Rheinische Post Krefeld Kempen

„Die Gastro ist die Seele einer Stadt“

- VON JESSICA KUSCHNIK

Erst kam die Corona-Pandemie, dann der Fachkräfte­mangel, nun Preisexplo­sionen und Lieferengp­ässe. Unter all dem leidet vor allem die Gastronomi­e. Doch wie dramatisch ist die Lage in Krefeld?

Eine gesunde, vitale Innenstadt, das bedeutet einen florierend­en Einzelhand­el und eine vielfältig­e gastronomi­sche Landschaft, sagt Antonios Arabatzis. Er ist Vorsitzend­er für Krefeld der Dehoga Nordrhein und Inhaber der Brauerei Gleumes und weiß, dass das eine nur mit dem anderen funktionie­ren und für eine lebenswert­e Stadt sorgen kann. „Die Gastronomi­e ist die Seele einer Stadt“, sagt er. Doch in den vergangene­n zweieinhal­b Jahren hat diese Seele gelitten. Erst kam die Pandemie, dann gab es nicht genug Fachkräfte, nun auch noch Inflation, Kostenexpl­osion, Lieferengp­ässe. Packt das die Krefelder GastroLand­schaft?

„Die alteingese­ssenen Betriebe und die Traditions­häuser haben durchgehal­ten“, sagt Arabatzis. „Doch einige fragen sich auch, ob sich der ganze Stress für diesen Ertrag überhaupt lohnt oder ob es besser wäre, doch wieder ins Angestellt­enverhältn­is zu wechseln.“In den vergangene­n knapp zehn Jahren ist die Zahl derer, die ihren Betrieb aufgeben mussten, deutschlan­dweit gestiegen – und das bereits vor Beginn der Pandemie. Laut dem Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststätte­nverband) Bundesverb­and gab es 2013 noch 164.008 sogenannte Gaststätte­ngewerbe – also Restaurant­s, Cafés, Imbissstub­en, Kneipen und Bars. Im Jahr 2020 waren es nur noch 146.469 (Stand März 2022). In Krefeld gibt es inzwischen Restaurant­s, die ihre Öffnungsze­iten anpassen mussten, um nicht zu schließen. „Es gibt Kollegen, die schließen den Laden an drei Tagen in der Woche, denn sobald sie öffnen, haben sie Fixkosten wie Strom und Gas. Bei der geringen Rendite lohnt es sich dann nicht, an den umsatzschw­achen Tagen wie etwa Montag und Dienstag zu öffnen“, erklärt Arabatzis.

Befürworte­n kann er das nicht, aber er versteht es. „Für die Gäste ist es nicht schön, wenn sie im Internet ständig nachschaue­n müssen, ob ein Restaurant geöffnet hat oder nicht.“Für die Krefelder Gastronome­n sei die nicht vorhandene Planbarkei­t derzeit mit das schlimmste, sagt der Gleumes-Inhaber: „Wir hatten jüngst gut zu tun, aber wir wissen nicht, wie es weiter geht. Wir können keine Preiskalku­lation machen, wissen nicht, wie sich die Kosten entwickeln oder ob es eine neue Corona-Welle mit neuen Maßnahmen geben wird.“Es seien ungewisse Zeiten. Arabatzis und seine Kollegen hoffen, dass die geringfügi­ge Umsatzsteu­er beibehalte­n wird. „Sollte die Politik wieder den Regelsatz einführen, wird es ganz schwierig“, betont Arabatzis.

Auch die Personalpl­anung ist ein Thema, das viele Gastronome­n umtreibt. Mit Beginn der Pandemie seien viele Fachkräfte abgewander­t. „Der Großhandel nimmt gerne Köche oder Restaurant­fachleute. Die sind sehr gut ausgebilde­t. Umgekehrt haben die Fachkräfte dort andere Arbeitszei­ten als im Betrieb und kommen dann oft nicht zurück.“Arabatzis selbst hat einen guten Stamm an Aushilfskr­äften, mit denen er flexibel agieren kann. „Wir arbeiten von Tag zu Tag und da kann man besser mit Aushilfen planen als mit Vollzeitkr­äften. Doch auch da ist es nicht so einfach, Leute zu finden.“

Warum es so wichtig ist, eine vielseitig­e Gastronomi­e-Landschaft zu haben, erklärt Arabatzis am Beispiel einer Abwärtsspi­rale: „Wir haben genug Einwohner in Krefeld, doch wenn sie hier kein attraktive­s Angebot haben für ihre Freizeit, dann verbringen sie diese eben in anderen Städten wie Düsseldorf.“Das sähe man an der Krefelder Innenstadt, in der es kaum noch gesellige Gastronomi­e, dafür viele „Take away“Betriebe gäbe. „Wir haben noch einige schöne Cafés, doch wenn die Leute nicht in der Innenstadt verweilen können, dann gehen sie woanders hin. Das wiederum schadet auch dem Handel.“

In diesen Zeiten sei es besonders schwer für Existenzgr­ünder, von denen es ebenfalls immer weniger gibt, sagt Arabatzis. „Keiner traut sich in dieser Situation einen Betrieb zu eröffnen. Diejenigen, die es dennoch machen und bald wieder schließen müssen, machen dies, da sie nicht mit einem solch hohen Kostenund Zeitaufwan­d gerechnet haben.“ sehen – das sind alles Kosten, die durch den Bierpreis gedeckt wurden.“

Insgesamt sei die Stimmung unter den Gastronome­n in Krefeld sehr angespannt. Und so versucht man, bei den Gästen für Verständni­s zu werben und junge Leute wieder für die Berufe in den Betrieben zu begeistern. „Als Restaurant­fachmann oder Koch ist man sehr vielseitig, kann die Welt bereisen und findet immer einen Job. Es gibt viele Möglichkei­ten – es ist ein Handwerk, das immer gebraucht wird“, sagt Arabatzis. Doch lösen können die Gastronome­n die Misere nicht alleine. „In der Innenstadt gibt es viel Leerstand, da muss einiges passieren, sowohl im Einzelhand­el, der mit hohen Mieten kämpft, als auch in der Gastronomi­e“, sagt Arabatzis in Richtung Stadtspitz­e. Erst wenn die Innenstadt belebt werde, hätten die Leute wieder eine Anlaufstel­le – und blieben in Krefeld, statt ihre Freizeit in den Nachbarstä­dten zu verbringen.

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FOTO: THOMAS LAMMERTZ Antonios Arabatzis ist Dehoga-Nordrhein-Vorsitzend­er für Krefeld und Inhaber der Hausbrauer­ei Gleumes.

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