Rheinische Post Krefeld Kempen
Fast jeder Fünfte erhält Niedriglohn
Besonders in der Gastronomie verdienen Vollzeitbeschäftigte unterdurchschnittlich.
BERLIN Fast jeder fünfte sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigte in Deutschland arbeitete im vergangenen Jahr für einen Lohn unter der sogenannten Niedriglohnschwelle und verdiente damit weniger als zwei Drittel des mittleren Bruttoentgelts. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hervor. Demnach waren 2021 rund vier Millionen Vollzeitbeschäftigte im Niedriglohnsektor tätig. Der Anteil der Niedriglohn-Bezieher an allen Vollzeitbeschäftigten ist den Daten des Arbeitsministeriums zufolge 2021 gegenüber dem Vorjahr kaum gesunken: Er lag im vergangenen Jahr bei 18,1 Prozent. Im Jahr 2020 hatte er noch 18,7 Prozent betragen.
Als Niedriglohn wird in der EU ein Gehalt bezeichnet, das unterhalb von 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt. Davon sind in Deutschland überdurchschnittlich viele Frauen, Ausländer und Menschen in Ostdeutschland betroffen. Vor allem in der Gastronomie, die nach der Corona-Pause händeringend nach Personal sucht, werden auch weiterhin besonders häufig nur Niedriglöhne bezahlt, wie aus der Antwort hervorgeht.
Das Gastgewerbe war der Antwort zufolge auch 2021 der Wirtschaftszweig mit dem höchsten Niedriglohnanteil. Er lag 2021 bei 66,8 Prozent aller im Gastgewerbe Beschäftigten in Vollzeit. Zwar ist der Anteil 2021 gegenüber 2020 leicht gesunken. Er liegt aber immer noch deutlich über dem Anteil im Jahr vor Ausbruch der Pandemie: 2019 hatten 63,4 Prozent der Gastronomie-Mitarbeiter einen Niedriglohn bezogen. Besonders betroffen sind aber auch das Hauspersonal in privaten Haushalten (52,9 Prozent), Angestellte in Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (50,8 Prozent) und von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (48,1 Prozent). Nach Personengruppen betrachtet sind Frauen (24,5 Prozent) und Ausländer (35,6 Prozent) besonders häufig zum Niedriglohn beschäftigt. Differenziert man nach Regionen, sind es besonders viele Menschen in Ostdeutschland (27,5 Prozent).
„Die Ursache des viel beschworenen Fachkräftemangels ist häufig auf prekäre Beschäftigung und Niedriglöhne zurückzuführen“, sagte Linken-Fraktionsvize Susanne Ferschl: „Die Gastronomie ist hierfür exemplarisch.“Sie begrüße daher die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde ab 1. Oktober. „Für eine Austrocknung des Niedriglohn-Sumpfes ist allerdings eine Stärkung der Tarifbindung unabdingbar“, sagte Ferschl.