Rheinische Post Krefeld Kempen
Umgang mit der Obrigkeit
Auch Leute in hohen Positionen müssen sich Respekt verdienen. Sonst droht Spott.
Das Verhältnis zur Obrigkeit ist im Rheinland zwiegespalten. Einerseits wird höchste Anerkennung gezollt, andererseits an Spott nicht gespart. Letzteres mussten jüngst Laschet und Woelki erfahren, die trotz höchster Positionierung in Staat und Kirche für viele Rheinländer in kürzester Zeit unten durch waren. Dem einen wurde die Ernsthaftigkeit abgesprochen (Lachen trotz Flut!), dem anderen die Glaubwürdigkeit aberkannt (Vertuschen statt Aufklärung).
Wie gut, dass es im Rheinland genügend Vorbilder gibt, die offiziell zwar nichts zu sagen, aber trotzdem einiges zu vermelden haben. Was in Neuss der Schützenkönig, ist in Köln der Prinz – eine Respektsperson, über nahezu jeden Zweifel erhaben. Die hohen Repräsentanten des Brauchtums, zuständig für den Spaß an der Freud, dienen der rheinischen Seele als Projektionsfläche. Ihre Ausstrahlung gibt auch der eigenen Person Glanz, stärkt und lässt viele auf sich selbst stolz sein. Warum auch nicht? Die Bläck Fööss haben diesem Phänomen etliche Lieder gewidmet und selbst in der Kirche entdeckt („Ich wär so gerne Weihbischof!“), wie Pracht, Prost und Palaver dem Rheinländer gefallen.
Gleichzeitig wird hierzulande gern kritisch beäugt, wenn jemand von hinten, von unten oder von der Seite nach vorne drängt. Die Selbstverliebten setzen sich der Lächerlichkeit aus, den allzu Selbstbewussten droht der SympathieEntzug. Vorbei die Zeiten, als auf dem Dorf allein Pastor, Lehrer, Arzt und Apotheker das Sagen hatten. Meine Großmutter, Jahrgang 1900 und noch unter Kaiser Wilhelm aufgewachsen, wusste als Tochter eines Bonner Husaren, was sich geziemt. Und dennoch unterzog sie die Obrigkeit gern dem Glaubwürdigkeitstest. Und wenn Opa, immerhin Brandmeister und Oberschütze, zu engagiert die Nähe der dörflichen Hautevolee suchte, spottete sie: „Du willst doch nur met die gruete Höng secke jonn.“Wer mit den großen Hunden zum Pissoir marschiert, würde sich gern mit den großen Tieren gemein machen. Gemein, oder? Oma trug selbst als Schützenkönigin morgens noch die Kittelschürze: Sie wusste, wo sie hingehört, und war glücklich damit.
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.