Rheinische Post Krefeld Kempen
Rechtsruck in London
Liz Truss übernimmt das Ruder – innerhalb von sechs Jahren erlebt Großbritannien den vierten Regierungschef. Die ehemalige Außenministerin konnte den Kampf um die Nachfolge von Boris Johnson als Parteivorsitzende der Konservativen glatt gewinnen. An diesem Dienstag wird sie von der Queen zur Premierministerin ernannt, und die Probleme, die die neue Regierungschefin erwarten, sind riesig: Vor dem Hintergrund eines Kriegs in Europa sieht sich das Land einer Preisexplosion, Inflationsspirale und Rezession gegenüber.
Dabei wurde Truss nicht vom Volk, sondern nur einer kleinen Gruppe, nämlich exakt 81.326 Mitgliedern der Tories gewählt. Um zu gewinnen, hatte Truss ein Programm vorgestellt, das viel mit den Wünschen der Basis, aber wenig mit der Lebenswirklichkeit der Bürger zu tun hat. Sie halte nichts von Almosen, war ihre Antwort auf die Krise bei den Lebenshaltungskosten. Die Steuern für Unternehmen müssten gesenkt werden, sagte sie, keinesfalls würde sie eine Übergewinnsteuer für Energiekonzerne erwägen.
Als Erbin von Margaret Thatcher hat sich Truss stilisiert, und ihre Ankunft in der Downing Street signalisiert einen Rechtsruck in London. Allerdings ist schon jetzt abzusehen, dass sie nicht an all ihren Plänen festhalten kann, denn es führt nichts daran vorbei, den Bürgern mit Staatshilfe unter die Arme zu greifen. Der Energiepreisschock ist einfach zu groß: Bis zum Frühjahr nächsten Jahres, heißt es in Prognosen, könnten sich die Kosten für Gas und Strom vervierfachen.
Ihre Wirtschaftspolitik könnte für das Königreich richtig riskant werden: Denn ihr Programm von massiven Steuersenkungen einerseits und noch kostspieligeren Ausgaben andererseits (für Verteidigung beispielsweise) läuft auf eine gigantische Neuverschuldung hinaus. Mit Liz Truss als Premierministerin kommen auf die Briten turbulente Zeiten zu.