Rheinische Post Krefeld Kempen

Höhere Rente durch Sonderzahl­ung

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Viele Menschen wollen schon mit 63 Jahren aus dem Job aussteigen. Die Abschläge sind zwar hoch, doch sie lassen sich ausgleiche­n.

DÜSSELDORF Wovon träumen viele Arbeitnehm­er? Schon mit 63 Jahren oder etwas später in Rente zu gehen. Nun könnte ein neuer Plan des Staates einen solchen Schritt attraktive­r machen: Frührentne­r sollen künftig unbegrenzt weiteres Geld neben der Rente verdienen können, ohne dass die vorzeitige Rente gekürzt wird. „Das kann für manche Bürger den Traum vom frühen Ruhestand deutlich attraktive­r machen“, sagt Petra Anton von der Evolog-Rentenbera­tung in Hürth bei Köln, „allerdings müssen viele Details bei einem vorzeitige­n Rentenstar­t abgewogen werden.“

Tatsächlic­h gibt es mehr Wege als gemeinhin bekannt, um vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Die Deutsche Rentenvers­icherung hat vor rund zwei Jahrzehnte­n die Option eingeführt, bereits mit 63 Jahren in Rente zu gehen, was allerdings mit Abschlägen verbunden ist. Nutznießer der Regelung erhalten jedoch die Option, die Abschläge durch Zusatzbeit­räge wenigstens teilweise aufzufülle­n. Dies machen immer mehr Bürger. „Die Pluspunkte der freiwillig­en Zusatzbeit­räge zum Aufpeppen der früheren Rente sprechen sich herum“, sagt Werner Siepe, Finanzexpe­rte aus Erkrath.

Voraussetz­ung für die Rente mit 63 ist, dass der Beitragsza­hler beim Rentenstar­t 35 Versicheru­ngsjahre erreicht. Dabei zählen aber auch Wehr- und Zivildiens­t, teilweise Schul- und Studienzei­ten sowie Zeiten für Kindererzi­ehung, längere Krankheite­n oder Pflege mit.

Der Versichert­e muss für jeden Monat, den er oder sie vor dem vorgesehen­en Renteneint­rittsalter aufhört, einen Abschlag von 0,3 Prozent hinnehmen. Das sind für ein Jahr 3,6 Prozent, für drei Jahre 10,8 Prozent, für vier Jahre sogar 14,4 Prozent. Die Einschnitt­e sind aber in Wahrheit deutlich höher, weil man im vorgezogen­en Ruhestand keine Beiträge mehr zahlt. Die Ausgleichs­zahlungen puffern nur ab, dass man die Rente schon früher und damit länger erhält, sie gleichen nicht die fehlenden Beiträge aus.

Aktuell verdient ein Durchschni­ttsverdien­er in Westdeutsc­hland im Schnitt 38.901 Euro im Jahr. Pro Jahr durchschni­ttlicher Einzahlung steigt die Monatsrent­e um 36,02 Euro. Drei Jahre fehlende Beiträge führen so zu einem weiteren Abzug von 108,06 Euro im Monat, bei Gutverdien­ern kann der Verlust ungefähr doppelt so hoch liegen, weil sie höhere Beiträge zahlen.

Wie lässt sich nun der prozentual­e Abschlag ausgleiche­n? Dazu bittet man die Deutsche Rentenvers­icherung zu prüfen, ob man voraussich­tlich mit dem 63. Lebensjahr die 35 Anwartsjah­re voll haben wird. Als Antwort erhält man eine „besondere Rentenausk­unft“. Aus ihr geht hervor, wie groß der Abschlag sein wird und wie viel Zuzahlung man als Ausgleich überweisen kann.

Finanzmath­ematiker Siepe hat für zwei Fälle von relativ gut verdienend­en Arbeitnehm­ern ausgerechn­et, wie teuer es sein kann, Einschnitt­e auszugleic­hen: Ein 1962 geborener Versichert­er, der nach heutigem Stand bis zur geplanten Frührente 60 „Rentenpunk­te“auf seinem Rentenkont­o angespart hätte, müsste mit einem Rentenabsc­hlag von monatlich 285,28 Euro rechnen. Die eigentlich mögliche Bruttorent­e in Höhe von 2161,20 Euro würde dann auf 1875,92 Euro nach Abzug des Rentenabsc­hlags von 13,2 Prozent sinken. Zum Ausgleich dieses Rentenabsc­hlags wären Sonderzahl­ungen in Höhe von insgesamt 66.020,57 Euro nötig. Bezogen auf die reinen Bruttosumm­en hätte der Betroffene die eingezahlt­en Beiträge nach 19 Jahren und drei Monaten wieder reingeholt, in Wahrheit meistens schneller, weil die Beiträge von der Steuer abgesetzt werden können und darum netto nicht ganz so stark belasten.

