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Wechsel in der Downing Street
Liz Truss wurde von der Queen zur neuen britischen Premierministerin ernannt.
LONDON Eine Machtübergabe in Großbritannien pflegt so brutal wie zügig zu verlaufen: Liz Truss hatte am Montag Boris Johnson als Vorsitzenden der Konservativen Partei abgelöst. Am Dienstag übernahm sie von ihm das Amt des Premiers. Der Vorgänger bekam am Vormittag noch Gelegenheit, ein paar letzte Worte an eine Schar von Parteifreunden zu richten, bevor er zur Queen nach Schottland flog, um seine offizielle Entlassung einzureichen. Am Nachmittag traf dann die frisch ernannte Regierungschefin Liz Truss in der Downing Street ein und hielt eine Rede ans Volk.
Johnsons Abschiedsworte waren klassischer Boris: salopp, originell und ein wenig hinterfotzig. „Das isses, Leute“, lautete seine Begrüßung, als er um halb acht Uhr morgens an das Redepult vor der Tür des Amtssitzes in der Downing Street trat. Er habe nicht erwartet, dass seine Amtszeit „zu einem Staffellauf wird. Man hat die Regeln mittendrin geändert, aber Schwamm drüber“. Was da unmissverständlich durchklang, war seine Enttäuschung, nach einem historischen Sieg für seine Partei von der Fraktion aus dem Amt gedrängt worden zu sein.
Johnson hinterlässt seiner Nachfolgerin viele Baustellen – von der Krise im Gesundheitssystem bis zu Streiks in vielen Industriesektoren, von Rekordschulden bis zur Lebenshaltungskostenkrise.
Doch das größte Problem, mit dem sich die neue Premierministerin beschäftigen muss, ist die Explosion bei den Energiepreisen. Liz Truss weiß, dass ihre Tage gezählt wären, wenn sie diese Krise nicht schleunigst meistern kann. Für das Frühjahr wird eine Energierechnung von rund 5400 Pfund jährlich (umgerechnet 6300 Euro) für einen Durchschnittshaushalt erwartet. Daher wird Truss wohl bald einen Entlastungsplan vorstellen müssen. Im Gespräch ist ein Einfrieren der Energiepreise für Privathaushalte über die nächsten 18 Monate.
Zu den Details wollte sich die frischgebackene Regierungschefin bei ihrer Ansprache in der Downing Street nicht äußern. Aber sie benannte die Energiekrise als eine der drei frühen Prioritäten ihrer Regierung: „Ich werde noch in dieser Woche Maßnahmen bei den Energiekosten ergreifen“, sagte sie. Als weitere Prioritäten nannte Truss die Stimulierung der Wirtschaft und die Bekämpfung der Krise im staatlichen Gesundheitssystem.
In ihrem Kabinett umgibt sich Truss mit Vertrauten: Die bisherige Arbeitsministerin Therese Coffey, die als engste Verbündete von Truss gilt, übernimmt das Gesundheitsministerium und wird zugleich Vizeregierungschefin, wie Downing Street mitteilte. Finanzminister wird wie erwartet Kwasi Kwarteng, James Cleverly übernimmt das Außenministerium und die konservative Hardlinerin Suella Braverman wird Innenministerin. (mit dpa)