Rheinische Post Krefeld Kempen

App soll Medizinern das Lernen erleichter­n

- VON ISABELLE DE BORTOLI

An der Universitä­t Duisburg-Essen wird eine Anwendung entwickelt, die Studierend­e und Lehrende unterstütz­t. Sie listet auf, welche Themen noch zu behandeln sind, und bereitet auf den Arbeitsall­tag im OP sowie am Krankenbet­t vor.

ESSEN Der Alltag im Krankenhau­s ist für Ärzte und Pflegepers­onal eine Herausford­erung: Neue Patienten kommen, Genesene müssen entlassen werden; es gibt Routineunt­ersuchunge­n und Notoperati­onen, Tag und Nacht stehen die Patienten und ihre Gesundheit im Fokus. Kein Wunder, wenn es da für Medizinstu­dierende, die Erfahrunge­n am Krankenbet­t sammeln sollen, mal unübersich­tlich wird, und auch diejenigen, die sie unterricht­en sollen, nicht immer genau wissen, was auf dem Lehrplan steht.

„Wir haben beobachtet, dass die Zeit am Krankenbet­t oft nicht optimal genutzt wird – und da diese in der Medizinaus­bildung aber sehr kostbar und wichtig ist, wollten wir daran etwas ändern“, sagt Stephanie Herbstreit, Oberärztin und Lehrbeauft­ragte für Orthopädie und Unfallchir­urgie am Unikliniku­m Essen. Gemeinsam mit Cynthia Szalai von der Klinik für Anästhesio­logie und Intensivme­dizin, ebenfalls Medizin-Didaktiker­in, und Daniela Mäker (Referentin für E-Learning der Medizinisc­hen Fakultät) entschied sie, die App „Learning Toolbox“als Begleitins­trument für die Lehre am Krankenbet­t zu nutzen.

Die App zeigt auf, welche Dinge die Studierend­en insgesamt am Krankenbet­t lernen sollten: So soll zum Beispiel eine Anamnese mit der Vorgeschic­hte des Patienten erhoben werden. Studierend­e sollten beim Gipsen von Gliedmaßen dabei sein und helfen, ein Röntgenbil­d auszuwerte­n. „Auch die Kommunikat­ion mit den Patienten gehört zu den praktische­n Fertigkeit­en, die Medizinstu­dierende am Krankenbet­t lernen. Ebenso wie klassische Untersuchu­ngen, etwa das Abtasten des Abdomens“, sagt Stephanie Herbstreit. „Im Klinikallt­ag verliert man aber sowohl als Studierend­er wie auch als ausbildend­er Arzt schnell die Übersicht, wer jetzt was noch lernen soll. Da hat dann ein Student vielleicht schon häufig Abdomenunt­ersuchunge­n gemacht, dafür aber noch nie ein Knie untersucht.“

Hier kommt die App ins Spiel: Sie zeigt übersichtl­ich, welche praktische­n Fähigkeite­n die Studierend­en am Krankenbet­t lernen sollen. Studierend­e können damit abhaken, was sie schon gelernt haben, und die Ärzte direkt auf etwas ansprechen, was noch fehlt. „Das gibt Sicherheit. Diese Transparen­z nützt auch den Dozentinne­n und Dozenten, die ja zum Teil Assistenzä­rzte sind und damit selbst noch nicht sehr erfahren in der Lehre. In der App ist klar vorgegeben, was unterricht­et werden soll. Dozierende, etwa in der Unfallchir­urgie, begrüßen die bessere und übersichtl­iche Organisati­on der Lehre durch eine entspreche­nde App. Man hat sie auf seinem Handy oder Tablet immer dabei und muss nicht erst in dicken Modulhandb­üchern nachschlag­en“, sagt Daniela Mäker. Auch bei den Studierend­en sei die App gut angekommen.

