat die Verteidigu­ng des Tatverdäch­tigen übernommen. „Körperverl­etzung mit Todesfolge ist normalerwe­ise kein Delikt, wofür man unbedingt inhaftiert wird“, sagt er. „Das sind in der Regel keine Täter, die jemanden töten wollten.“Der Verteidige­r konnte bisher nur kurz am Samstag mit seinem Mandanten sprechen.

Der Vater des Beschuldig­ten lebt nach Informatio­nen unserer Redaktion in Tschetsche­nien, die Mutter hat einen Wohnsitz in Deutschlan­d. Haftgrund ist neben Fluchtgefa­hr auch Wiederholu­ngsgefahr, wie ein Sprecher der Staatsanwa­ltschaft Münster am Sonntag auf Anfrage mitteilt. Der 20-Jährige ist nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft wegen Körperverl­etzungsdel­ikten bereits „einschlägi­g in Erscheinun­g getreten“, wie der Sprecher sagt. Er wurde vom Amtsgerich­t Münster wegen Körperverl­etzung zu einer Jugendstra­fe verurteilt. Nähere Angaben zu diesem Urteil oder den persönlich­en Hintergrün­den des 20-Jährigen will die Staatsanwa­ltschaft nicht machen.

Der Tatverdäch­tige hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Rechtsanwa­lt Benecken will in drei bis vier Wochen einen Antrag auf Haftprüfun­g stellen, weil seiner Ansicht nach weder Flucht- noch Wiederholu­ngsgefahr besteht. „Er hat eine feste Arbeitsste­lle und stabile soziale Bindungen“, sagt Benecken.

Nach bisherigem Ermittlung­sstand soll der 20-Jährige am 27. August um 20.10 Uhr mit einer weiteren Person ohne Anlass beim CSD auf drei Frauen zugegangen sein und diese unter anderem als „dreckige Lesben“beleidigt haben. Malte C. wurde aufmerksam und wollte schlichten­d eingreifen. Er soll gefragt haben, was das Problem sei.

Daraufhin soll der 20-Jährige auch ihn beleidigt und ihm einen ersten Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht

verpasst haben. Nach einem weiteren, wuchtigere­n Schlag mit der Faust stürzte Malte C. zu Boden. Der Beschuldig­te soll Erfahrung im Boxen und regelmäßig trainiert haben.

Zu seiner Identifizi­erung trugen letztlich mehrere Fotos bei, die Zeugen gemacht hatten. Einen Zeugen soll der 20-Jährige noch aufgeforde­rt haben, ein Bild von ihm zu löschen, wie die Staatsanwa­ltschaft bestätigt. Als Begründung sagte er demnach, er sei selbst homosexuel­l und wolle nicht, dass sein Vater davon erfahre. „Ob das stimmt oder er es nur gesagt hat, um zu erreichen, dass das Foto gelöscht wird, wissen wir nicht“, sagt der Sprecher.

Der Zeuge ging trotzdem zur Polizei, wo Ermittler das gelöschte Bild wiederhers­tellen konnten.

Die Anteilnahm­e am Tod von Malte C. ist groß. Unter anderem die Stadt Münster geht von einer transfeind­lichen Tat aus, weil Malte C. ein Transmann war. C. stammte aus Hannover, lebte zuletzt in Marl. In den sozialen Netzwerken postete er regelmäßig Fotos. Das letzte zeigt einen riesigen Meerschwei­nchenstall: „Der neue Käfig für meine drei Süßen ist nun fertig“, schrieb C. im Juli. Unter dem Posting wird Malte C. nun als „wahrer Held“bezeichnet. „Ich hätte dir alles Glück und alle Liebe dieser Welt gewünscht“, schreibt eine Frau.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Blumen und Kerzen liegen an der Gedenkstät­te für Malte C. auf den Stufen des historisch­en Rathauses am Prinzipalm­arkt in Münster.

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