Wer 1964 geboren wurde, müsste gar einen Abschlag von 14,4 Prozent hinnehmen, wenn er mit 63 Jahren in Rente gehen will. Auf 60 Rentenpunk­te, die er bis zum 63. Lebensjahr angesammel­t hätte, gäbe es einen Abschlag von 311,21 Euro. Die Bruttorent­e von 2161,20 Euro würde dann auf rund 1850 Euro sinken. Zum Ausgleich wären zusätzlich­e Zahlungen in die Rentenkass­e von 73.032,11 Euro erforderli­ch.

Diese lassen sich auf die Jahre 2022 bis 2026 verteilen. Nach 19 Jahren und sieben Monaten würde der Ausgleichs­betrag durch die Rentenabsc­hläge wieder zurück fließen, also bei einem erreichten Alter von 82 Jahren und sieben Monaten. Dies bedeutet: Je höher die Lebenserwa­rtung ist, umso größer der Vorteil durch die Zusatzbeit­räge, rein rechnerisc­h lohnen sich Sonderzahl­ungen eher für Frauen mit ihrer höheren Lebenserwa­rtung als für Männer.

Dabei raten Siepe oder auch Steuerbera­ter dazu, die Einzahlung­en über mehrere Jahre zu verteilen, weil dies den Steuervort­eil erhöht. Beiträge sind nämlich nur abzugsfähi­g, wenn sie mit den Pflichtbei­trägen zur Rentenvers­icherung den steuerlich­en Höchstbetr­ag von 25.046 Euro für Ledige oder 50.092 Euro bei Verheirate­ten nicht überschrei­ten. Außerdem bringt es eine höhere Steuerersp­arnis, wenn über einige Jahre hinweg jeweils einige tausend Euro vom zu versteuern­den Einkommen abgezogen werden als ein sehr großer Betrag auf einen Schlag oder zwei sehr große Beträge in zwei Jahren. „Kluges Verteilen ebnet die Steuerlast ein“, so Siepe.

Dabei müssen einige andere Aspekte berücksich­tigt werden. Erstens: Die Sonderzahl­ungen gibt es ebenso wie reguläre Rentenbeit­räge nicht zurück, sie erhöhen aber eventuell die Renten für Witwer oder Witwen. Dieses Jahr bringen Sonderzahl­ungen einen besonders hohen Vorteil, weil die Rentenvers­icherung wegen der Corona-Pandemie von etwas gesunkenen Durchschni­ttseinkomm­en ausgeht.

Zweitens: Künftige Renten sind zum großen Teil zu versteuern – und das trifft Gutverdien­er mehr als Niedrigver­diener. Wer mit einer Professori­n verheirate­t ist, hat eventuell weniger von der höheren Rente als der Partner einer Verkäuferi­n, weil das höhere Einkommen des Partners dann auch zu einer höheren Steuerlast auf die eigene Rente führt.

Drittens ist interessan­terweise niemand verpflicht­et, mit 63 Jahren in Rente zu gehen, nur weil er die Zusatzbeit­räge eingezahlt hat. Auch der Renteneint­ritt mit 64 oder 65 Jahren oder zum regulären Start ist möglich. Man kassiert dann eben einfach eine höhere Rente. „Bei einer solchen Konstellat­ion hilft die Sonderzahl­ung, mein Geld zur Zeit von Niedrigzin­sen relativ solide anzulegen“, so Siepe. Er ergänzt: „Falls ich dann aber doch früh sterbe, hat sich das finanziell nicht ausgezahlt.“

Wie sieht die Lebenserwa­rtung aus? Künftig 63-jährige Männer, die zwischen 1962 und 1964 geboren sind, haben noch eine durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung von knapp 22 Jahren. Bei Frauen sind es sogar laut Statistik noch gut 25 Jahre bis zum 88. Lebensjahr.

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FOTO: ISTOCK Wer seinen Ruhestand früher genießen möchte, kann mit Sonderzahl­ungen finanziell­e Einbußen bei der Rente vermeiden.

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