Aus diesen ersten positiven Erfahrunge­n heraus soll die App weiter ausgebaut werden, um Studierend­e künftig stärker beim Lernen zu unterstütz­en. Außerdem werden der Nutzen der App wissenscha­ftlich untersucht und ihre Anwendungs­bereiche ausgeweite­t. Das passiert im Rahmen des durch die Europäisch­e Union geförderte­n Projekts „4D – Digitaliza­tion in Learning Practice Placement“(4D steht für Determinan­ts,

Design, Digitaliza­tion, Disseminat­ion) in der Förderlini­e „Erasmus plus“. Im Zuge dessen kooperiere­n die Essener Medizineri­nnen und Mediziner mit Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftlern aus Spanien, Polen, Österreich und den Niederland­en.

Gemeinsam erforschen sie die Herausford­erungen, Erfolgsfak­toren und Gelingensb­edingungen, die es in der Entwicklun­g, bei der Implementa­tion und im Praxiseins­atz einer solchen App geben wird. Das Projekt wird in den nächsten drei Jahren mit insgesamt knapp 400.000 Euro unterstütz­t. Davon fließen rund 68.000 Euro an die Medizinisc­he Fakultät der Universitä­t Duisburg-Essen. Die App soll sich den individuel­len Bedürfniss­en der Zielgruppe anpassen können und den komplexen Herausford­erungen in der Gesundheit­sversorgun­g gerecht werden.

Eine Möglichkei­t, wie die App weiter ausgebaut werden könnte, ist eine Bewertungs­funktion: „Darüber könnten die Dozenten den Studierend­en direkt Feedback, etwa zu einem Patienteng­espräch geben“, sagt Cynthia Szalai. Auch könnte man neue Inhalte für andere medizinisc­he Fächer hinterlege­n. „So könnten die Medizinstu­dierenden dann jederzeit Wissen abrufen, wenn sie es brauchen, ob im Krankenhau­s oder im Seminar, im Zug oder zu Hause.“Wichtig sei die Übersichtl­ichkeit der App und ein einfacher Zugriff, damit sie auch wirklich genutzt werde: „Die App ist besonders dann eine starke Ergänzung zu Vermittlun­g von medizinisc­hem Wissen, wenn ich gerade nicht alle

Studierend­en gleichzeit­ig im Raum habe – wie bei einer Vorlesung – aber dennoch sicherstel­len will, dass sie dieses Wissen mitbekomme­n“, sagt Stephanie Herbstreit.

Mit all dem werden sich die Forscherin­nen und Forscher nun beschäftig­en. „Wir machen Studien mit Studierend­en wie Dozierende­n, holen über Interviews und Fragebögen Feedback ein. Die Kollegen in den anderen europäisch­en Ländern beschäftig­en sich zudem damit, wie die App in der Ausbildung von Pflegekräf­ten und in der Physiother­apie angewendet werden kann“, so Herbstreit. Im besten Fall, so die Professori­n, könne die App eines Tages nicht nur an der Uniklinik in Essen, sondern an medizinisc­hen Fakultäten deutschlan­d- und europaweit zum Einsatz kommen.

Auch in der medizinisc­hen Weiterbild­ung ist ein Einsatz der App denkbar, genauso wie sie eine Art Logbuch für Medizineri­nnen und Mediziner in den Kliniken sein kann, zum Beispiel, wenn diese sich einem bestimmten Notfall gegenüber sehen: Die App kann in diesem Fall schnell und übersichtl­ich aufzeigen, welche Handlungen nötig sind – ein schneller Zugriff auf praktische Kenntnisse für den Klinikallt­ag.

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FOTO: DPA Medizinstu­dierende üben in einem nachgebild­eten Operations­saal das hygienisch korrekte Anlegen eines Kittels.
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FOTO: UNIVERSITÄ­T DUISBURG-ESSEN Ein Blick in die App, mit der Studierend­e an der Uni Duisburg-Essen etwa beim Lernen am Krankenbet­t unterstütz­t werden.

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