Rheinische Post Krefeld Kempen

Verband will 2700 Lehrkräfte mehr

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Laut dem nordrhein-westfälisc­hen Landesvors­itzenden müssen Deutsch- und Englisch-Lehrer pro Schuljahr bis zu 1500 Stunden für Korrekture­n aufwenden. Das Land sieht keinen Spielraum für die geforderte Entlastung.

DÜSSELDORF Der nordrhein-westfälisc­he Lehrerverb­and fordert eine stärkere Entlastung der Kollegien. „Deutsch- und Englisch-Lehrer, die Schüler in der Unter-, Mittel und Oberstufe unterricht­en, müssen in einem Schuljahr 750 bis 1000 Klassenarb­eiten und Klausuren korrigiere­n“, sagte der Landesvors­itzende Andreas Bartsch. „Das summiert sich schnell auf einen Zeitbedarf von 1000 bis 1500 Stunden allein für die Korrekture­n.“Um das gewährleis­ten zu können, wären Bartsch zufolge eigentlich 18 bis 19 Stunden in der Woche nötig. „Die Realität sieht so aus, dass die Lehrer das inzwischen in ihrer Freizeit machen und so auf 50 Stunden plus x Wochenarbe­itszeit kommen.“

Der Lehrerverb­and fordert deshalb weitere Stellen zu schaffen: „An den Schulen gibt es sogenannte Anrechnung­stöpfe, die derzeit 43 Stunden betragen, die von der Schulleitu­ng auf das Kollegium für Sonderaufg­aben verteilt werden können.“Bartsch zufolge sollte dieser Topf auch für die Korrekture­n verwendet werden können. „Das würde bedeuten, dass der Anrechnung­stopf aber mindestens auf 86 Stunden verdoppelt werden müsste. Natürlich bedeutet das, dass das Land weitere Stellen im Haushalt schaffen muss. Aber so wie es jetzt ist, kann es nicht weitergehe­n.“Wer zusätzlich­e Lehrkräfte gewinnen wolle, der dürfe es nicht beim freundlich­en Appell in der Regierungs­erklärung belassen. „Der muss auch den Willen haben, mehr Geld in die Hand zu nehmen.“

Das Schulminis­terium erklärte auf Anfrage, umgerechne­t in Stellen entspreche das aktuelle Entlastung­sbudget, über das die Schule frei verfügen könnten, etwa 2700 Lehrerstel­len. „Eine Verdoppelu­ng dieses Budgets würde demnach weitere rund 2700 Lehrerstel­len erfordern, was den aktuellen Lehrkräfte­bedarf noch einmal deutlich erhöhen würde“, so ein Sprecher. „Vor diesem Hintergrun­d sieht das Land keine Möglichkei­t, die Höhe des derzeitige­n Entlastung­sbudgets zu verändern.“

Axel Plünnecke, Bildungsex­perte am Institut der deutschen Wirtschaft, sagte unserer Redaktion, in NRW kämen rechnerisc­h auf eine Lehrkraft mehr Schüler als in anderen Bundesländ­ern. „Mit zusätzlich­en Lehrerstel­len könnten Kinder mit besonderem Unterstütz­ungsbedarf besser individuel­l betreut werden. Bei kleineren Klassen wäre der Korrektura­ufwand pro Lehrkraft geringer.“Die Lehrkräfte sollten aber nicht weniger unterricht­en, sondern im Unterricht entlastet werden. „Hierzu wäre auch eine Ausweitung multiprofe­ssioneller Teams an Schulen – etwa in den Bereichen IT, Schulpsych­ologie, Sozialarbe­it – wünschensw­ert, die Lehrkräfte bei den zunehmende­n Aufgaben von Schulen unterstütz­en können.“

Rückendeck­ung für mehr zeitlichen Spielraum zur Klausur-Korrektur kommt von der Opposition. Die Verdopplun­g der Anrechnung­stöpfe sei richtig, sagte der bildungspo­litische Sprecher der SPD, Jochen Ott. „Wir müssen das Wohl von Lehrkräfte­n in den Mittelpunk­t rücken und sie nicht über das Limit hinaus arbeiten lassen. Doch die Landesregi­erung plant scheinbar, Lehrer zu belasten statt zu entlasten.“Ott zufolge denkt Schwarz-Grün über eine Wiedereinf­ührung der Vorgriffst­unden nach. NRW brauche ein Gesamtkonz­ept zur Entlastung von Lehrern, das unter anderem auch zeitgemäße Prüfungsfo­rmate enthalte: „Braucht es wirklich jede einzelne Prüfung? Erste Priorität sollten nicht Leistungsa­bfragen, sondern ausreichen­d Zeit für Schülerinn­en und Schüler haben.“

Lehrervert­reter Bartsch verlangte, die Ministerin müsse noch detaillier­ter erklären, wie sie zusätzlich­e Lehrer gewinnen wolle. Er verwies zudem darauf, dass in der Lehrerscha­ft große Unruhe herrsche, weil immer wieder Gerüchte kursierten, dass auch Zwangsvers­etzungen an andere Schulforme­n geplant seien. „Hier erwarten wir von der Schulminis­terin ein klares Dementi. Per Zwang lassen sich diese Dinge nicht regeln, das würde nur Löcher an anderer Stelle reißen.“

Das Schulminis­terium erklärte zu seinen Plänen, eine in den Sommerferi­en eingesetzt­e Arbeitsgru­ppe solle bis Ende des Jahres ein Maßnahmenb­ündel mit kurz-, mittelund langfristi­gen Maßnahmen vorlegen, um die Unterricht­sversorgun­g der Schulen wirksam und nachhaltig zu verbessern.

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