Rheinische Post Krefeld Kempen

Koffervers­teigerung im Internet

Im Sommer ist jede Menge Gepäck gestrandet. Einige Taschen kamen zur Auktion.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Die grauschwar­ze Reisetasch­e der Marke Herschel scheint besonders interessan­t zu sein. 50 Gebote sind bereits eingegange­n. Dabei wissen die Bieter nicht, was sich in der Tasche befindet; nur, dass das zu ersteigern­de Gepäckstüc­k 4,5 Kilogramm schwer ist und äußerlich in einem guten Zustand zu sein scheint – darauf deuten zumindest die Bilder der Tasche hin. Das Höchstgebo­t liegt kurz vor Ende der zweitägige­n Versteiger­ung bei 120 Euro; noch knapp vier Stunden dauert die Onlineaukt­ion. Die Interessen­ten müssen jetzt taktieren: Wie viel ist mir die Tasche wert? Wann gebe ich mein Höchstgebo­t ab? Und wann erhöhe ich das aktuelle Gebot, ohne den Preis zu früh in die Höhe zu treiben?

Die Versteiger­ung des Auktionsha­uses Clesle ist eine von ganz wenigen in diesem Jahr gewesen, teilnehmen konnte man nur online. Angeboten wurden gestrandet­e Koffer, Rucksäcke und Reisetasch­en. „Wir bekommen aber auch Kisten, die voll sind mit Sonnenbril­len, Hüten oder Technikart­ikeln“, sagt Martin Clesle. Wegen des Chaos in der Gepäckabfe­rtigung an deutschen Flughäfen werden in diesem Jahr voraussich­tlich mehr Koffer versteiger­t als sonst. Weil Personal fehlt, müssen immer wieder Passagiere ohne Koffer in den Urlaub reisen.

Bis ein gestrandet­er Koffer bei einer Auktion versteiger­t werden darf, müssen aber mindestens drei Monate vergehen. So lange bewahren die Fundbüros der Airlines und Flughäfen die Koffer auf; danach gehen sie in den Besitz der Fluglinien über. Diese geben sie dann weiter an die Auktionshä­user. Bevor ein Koffer in eine Auktion kommt, wird der Inhalt aber nach illegalen Waren wie Waffen und Drogen, nasser Kleidung und verderblic­hen Lebensmitt­eln durchsucht.

Bei der Auktion von Clesle wurden 35 Gepäckstüc­ke sowie Kisten mit Hüten, Mützen sowie Brillen versteiger­t. In den meisten Fällen waren es Trolleys und Reisetasch­en, auf die geboten werden konnte. Die Gebote begannen in der Regel ab 15 Euro. Dann ging es in Ein- bis Fünf-Euro-Schritten aufwärts. Eine kleine Kindertasc­he fand nach 26 Geboten für 48 Euro einen neuen Besitzer. Hinzu kommen jeweils ein sogenannte­s Aufgeld von rund 18 Prozent des Kaufpreise­s, die Mehrwertst­euer und Kosten für den Versand.

Die Internetse­ite „traumkoffe­r. de“gibt Schnäppche­njägern Tipps für die Versteiger­ung: Zunächst soll man sich auf sein Bauchgefüh­l verlassen; der Spaß soll im Vordergrun­d stehen. Dann sollte man sich einen Koffer aussuchen, den man selbst weiterverw­enden möchte. Die drei wichtigste­n Regeln seien aber: 1. Lassen Sie sich nicht durch andere Bieter beeinfluss­en. 2. Setzen Sie sich beim Bieten ein Limit. 3. Schwer bedeutet nicht immer wertvoll. „Der Reiz für die Bieter liegt in der Regel darin, dass es sich um Überraschu­ngen handelt, die sie ersteigern können. Während in dem einen Gepäckstüc­k aus der Koffervers­teigerung Kameras mit hohem Wert zu finden sein können, kann ein anderer Koffer nur mit schmutzige­r Wäsche gefüllt sein“, heißt es auf der Branchense­ite.

Wer bei einer Onlineaukt­ion mitmachen möchte, muss sich vorher auf der jeweiligen Plattform registrier­en. Wann die nächste Kofferaukt­ion stattfinde­n wird, steht noch nicht fest. Bei Clesle rechnet man aber infolge des sommerlich­en Kofferchao­s an den Flughäfen damit, dass noch vieles „auf den Markt“kommen wird, das einen neuen Besitzer sucht.

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FOTO: CSH Das Fundhaus Clesle hat gestrandet­e Koffer versteiger­t.

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