Rheinische Post Krefeld Kempen
„Die Gastro ist die Seele einer Stadt“
Erst kam die Corona-Pandemie, dann der Fachkräftemangel, nun Preisexplosionen und Lieferengpässe. Unter all dem leidet vor allem die Gastronomie. Doch wie dramatisch ist die Lage in Krefeld?
Eine gesunde, vitale Innenstadt, das bedeutet einen florierenden Einzelhandel und eine vielfältige gastronomische Landschaft, sagt Antonios Arabatzis. Er ist Vorsitzender für Krefeld der Dehoga Nordrhein und Inhaber der Brauerei Gleumes und weiß, dass das eine nur mit dem anderen funktionieren und für eine lebenswerte Stadt sorgen kann. „Die Gastronomie ist die Seele einer Stadt“, sagt er. Doch in den vergangenen zweieinhalb Jahren hat diese Seele gelitten. Erst kam die Pandemie, dann gab es nicht genug Fachkräfte, nun auch noch Inflation, Kostenexplosion, Lieferengpässe. Packt das die Krefelder GastroLandschaft?
„Die alteingesessenen Betriebe und die Traditionshäuser haben durchgehalten“, sagt Arabatzis. „Doch einige fragen sich auch, ob sich der ganze Stress für diesen Ertrag überhaupt lohnt oder ob es besser wäre, doch wieder ins Angestelltenverhältnis zu wechseln.“In den vergangenen knapp zehn Jahren ist die Zahl derer, die ihren Betrieb aufgeben mussten, deutschlandweit gestiegen – und das bereits vor Beginn der Pandemie. Laut dem Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Bundesverband gab es 2013 noch 164.008 sogenannte Gaststättengewerbe – also Restaurants, Cafés, Imbissstuben, Kneipen und Bars. Im Jahr 2020 waren es nur noch 146.469 (Stand März 2022). In Krefeld gibt es inzwischen Restaurants, die ihre Öffnungszeiten anpassen mussten, um nicht zu schließen. „Es gibt Kollegen, die schließen den Laden an drei Tagen in der Woche, denn sobald sie öffnen, haben sie Fixkosten wie Strom und Gas. Bei der geringen Rendite lohnt es sich dann nicht, an den umsatzschwachen Tagen wie etwa Montag und Dienstag zu öffnen“, erklärt Arabatzis.
Befürworten kann er das nicht, aber er versteht es. „Für die Gäste ist es nicht schön, wenn sie im Internet ständig nachschauen müssen, ob ein Restaurant geöffnet hat oder nicht.“Für die Krefelder Gastronomen sei die nicht vorhandene Planbarkeit derzeit mit das schlimmste, sagt der Gleumes-Inhaber: „Wir hatten jüngst gut zu tun, aber wir wissen nicht, wie es weiter geht. Wir können keine Preiskalkulation machen, wissen nicht, wie sich die Kosten entwickeln oder ob es eine neue Corona-Welle mit neuen Maßnahmen geben wird.“Es seien ungewisse Zeiten. Arabatzis und seine Kollegen hoffen, dass die geringfügige Umsatzsteuer beibehalten wird. „Sollte die Politik wieder den Regelsatz einführen, wird es ganz schwierig“, betont Arabatzis.
Auch die Personalplanung ist ein Thema, das viele Gastronomen umtreibt. Mit Beginn der Pandemie seien viele Fachkräfte abgewandert. „Der Großhandel nimmt gerne Köche oder Restaurantfachleute. Die sind sehr gut ausgebildet. Umgekehrt haben die Fachkräfte dort andere Arbeitszeiten als im Betrieb und kommen dann oft nicht zurück.“Arabatzis selbst hat einen guten Stamm an Aushilfskräften, mit denen er flexibel agieren kann. „Wir arbeiten von Tag zu Tag und da kann man besser mit Aushilfen planen als mit Vollzeitkräften. Doch auch da ist es nicht so einfach, Leute zu finden.“
Warum es so wichtig ist, eine vielseitige Gastronomie-Landschaft zu haben, erklärt Arabatzis am Beispiel einer Abwärtsspirale: „Wir haben genug Einwohner in Krefeld, doch wenn sie hier kein attraktives Angebot haben für ihre Freizeit, dann verbringen sie diese eben in anderen Städten wie Düsseldorf.“Das sähe man an der Krefelder Innenstadt, in der es kaum noch gesellige Gastronomie, dafür viele „Take away“Betriebe gäbe. „Wir haben noch einige schöne Cafés, doch wenn die Leute nicht in der Innenstadt verweilen können, dann gehen sie woanders hin. Das wiederum schadet auch dem Handel.“
In diesen Zeiten sei es besonders schwer für Existenzgründer, von denen es ebenfalls immer weniger gibt, sagt Arabatzis. „Keiner traut sich in dieser Situation einen Betrieb zu eröffnen. Diejenigen, die es dennoch machen und bald wieder schließen müssen, machen dies, da sie nicht mit einem solch hohen Kostenund Zeitaufwand gerechnet haben.“ sehen – das sind alles Kosten, die durch den Bierpreis gedeckt wurden.“
Insgesamt sei die Stimmung unter den Gastronomen in Krefeld sehr angespannt. Und so versucht man, bei den Gästen für Verständnis zu werben und junge Leute wieder für die Berufe in den Betrieben zu begeistern. „Als Restaurantfachmann oder Koch ist man sehr vielseitig, kann die Welt bereisen und findet immer einen Job. Es gibt viele Möglichkeiten – es ist ein Handwerk, das immer gebraucht wird“, sagt Arabatzis. Doch lösen können die Gastronomen die Misere nicht alleine. „In der Innenstadt gibt es viel Leerstand, da muss einiges passieren, sowohl im Einzelhandel, der mit hohen Mieten kämpft, als auch in der Gastronomie“, sagt Arabatzis in Richtung Stadtspitze. Erst wenn die Innenstadt belebt werde, hätten die Leute wieder eine Anlaufstelle – und blieben in Krefeld, statt ihre Freizeit in den Nachbarstädten zu verbringen.