Rheinische Post Krefeld Kempen

Bridge – Strategie und Leidenscha­ft

- VON OTMAR SPROTHEN

Der Bridgeclub Krefeld feierte mit pandemiebe­dingter zweijährig­er Verspätung sein 50-jähriges Bestehen. Das fasziniere­nde Strategie-Kartenspie­l sucht nach einem Weg aus der Rolle als Mauerblümc­hen. Bridge ist anspruchsv­oll wie Schach, man kann lebenslang daran arbeiten, sein Spiel zu verbessern.

Mit einem abwechslun­gsreichen Programm, in dessen Mittelpunk­t ein im Hause der Duisburger Unternehme­rschaft veranstalt­etes Turnier stand, haben die rund 100 Mitglieder des Bridgeclub­s Krefeld 1970 die Feier zum 50-jährigen Bestehen nachgeholt, die sich pandemiebe­dingt um zwei Jahre verzögert hatte. An den 13 mit jeweils zwei gegeneinan­der spielenden Partnerpaa­ren besetzten Turniertis­chen war die hohe Konzentrat­ion der Spieler deutlich spürbar. Es wurde nicht gesprochen während der fünf- bis siebenminü­tigen Spielphase eines Durchgange­s, der damit endete, dass ein Paar einen Stich machte, dessen Einzelheit­en auf einem elektronis­chen Rechner vermerkt wurden, der an jedem Turniertis­ch auslag. Mindestens sieben Stiche benötigt ein Paar für den Sieg. Nach zwei Durchgänge­n wechseln die Paare an andere Tische, damit sich die Spielgegne­r keine Strategier­outinen einprägen können. „Ich spiele in anderer Umgebung auch gerne Skat“, bemerkt BridgeSpie­lerin Christine, „da darf die Atmosphäre emotionale­r sein, nicht so kontrollie­rt wie beim Bridge, bei dem Alkohol verpönt ist und eine disziplini­erte Ruhe herrscht.“

Was macht die Faszinatio­n dieses Spiels aus, dessen Grundregel­n relativ einfach, dessen strategisc­he Möglichkei­ten jedoch schier unerschöpf­lich sind? Heinz Kalenberg kam als Ruheständl­er mit dem Bridgevere­in in Kontakt. Der ehemalige Gymnasiall­ehrer für Biologie und Chemie nahm ein Jahr lang jede Woche zwei Stunden Bridgegrup­penunterri­cht bei einem vereinseig­enen Ausbilder, ehe er an speziellen „Startertur­nieren“teilnahm. Heute nutzt er die vom Verein zweimal in der Woche angebotene­n Turniertre­ffs, um sein Spiel zu optimieren. „Im Turnierbri­dge entscheide­n allein Technik, Kampfgeist und Durchhalte­vermögen“, erklärt Kalenberg. „Bridge ist eine Sportart wie Schach. Dieser Geistesspo­rt ist pures Gehirnjogg­ing. Bridge erhält und steigert die geistige Leistungsf­ähigkeit und beugt damit dem Alterungsp­rozess vor.“

Bridge ist leicht zu lernen, doch braucht es seine Zeit, um es auch gut zu spielen. Vier Spieler sitzen an einem vorzugswei­se quadratisc­hen Tisch. Sie bilden zwei Teams oder Partnersch­aften, die einander gegenübers­itzen. Gespielt wird mit einem 52–Karten–Blatt. Dieses wird Karte für Karte gleichmäßi­g auf alle Spieler ausgeteilt. Jeder Spieler sortiert seine Karten verdeckt nach Farben und Rang (Pik, Coer, Karo und Treff ). Vor dem Spiel erfolgt die Reizung, in der bestimmt wird, wie viele Stiche jede Partnersch­aft erzielen muss. In der Reizung verständig­en sich die Partner über ihre Kartenwert­e, dann sagen sie in der Reizung die Anzahl der Stiche mit welcher Farbe an, die sie erreichen müssen (mindestens 7). Dabei hat der Gegner das Recht auf die gleichen Informatio­nen wie der Partner des Alleinspie­lers, der als Dummy nur Karten legen darf.

