Rheinische Post Krefeld Kempen
Zivilcourage mit dem Leben bezahlt
Malte C. starb nach einem Angriff am Rande des CSD in Münster. Die Anteilnahme ist groß. Der mutmaßliche Täter ist in Haft, laut Staatsanwaltschaft ist er wegen Körperverletzung bereits „einschlägig in Erscheinung getreten“.
MÜNSTER Er zeigte Zivilcourage, stellte sich schützend vor drei Frauen und bezahlte am Ende mit seinem Leben: Malte C., 25 Jahre alt, starb am 2. September in einer Klinik, nachdem er am Rande der Christopher-Street-Day-Versammlung in Münster eine Woche zuvor von einem jungen Mann angegriffen und niedergeschlagen worden war. Seine Kopfverletzungen durch den Aufprall auf den Asphalt waren so schwer, dass Malte C. das Bewusstsein bis zu seinem Tod nicht wiedererlangte.
Nachdem der Tatverdächtige mit einer bislang unbekannten weiteren Person zunächst flüchtig war, nahm die Polizei am Freitag einen 20-Jährigen fest. Seit Samstag sitzt der Beschuldigte in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl lautet auf Körperverletzung mit Todesfolge.
Rechtsanwalt Siegmund Benecken aus Marl hat die Verteidigung des Tatverdächtigen übernommen. „Körperverletzung mit Todesfolge ist normalerweise kein Delikt, wofür man unbedingt inhaftiert wird“, sagt er. „Das sind in der Regel keine Täter, die jemanden töten wollten.“Der Verteidiger konnte bisher nur kurz am Samstag mit seinem Mandanten sprechen.
Der Vater des Beschuldigten lebt nach Informationen unserer Redaktion in Tschetschenien, die Mutter hat einen Wohnsitz in Deutschland. Haftgrund ist neben Fluchtgefahr auch Wiederholungsgefahr, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Münster am Sonntag auf Anfrage mitteilt. Der 20-Jährige ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft wegen Körperverletzungsdelikten bereits „einschlägig in Erscheinung getreten“, wie der Sprecher sagt. Er wurde vom Amtsgericht Münster wegen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe verurteilt. Nähere Angaben zu diesem Urteil oder den persönlichen Hintergründen des 20-Jährigen will die Staatsanwaltschaft nicht machen.
Der Tatverdächtige hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. Rechtsanwalt Benecken will in drei bis vier Wochen einen Antrag auf Haftprüfung stellen, weil seiner Ansicht nach weder Flucht- noch Wiederholungsgefahr besteht. „Er hat eine feste Arbeitsstelle und stabile soziale Bindungen“, sagt Benecken.
Nach bisherigem Ermittlungsstand soll der 20-Jährige am 27. August um 20.10 Uhr mit einer weiteren Person ohne Anlass beim CSD auf drei Frauen zugegangen sein und diese unter anderem als „dreckige Lesben“beleidigt haben. Malte C. wurde aufmerksam und wollte schlichtend eingreifen. Er soll gefragt haben, was das Problem sei.
Daraufhin soll der 20-Jährige auch ihn beleidigt und ihm einen ersten Schlag mit der flachen Hand ins Gesicht
verpasst haben. Nach einem weiteren, wuchtigeren Schlag mit der Faust stürzte Malte C. zu Boden. Der Beschuldigte soll Erfahrung im Boxen und regelmäßig trainiert haben.
Zu seiner Identifizierung trugen letztlich mehrere Fotos bei, die Zeugen gemacht hatten. Einen Zeugen soll der 20-Jährige noch aufgefordert haben, ein Bild von ihm zu löschen, wie die Staatsanwaltschaft bestätigt. Als Begründung sagte er demnach, er sei selbst homosexuell und wolle nicht, dass sein Vater davon erfahre. „Ob das stimmt oder er es nur gesagt hat, um zu erreichen, dass das Foto gelöscht wird, wissen wir nicht“, sagt der Sprecher.
Der Zeuge ging trotzdem zur Polizei, wo Ermittler das gelöschte Bild wiederherstellen konnten.
Die Anteilnahme am Tod von Malte C. ist groß. Unter anderem die Stadt Münster geht von einer transfeindlichen Tat aus, weil Malte C. ein Transmann war. C. stammte aus Hannover, lebte zuletzt in Marl. In den sozialen Netzwerken postete er regelmäßig Fotos. Das letzte zeigt einen riesigen Meerschweinchenstall: „Der neue Käfig für meine drei Süßen ist nun fertig“, schrieb C. im Juli. Unter dem Posting wird Malte C. nun als „wahrer Held“bezeichnet. „Ich hätte dir alles Glück und alle Liebe dieser Welt gewünscht“, schreibt eine Frau.