Rheinische Post Krefeld Kempen
Kofferversteigerung im Internet
Im Sommer ist jede Menge Gepäck gestrandet. Einige Taschen kamen zur Auktion.
DÜSSELDORF Die grauschwarze Reisetasche der Marke Herschel scheint besonders interessant zu sein. 50 Gebote sind bereits eingegangen. Dabei wissen die Bieter nicht, was sich in der Tasche befindet; nur, dass das zu ersteigernde Gepäckstück 4,5 Kilogramm schwer ist und äußerlich in einem guten Zustand zu sein scheint – darauf deuten zumindest die Bilder der Tasche hin. Das Höchstgebot liegt kurz vor Ende der zweitägigen Versteigerung bei 120 Euro; noch knapp vier Stunden dauert die Onlineauktion. Die Interessenten müssen jetzt taktieren: Wie viel ist mir die Tasche wert? Wann gebe ich mein Höchstgebot ab? Und wann erhöhe ich das aktuelle Gebot, ohne den Preis zu früh in die Höhe zu treiben?
Die Versteigerung des Auktionshauses Clesle ist eine von ganz wenigen in diesem Jahr gewesen, teilnehmen konnte man nur online. Angeboten wurden gestrandete Koffer, Rucksäcke und Reisetaschen. „Wir bekommen aber auch Kisten, die voll sind mit Sonnenbrillen, Hüten oder Technikartikeln“, sagt Martin Clesle. Wegen des Chaos in der Gepäckabfertigung an deutschen Flughäfen werden in diesem Jahr voraussichtlich mehr Koffer versteigert als sonst. Weil Personal fehlt, müssen immer wieder Passagiere ohne Koffer in den Urlaub reisen.
Bis ein gestrandeter Koffer bei einer Auktion versteigert werden darf, müssen aber mindestens drei Monate vergehen. So lange bewahren die Fundbüros der Airlines und Flughäfen die Koffer auf; danach gehen sie in den Besitz der Fluglinien über. Diese geben sie dann weiter an die Auktionshäuser. Bevor ein Koffer in eine Auktion kommt, wird der Inhalt aber nach illegalen Waren wie Waffen und Drogen, nasser Kleidung und verderblichen Lebensmitteln durchsucht.
Bei der Auktion von Clesle wurden 35 Gepäckstücke sowie Kisten mit Hüten, Mützen sowie Brillen versteigert. In den meisten Fällen waren es Trolleys und Reisetaschen, auf die geboten werden konnte. Die Gebote begannen in der Regel ab 15 Euro. Dann ging es in Ein- bis Fünf-Euro-Schritten aufwärts. Eine kleine Kindertasche fand nach 26 Geboten für 48 Euro einen neuen Besitzer. Hinzu kommen jeweils ein sogenanntes Aufgeld von rund 18 Prozent des Kaufpreises, die Mehrwertsteuer und Kosten für den Versand.
Die Internetseite „traumkoffer. de“gibt Schnäppchenjägern Tipps für die Versteigerung: Zunächst soll man sich auf sein Bauchgefühl verlassen; der Spaß soll im Vordergrund stehen. Dann sollte man sich einen Koffer aussuchen, den man selbst weiterverwenden möchte. Die drei wichtigsten Regeln seien aber: 1. Lassen Sie sich nicht durch andere Bieter beeinflussen. 2. Setzen Sie sich beim Bieten ein Limit. 3. Schwer bedeutet nicht immer wertvoll. „Der Reiz für die Bieter liegt in der Regel darin, dass es sich um Überraschungen handelt, die sie ersteigern können. Während in dem einen Gepäckstück aus der Kofferversteigerung Kameras mit hohem Wert zu finden sein können, kann ein anderer Koffer nur mit schmutziger Wäsche gefüllt sein“, heißt es auf der Branchenseite.
Wer bei einer Onlineauktion mitmachen möchte, muss sich vorher auf der jeweiligen Plattform registrieren. Wann die nächste Kofferauktion stattfinden wird, steht noch nicht fest. Bei Clesle rechnet man aber infolge des sommerlichen Kofferchaos an den Flughäfen damit, dass noch vieles „auf den Markt“kommen wird, das einen neuen Besitzer sucht.