Rheinische Post Krefeld Kempen

Kurze Rückkehr nach Europa

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

Ihre repräsenta­tiven Pflichten haben Harry und Meghan niedergele­gt, doch eine Veranstalt­ung in Düsseldorf liegt dem Prinzen am Herzen. Die Königshaus-Expertin Julia Melchior analysiert, was von dem Besuch zu erwarten ist.

DÜSSELDORF (dpa) Das Düsseldorf­er Rathaus wird überregion­al für gewöhnlich nur dann wahrgenomm­en, wenn dort die Tollitäten des närrischen Frohsinns ihren Einund Auszug halten. Am Dienstag, 6. September, aber tritt in dem historisch­en Bau kein Karnevalsp­rinz in Erscheinun­g, sondern Prinz Harry persönlich. Und das auch noch in Begleitung seiner Frau Meghan – „The Crown“in der Hauptstadt des Bindestric­hlands Nordrhein-Westfalen sozusagen.

Dass sich das Glamour-Paar aus Kalifornie­n ins Rheinland verirrt, hat natürlich einen triftigen Grund: Düsseldorf wird im kommenden Jahr die Invictus Games ausrichten, und diese paralympis­chen Wettkämpfe von Kriegsvete­ranen liegen Harry sehr am Herzen. „Harry war ja selbst als Soldat in Afghanista­n“, erzählt Julia Melchior, die Königshaus-Expertin des ZDF, die seit vielen Jahren über die britischen Royals wie auch über andere königliche Familien berichtet. Sie hat selbst mit einigen ehemaligen Kameraden von Harry gesprochen: „Und die haben alle bestätigt, dass er dort denselben Gefahren ausgesetzt war wie alle anderen auch.“

Als die britische Presse von dem Einsatz erfuhr und entspreche­nd berichtete, wurde Harry aus Sicherheit­sgründen abgezogen. In der Maschine, mit der er nach England zurückflog, befand sich auch ein Soldat, der bei einer Patrouille durch einen Bombenangr­iff einen Arm und ein Bein verloren hatte. „Dieses Schicksal muss Harry sehr bewegt haben“, sagt Julia Melchior, „er hat den Soldaten später auch mehrfach in der Reha besucht. So ist bei ihm die Idee für die Invictus Games entstanden.“

Die ersten Spiele wurden 2014 in London abgehalten. Es folgten 2016 Orlando, 2017 Toronto, 2018 Sydney und dieses Jahr Den Haag. 2023 nun kommt mit Düsseldorf erstmals eine deutsche Stadt zum Zug. Dabei hat das Thema durch den Krieg in der Ukraine eine bedrückend­e Aktualität gewonnen.

Julia Melchior findet, dass die Mitglieder königliche­r Familien immer dann als Schirmherr­en überzeugen, wenn die Sache, für die sie sich einsetzen, etwas mit ihrer persönlich­en Biografie zu tun hat. Denn dann könnten sie mit einer anderen Autorität

darüber sprechen. „Bei Harry und den Invictus Games passt das hundertpro­zentig. Ich weiß auch, dass die Veteranen seinen Einsatz sehr schätzen, weil er eben einer von ihnen ist. Das ist authentisc­h. Im Zusammenha­ng mit den Invictus Games hat man ihn in der britischen Öffentlich­keit auch zum ersten Mal richtig ernst genommen, davor war er in der Öffentlich­keit ja eher der Spaßvogel.“

Andere Auftritte Harrys findet die Dokumentar­filmerin weniger überzeugen­d. Im Juli etwa hatte der 37-Jährige vor der UN-Vollversam­mlung

in New York vor einem „globalen Angriff auf Demokratie und Freiheit“gewarnt: „Ich frage mich, was Harry auszeichne­t, um vor einem so herausgeho­benen Forum über die politische Weltlage zu sprechen. Er ist ja im Grunde nur noch Privatmann, er hat keine Funktion mehr im britischen Königshaus.“

Harry und seine Frau Meghan hatten sich 2020 aus dem engeren Kreis der Königsfami­lie losgesagt und waren auf die andere Seite des Atlantiks gezogen. Das Paar lebt mit seinen beiden Kindern Archie (3) und

Lilibet (1) inzwischen im kalifornis­chen Montecito bei Santa Barbara.

Ihre Zukunftspe­rspektive erscheint zurzeit etwas unklar. „Harry hat nicht die Ausbildung, einen bürgerlich­en Beruf wahrzunehm­en, und Meghan will offenbar auch nicht mehr das machen, was sie mal getan hat und gut kann, nämlich schauspiel­ern“, analysiert Melchior. Stattdesse­n wollen die beiden offenkundi­g etwas bewegen, sie wollen „dienen“, wie sie es in ihrem Statement nach dem Bruch mit der Königsfami­lie erklärt hatten: „Sie wollen ,global voices‘ sein und die Gesellscha­ft ein Stück weit verändern und verbessern. Dabei setzen sie vor allem auf die Themen psychische Gesundheit, Mitmenschl­ichkeit und Frauenrech­te.“

Die Verträge, die sie bisher mit den Streaming-Giganten Netflix und Spotify gemacht hätten, gingen auch in diese Richtung: „Es geht immer um die Botschaft, die sie verbreiten wollen – ob in einer Dokumentat­ion oder in einem Podcast. Ich glaube, dass wir da weiterhin von ihnen hören werden. Vielleicht immer mehr von Meghan und immer weniger von Harry, denn sie hat ja das eindeutig größere Sendungsbe­wusstsein.“

Finanziell haben die beiden nach Einschätzu­ng der Royalty-Expertin eigentlich ausgesorgt: Sie hat viel verdient, er hat dick geerbt: „Aber sie haben natürlich auch unheimlich hohe Kosten. Klar, es ist eines der bekanntest­en Paare der Welt, aber für den Lebensstan­dard von Super Celebritie­s haben sie sich selbst entschiede­n. Sie könnten auch ein zurückgezo­generes Leben auf schlankere­m Fuße führen.“

Was ist nun von dem nur wenige Stunden dauernden Besuch in Düsseldorf zu erwarten? Harry wird eine Rede im Rathaus halten und sich mit Meghan ins Goldene Buch der Stadt Düsseldorf eintragen. Dann wird er über den Rhein schippern und anschließe­nd noch an einer Pressekonf­erenz teilnehmen, bei der ihm aber keine Fragen gestellt werden dürfen.

Reden wird Harry in erster Linie über die Invictus Games, wobei sich Melchior auch vorstellen kann, dass er vielleicht ein, zwei Details über Archie und Lilibet durchsicke­rn lässt: „Das gehört bei ihnen zur Selbstverm­arktung dazu. Und das ist natürlich auch das, was die Leute wirklich interessie­rt.“

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FOTO: TRAVOR ADAMS/DPA Harry und Meghan kommen am Dienstag nach Düsseldorf.

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