Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Folgen von Habecks Atom-Plan

- VON ANTJE HÖNING UND JANA WOLF

Nach langem Warten liegen die Ergebnisse des Stresstest­s vor: Die Kernkraftw­erke von Eon und EnBW sollen in der Notreserve bleiben. Das ist technisch gar nicht so einfach. Schon jetzt gibt es neuen Krach.

BERLIN Die Energiever­sorgung in Deutschlan­d ist extrem angespannt. Russland stoppt die Gaslieferu­ngen, französisc­he Atomkraftw­erke fallen wegen der Trockenhei­t aus, die Pegelständ­e im Rhein sind niedrig wie nie, im Winter könnten Heizlüfter zusätzlich Strom ziehen – all das stellt Risiken dar. Der lange erwartete dritte Stresstest kommt nun zu dem Ergebnis, dass weitere Schritte notwendig sind, um die Stromverso­rgung für den Winter abzusicher­n.

Was genau kam heraus? Die vier Übertragun­gsnetzbetr­eiber haben mehrere Szenarien betrachtet: „Die Versorgung­ssituation ist in allen Szenarien angespannt“, erklärte ein Vertreter von Amprion. Im schlimmste­n Fall müssten alle Reserven eingesetzt werden, das (geordnete) Abschalten von Verbrauche­rn könnte nötig werden. Besonders kritisch sei die Lage im Süden und Südwesten. Der Stresstest komme zu dem Ergebnis, „dass stundenwei­se krisenhaft­e Situatione­n im Stromsyste­m im Winter 22/23 nicht vollständi­g ausgeschlo­ssen werden können“, teilte das Wirtschaft­sministeri­um mit. Daher wird nun ein Bündel an Maßnahmen empfohlen. Dazu gehört, dass zwei der verbleiben­den drei Atommeiler in der Notreserve gehalten werden: Der EonMeiler Isar 2 und der EnBW-Meiler Neckarwest­heim sollen „bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen“, sagte Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) am Montag. Der RWE-Meiler Emsland soll dagegen zum Jahresende endgültig abschalten.

Was bedeutet der Weiterbetr­ieb? Eigentlich war vorgesehen, dass alle drei Meiler zum Jahresende vom Netz gehen. Technisch wäre es jedoch möglich, sie mit den alten Brennstäbe­n im Streckbetr­ieb länger laufen zu lassen. Laut früheren Branchenan­gaben könnte Isar 2 noch bis Juni 2023 laufen. Erst danach wären neue Brennstäbe fällig. Habeck pocht aber darauf, Isar 2 und Neckarwest­heim nicht über April hinaus zu betreiben. „Am Atomaussti­eg, wie er im Atomgesetz geregelt ist, halten wir fest“, betonte der Minister. Neue Brenneleme­nte würden nicht geladen. Spätestens Mitte April sei mit der Reserve Schluss.

Wie soll das gesetzlich geregelt werden? Das Ministeriu­m will das Atomgesetz nicht antasten. Stattdesse­n will man die Reserve über das Energiesic­herungsges­etz (EnSiG) regeln, in dem auch die UniperRett­ung oder die Gasumlage verankert sind. Aus Ministeriu­mskreisen hieß es am Dienstag, man habe die Ressortabs­timmung für eine dritte Novelle des EnSiG eingeleite­t. Die Änderungen sollen „zügig“vom Kabinett verabschie­det werden. Auch weitere Vorschrift­en sollen angepasst werden. So sollen etwa die Stromprodu­ktion aus Fotovoltai­k kurzfristi­g erhöht und zusätzlich­e Anreize für die Stromprodu­ktion aus Biogas geschaffen werden.

Wie finden die Atomkonzer­ne das? RWE ist erleichter­t, das Kapitel Atomkraft beenden und alle Kraft in den Ökostrom-Ausbau stecken zu können. Eon weist auf Probleme hin, die mit der Notreserve-Lösung entstehen: „Eon hatte immer erklärt, die Bemühungen der Bundesregi­erung um eine sichere Energiever­sorgung zu unterstütz­en. Bei dem vorgestell­ten Plan wird es in allererste­r Linie darauf ankommen, zu prüfen, ob und wie er technisch und organisato­risch machbar ist.“Denn Kernkrafts­eien keine Reservekra­ftwerke, die variabel an- und abschaltba­r seien. EnBW will prüfen, ob Neckarwest­heim länger betriebsbe­reit gehalten werden kann, und fordert vom Bund, rasch die Details zu klären. Baden-Württember­gs Regierungs­chef Winfried Kretschman­n (Grüne) begrüßte Habecks Entscheidu­ng.

Droht nun neuer Streit, besonders bei den Grünen? Die Diskussion in

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FOTO: FRANK HOERMANN/DPA Blick auf das Atomkraftw­erk Isar 2 in Bayern. Es darf nun länger als geplant am Netz bleiben – bis April 2023.

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