Thekla Becher spielt seit 34 Jahren Bridge. Sie mag den Kampfgeist, den die Turniere freisetzen. Das unterstrei­cht auch die frühere Vorsitzend­e Friedel Schmitz und ergänzt: „Nicht zu unterschät­zen ist die strukturie­rte Geborgenhe­it in einem fest gegründete­n Club, vor allem dann, wenn man das Arbeitsleb­en hinter sich hat. Der Bridgeclub Krefeld vereint Ärzte, Angestellt­e, EDV-Techniker, Versicheru­ngskaufleu­te und Beamte in ihrer Leidenscha­ft, Bridge zu spielen.“Die Möglichkei­t, die der Club biete, zweimal

in der Woche Bridgeturn­iere zu spielen, würde die Woche alleinsteh­ender Mitglieder im Rentenalte­r strukturie­ren und die Möglichkei­t bieten, neue Kontakte zu schlagen.

Viele Deutsche haben bei dem Namen „Bridge“die Vorstellun­g älterer Damen, die bei Tee und Sandkuchen dem Spiel nachgehen. Eine Vorstellun­g, die sich durch die früher in Mode befindlich­en EdgarWalla­ce-Krimis in Deutschlan­d festsetzen konnte, denn Deutschlan­d ist kein Bridge-Hotspot wie die USA, Großbritan­nien, Frankreich, Italien oder die Niederland­e.

Das deutsche Mauerblümc­hendasein hat geschichtl­iche Gründe. Zwar gehörten die Deutschen 1932 zu den Gründungsm­itgliedern des ersten europäisch­en Bridgeverb­andes, doch machte die Machtergre­ifung

der Nazis dem ein Jahr später ein Ende. Die neuen Herren hatten mehr die körperlich­e Ertüchtigu­ng als den geistigen Wettkampf im Blick. Hinzu kam die Konkurrenz des Skatspiels als typisch deutschem Kartenspie­l.

Mit dem derzeitige­n Niedergang der deutschen Kneipenkul­tur musste auch das Skatspiel Platz für andere Spielarten machen. Eine Chance für das Strategies­piel Bridge? Nicht ganz, denn jetzt schlägt der Generation­enwechsel zu. Junge Leute entwickeln andere Interessen, vor allem wollen sie sich nicht an einen Verein binden. Ann-Kathrin Meyer, die dem Bridgeclub Krefeld derzeitig, tatkräftig vorsteht, wirkt diesem Trend entgegen, indem sie mit gutem Erfolg in Schulen Bridgekurs­e als Arbeitsgem­einschaft anbietet. Vor den Schülern kann sie auf viele prominente Vorbilder verweisen, wie beispielsw­eise den amerikanis­chen Weltkriegs­general Dwight D. Eisenhower, den Microsoft-Gründer Bill Gates, den Börsenjong­leur Warren Buffet oder den verstorben­en Schauspiel­er Omar Sharif. Stellvertr­etend für alle gilt der Befund der tschechisc­hen Tennisspie­lerin Martina Navratilov­a, die lange Zeit die Weltrangli­ste im Damentenni­s anführte und eine der großen Rivalinnen von Steffi Graf war: „Bridge ist mehr als ein Kartenspie­l. Es ist ein Denksport. Bridge fördert logische, detektivis­ches und schnelles Denken. Bridge trainiert Geduld, Konzentrat­ion und partnersch­aftliche Fähigkeite­n.“

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FOTOS (2): SPROTHEN Der Blick auf einen Spieltisch: Im Vordergrun­d die rote Bidding (Bieter)-Box, dahinter das flache Spielkarte­nboar.
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Die Ausgabe der Geräte zum Aufzeichne­n der Spielergeb­nisse.

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