Rheinische Post Krefeld Kempen
Mit Michel Foucault ins Death Valley
Ein Sachbuch erzählt von einem psychedelischen Trip des Philosophen im Jahr 1975.
Die Geschichte klingt, als habe ein Drehbuchautor sie sich ausgedacht, um sie Netflix für eine psychedelische Produktion mit satt gefilterten Bildern anzubieten. Der weltberühmte und wie ein Popstar verehrte Philosoph Michel Foucault, der damals an jeder Uni der Welt hätte vortragen können, folgte 1975 einer Einladung nach Claremont. Ein 35 Jahre alter Assistenzprofessor, der sich selbst als Foucaults „Jünger“bezeichnete, hatte ihn gebeten, dort zu sprechen. Bei der Gelegenheit schlug er dem Meister auch vor, ins Death Valley zu fahren und in der überwältigenden Landschaft mit LSD zu experimentieren.
Diese Episode hat sich wohl tatsächlich so zugetragen, das Buch „Foucault in Kalifornien“erzählt davon, und geschrieben hat es eben jener Assistenzprofessor; er hieß Simeon Wade und starb 2017. Die akademische Runde lagerte also in der Mojave-Wüste, hörte Stockhausens „Gesang der Jünglinge“vom Band und nippte vom „flüssigen Stein der Weisen“. So kitschig, wie es klingt, liest sich das Buch wirklich, allerdings auch so amüsant. Das ist Intellekto-Trash, die Endmoräne eines Personenkults.
Man denkt beim Lesen immerzu, wie gut ausgedacht das alles anmutet. Wade und Foucault reden über Thomas Mann, der Franzose trägt weißen Rolli und preist den Himmel und die Sterne in schwülstigen Formulierungen. Und jede Frage,
die die Mitglieder einer Kommune in den Bergen an Foucault haben, wird protokolliert; „Glauben Sie immer noch an den Tod des Subjekts?“Wade nennt Foucault übrigens „fleischgewordenes Wort“, sein Text mutet wie eine Heiligengeschichte an, und in der Wüste spielt sie ja auch noch.
Man muss diesen Text, der bei Erscheinen in den USA vor drei Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen hat, als Plauderei aus dem Nähkästchen lesen, als Klatschstory mit gut ausgebildetem Personal, als bunte Fußnote, und zum Glück flankiert der Verlag ihn für seine Ausgabe mit zwei Essays.
Im Vorwort schlüsselt die Schriftstellerin Heather Dundas die Publikationsgeschichte des Reports auf. Wade habe ihr das Manuskript selbst überreicht, und tatsächlich belegen Fotos das gemeinsame Erlebnis im Death Valley. Zudem hielten Wade und Foucault auch später noch Kontakt. Kai Sina rückt die These Wades, das LSD-Erlebnis habe einen entscheidenden Einfluss auf Foucault spätere Philosophie gehabt, schließlich ins rechte Licht. Er hängt es sehr viel tiefer und spricht lediglich von einer „Wende zur Skepsis“, die festzustellen sei. Und auch „für ein nüchternes, abwägender, letztlich auch demokratischstes Bild vom Menschen und Denker Michel Foucault könnte dies ein guter Ansatzpunkt sein“.
„Foucault in Kalifornien“, Kiepenheuer & Witsch, 176 S., 20 Euro