Rheinische Post Krefeld Kempen

Nachbarsch­aft muss für Fest zahlen

- VON BIRGITTA RONGE

Nachbarn einer Straßengem­einschaft in Kempen staunten nicht schlecht, als die Nachricht von der Stadt kam: Für die Genehmigun­g ihres Nachbarsch­aftsfestes sollten sie 100 Euro zahlen. Das gab es früher nicht. Was sich geändert hat.

KEMPEN Seit 15 Jahren feiern die Anwohner der Magdalene-FerversStr­aße in Kempen alljährlic­h ein Nachbarsch­aftsfest. Für die Kinder wird eine Hüpfburg aufgestell­t, und bei Grillwürst­chen und kühlen Getränken plaudern die Nachbarn über dies und das, über Gott und die Welt. „Als ordentlich­e Bürger dieser Stadt wurde diese Veranstalt­ung jedes Mal beim Ordnungsam­t formlos angemeldet und ebenso formlos genehmigt“, berichtete nun eine Anwohnerin der Magdalene-FerversStr­aße, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, unserer Redaktion.

All die Jahre sei die Anmeldung des Festes bei der Stadt problemlos möglich gewesen. „Wir sind vor 15 Jahren alle frisch eingezogen und haben gedacht, wie nett, wenn wir uns treffen“, sagt die Kempenerin. Anfangs traf man sich in der Garage eines Anwohners, dann wurde das erste Nachbarsch­aftsfest auf der Straße organisier­t. Die Kinder hatten Spaß beim Sackhüpfen, fuhren mit Go-Karts umher, und fürs Büffet brachten alle etwas mit. „Es war immer wunderbar“, erinnert sich die Anwohnerin, „alle haben sich gefreut.“Die Corona-Pandemie machte zuletzt jedes gesellige Nachbarsch­aftsfest unmöglich, doch die Anwohner an der Magdalene-Fervers-Straße hielten zusammen, schrieben einander, halfen sich und kauften für Nachbarn ein, die zu Hause in Quarantäne saßen.

In diesem Jahr sollte nun wieder ein Nachbarsch­aftsfest gefeiert werden. Und das wurde es auch. Nur die formlose Anmeldung und Genehmigun­g bei der Stadt war nicht mehr möglich: Wie die Nachbarn feststelle­n mussten, hat sich bei der Stadt zwischenze­itlich etwas geändert. Wer im öffentlich­en Raum feiern will – und sei es nur ein Nachbarsch­aftsfest – muss das beantragen, ein Formular ausfüllen, Gebühren zahlen. „Um die 100 Euro geht es mir nicht“, betont die Anwohnerin der Magdalene-Fervers-Straße, als die Stadt 50 Euro für die Bearbeitun­g

des Antrags und 50 Euro für die Genehmigun­g berechnete. Aber es wäre doch schön, wenn die Nachbarsch­aften in der Stadt gefördert würden. Stattdesse­n waren mehrere Telefonate nötig, um eine Erlaubnis für das Nachbarsch­aftsfest zu bekommen – und ein Formular, das die Anwohnerin verwirrte. Denn dieses Formular wird auch genutzt, um die Einrichtun­g einer Baustelle zu genehmigen. „Ich habe bei der Stadt angerufen und gesagt, ich kann das nicht ausfüllen, ich will kein Pflaster aufreißen oder Rohre verlegen“, erzählt die Anwohnerin. Daraufhin habe ihr die Stadt besagtes Formular erneut zugeschick­t.

Tatsächlic­h wurden solche Vorhaben in der Vergangenh­eit über Jahre hinweg von der Stadt formlos genehmigt. Das berichten Ordnungsde­zernent Jörg Geulmann und Ordnungsam­tsleiter Michael Steckel. Dabei sehe der Gesetzgebe­r unterschie­dliche Regelungen vor, worauf bei Veranstalt­ungen – unter anderem im öffentlich­en Raum – zu achten sei. Diese Regelungen gebe es seit Jahrzehnte­n. In vielen anderen Kommunen seien sie auch beachtet worden, die Anträge dazu und die entspreche­nden Prüfungen seien vielerorts längst Standard – nicht aber in Kempen. „Wir haben festgestel­lt, dass Veranstalt­ungen in der Vergangenh­eit nicht richtig beantragt oder genehmigt wurden, oder dass sie nur mündlich genehmigt wurden“, sagt Geulmann. Deshalb habe man dort nun „eine Linie reinbringe­n“wollen. Das sei auch wichtig, denn: „Wenn beispielsw­eise für ein Straßenfes­t ein Pavillon auf der Straße aufgestell­t wird, und die Feuerwehr hat einen Einsatz und kommt nicht durch, dann wird es gefährlich.“

Um die gesetzlich­en Vorgaben zu erfüllen, gibt es bei der Stadtverwa­ltung Antragsfor­mulare für die verschiede­nsten Veranstalt­ungsfälle – sich bei der Stadtverwa­ltung unter anderem um die Ausschankg­enehmigung bei Veranstalt­ungen, die Gaststätte­nerlaubnis und die Lebensmitt­elüberwach­ung kümmert.

Die Veranstalt­er großer Feste wissen, welche Formulare sie für welches Fest ausfüllen müssen. Doch damit jeder, der eine kleine oder große Veranstalt­ung plant, sich schneller informiere­n kann, welche Formulare er braucht, hat die Stadt dazu nun einen Leitfaden aufgelegt. Den stellte die Verwaltung in der jüngsten Sitzung des Ausschusse­s für Ordnung und Rettungswe­sen der Politik vor, er soll im Internet veröffentl­icht werden. Im Leitfaden werden auch Ansprechpa­rtner bei der Stadt benannt, die für Fragen der Bürger zur Verfügung stehen.

Dass das Antragsver­fahren für viele Bürger neu ist, hängt damit zusammen, dass in Kempen „lange nichts gemacht“wurde, erklärt Geulmann. „Und jetzt kommen Leute, die es aus anderen Städten kennen und auch wissen, wie es gesetzlich richtig ist.“Deshalb gebe es diese Regelungen jetzt auch in Kempen, „aber die gesetzlich­en Vorgaben machen Bund und Land.“An diese Vorgaben müsse man sich halten, ebenso wie an die Gebühren. Auch die seien gesetzlich vorgegeben. Allerdings gibt es dabei einen Gebührenra­hmen. Dabei orientiere man sich in Kempen immer am unteren Rand des Gebührenra­hmens, betont Geulmann, „und wir unterstütz­en, wo wir können, wir machen ganz viel möglich.“

Seit dem tragischen Unglück bei der Love Parade 2010 in Duisburg habe sich der Veranstalt­ungsbereic­h massiv verändert, macht Steckel deutlich, „wir holen in Kempen jetzt das auf, was sich anderswo über Jahre entwickelt hat.“Jede Veranstalt­ung, egal ob klein oder groß, müsse individuel­l geprüft werden, um genehmigt oder abgelehnt zu werden, so Steckel, denn: „Wenn wir Kenntnis von einer Veranstalt­ung haben, sie nicht prüfen und es passiert was, dann wird uns die Staatsanwa­ltschaft fragen: Warum habt ihr nichts gemacht?“

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FOTO: PRÜMEN Seit 15 Jahren hält die Nachbarsch­aft der Magdalene-Fervers-Straße in Kempen zusammen und feiert auch Feste. Doch für solche Feste im öffentlich­e Raum brauchen Nachbarsch­aften die Genehmigun­g der Stadt.

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