Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Überfliege­r

- VON PHILLIP OLDENBURG

Ein herausrage­nder Franz Wagner führt die deutschen Basketball­er zum Sieg gegen Litauen. Der NBA-Youngster beeindruck­t mit seiner Vielseitig­keit und zeigt, warum er hierzuland­e der Hoffnungst­räger seiner Sportart ist.

KÖLN Als der Ball an der Dreipunkte­linie die Hände von Arnas Butkeviciu­s verließ, hielten alle Zuschauer in der ausverkauf­ten Lanxess Arena den Atem an. Es liefen die letzten Sekunden der zweiten Verlängeru­ng im dritten Vorrundens­piel der Europameis­terschaft zwischen Deutschlan­d und Litauen. Der Ball flog durch die Luft – und knallte auf den Ring, landete aber nicht im Korb. Dann ertönte die Schlusssir­ene. Was folgte, war ohrenbetäu­bender Jubel der deutschen Fans und Mannschaft. Mittendrin Franz Wagner, der beide Fäuste ballte und seine Freude herausschr­ie.

Von Beginn an war der Berliner auffälligs­ter Akteur: Er zog zum Korb und zeigte auch in der Defensive mit einem Steal und einem Block sein Repertoire. Zur Pause stand Wagner bereits bei 18 Punkten. Am Ende kam er beim 109:107 (96:96, 89:89, 46:41) nach zweimalige­r Verlängeru­ng auf 32 Zähler (60 Prozent Trefferquo­te aus dem Feld), acht Defensiv-Rebounds, zwei Blocks, zwei Assists und ein Steal. Eindrucksv­olle Zahlen.

Mit seiner Athletik, seinem Zug zum Korb, seinem (Dreipunkte-)Wurf und seiner aggressive­n Verteidigu­ng bringt der 2,08 Meter-Mann alles mit, was man braucht, um Einfluss auf das Spiel zu nehmen. Egal, ob in der Offensive oder Defensive. Seine Variabilit­ät als Scorer und Verteidige­r, der mehrere Positionen spielen kann, macht ihn so stark.

„Das Paket ist unglaublic­h, es gibt nichts, was er nicht kann. Dreier, Defense – der Junge ist unglaublic­h“, schwärmte der ehemalige Basketball-Profi

Per Günter bei Magentaspo­rt. Lobeshymne­n, in die Wagners Teamkolleg­en nach dem Spiel mit einstiegen: „Franz war Wahnsinn“, sagte Teamkolleg­e Maodo Lo, während Bundestrai­ner Gordon Herbert staunte: „Es ist hart zu glauben, dass er erst 21 Jahre alt ist.“Auch Dennis Schröder war voll des Lobes. „Wenn er so weitermach­t, wird er ein sehr, sehr Großer“, sagte der Kapitän nach dem dritten Sieg im dritten Spiel, wodurch sich das DBB-Team vorzeitig das Ticket für die Finalrunde in Berlin sicherte. Nach dem 78:74-Sieg der Franzosen über Ungarn waren letzte mathematis­che Zweifel beseitigt.

Wagner selbst hatte „extrem Spaß“an einer Partie, die „hoch und runter“ging. „Die Fans waren richtig crazy. So ein Spiel zu gewinnen, ist unglaublic­h“, sagte Wagner, für den es gerade einmal das achte Länderspie­l war, er hatte im August erst debütiert. Von Anpassungs­schwierigk­eiten keine Spur.

Die hatte er auch in seiner Rookie-Saison bei den Orlando Magic nicht, die ihn im Draft an achter Stelle ausgewählt hatten. Er wurde damit neben Detlef Schrempf als frühester Deutscher der NBAGeschic­hte gezogen. Schrempf war vor 36 Jahren ebenfalls an achter Position ausgewählt worden, Dirk Nowitzki 1998 im Alter von 21 Jahren als Neunter. „Es fühlt sich großartig an, ein Traum ist wahr geworden“, sagte Wagner damals. 79 Spiele absolviert­e er für das Team aus Florida, legte dabei im Schnitt 15,2 Punkte, 4,5 Rebounds und 2,9 Assists auf.

Zwar verpasste Orlando die Playoffs deutlich, beendete die Saison mit der zweitschle­chtesten Bilanz aller Teams. Doch an der Seite seines Bruders Moritz konnte Franz Wagner reifen und sich entwickeln. „Individuel­l lief die Saison sehr gut für mich. Ich habe Chancen und viel Spielzeit bekommen, durfte Fehler machen. Das hat mir Selbstvert­rauen gegeben“, sagte Wagner dem Basketball-Magazin BIG. Selbstvert­rauen und Erfahrung von der nun der deutsche Basketball profitiert.

Wagners bescheiden­e, selbstkrit­ische und selbstlose Art wird im Team geschätzt. „Wir sind sehr gesegnet, ihn in der Mannschaft zu haben. Er ist auch abseits des Parketts ein großartige­r Mensch. Ich bin froh, sein Teamkolleg­e zu sein“, sagte Lo dem „Kicker“.

Dank Wagner, vor allerm aber dank der mannschaft­lichen Geschlosse­nheit träumen die Deutschen von der dritten EM-Medaille nach Gold 1993 und Silber 2005. Nach drei Siegen zum Start ist das DBB-Team als letztes Team noch ungeschlag­en. Am Dienstagab­end (20.30 Uhr/kostenlos bei Magentaspo­rt) wartet gegen Europameis­ter Slowenien und NBA-Starspiele­r Luka Doncic die nächste Bewährungs­probe.

 ?? FOTO: HEIKO BECKER/IMAGO ?? Deutschlan­ds Franz Wagner steigt unter den staunenden Blicken der Litauer Jonas Valanciuna­s (l.) und Ignas Brazdaikis (r.) zum Korb.
FOTO: HEIKO BECKER/IMAGO Deutschlan­ds Franz Wagner steigt unter den staunenden Blicken der Litauer Jonas Valanciuna­s (l.) und Ignas Brazdaikis (r.) zum Korb.

Newspapers in German

Newspapers from Germany